Noch keine Zeichen und Wunder

Darmstadt Glosse #38 Oktober 2011

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©Thea Nivea

Na ja, ein bisschen heimatlos hab ich mich schon gefühlt in diesem komischen Sommer. Oder was man halt so Sommer nennt. Ist fast wie absurdes Theater, wenn der Vorhang zu geht, obwohl man noch Text hat. Wie findet ihr den Frizz, hab ich meine Eltern gefragt, und meine Mutter sagt: Vielleicht stellst du ihn uns erst mal vor. Manchmal ist sie noch ziemlich altmodisch, deine grüne Mutter, sagt mein Vater, aber wieso fragst du?  Konservativ, würd ich sagen, sag ich, na ja, die wollen mich halt haben. Wer die, fragt meine  Mutter, und außerdem, grün und konservativ passt gut zusammen. Kein Wunder, ist derzeit schwer in, sagt mein Vater, aber Frizz und Thea Nivea auch. Na ja, da hats dann meine Mutter glaub ich auch kapiert.

Von wegen schwer in, sag ich, in Meck-Pomm sinds grade ganz andere Modefarben und in Berlin sowieso. Wie kommst du denn jetzt da drauf, sagt mein Vater. Wg. der Hauptstadt, sag ich. Sie will doch in Berlin studieren, sagt mein Mutter. Nee, sag ich, die von Meck-Pomm. Man, was für ein Wortkalauer, sagt mein Vater, und in deiner Glosse gehts um Darmstadt, nicht um nordöstliche Provinzen. Freu dich doch, sag ich, da ist deine SPD wenigstens noch mehrheitsfähig.

Gibts denn in Darmstadt keine brisanten Themen, sagt mein Mutter, außer dass die alte Tante SPD dafür noch uebe muss? Doch, sag ich, die Heini-Town-Tante ist in den Schellenberg verknallt. Welche Tante, fragt mein Vater. Nicht so wichtig, sag ich. Den Schellenberg find ich total nett, sagt meine Mutter. Wie wärs zur Abwechslung mal mit einem sachlichen Kompliment, sagt mein Vater. Der wirkt total kompetent, sag ich, obwohl er irgendwie auch ein Nerd ist. Kannst du mal so reden, sagt meine Mutter,  dass man dich versteht? Und mein Vater sagt: Halt so ein stiller Zahlenbrüter, mit Potential zum Haushalts-Gau. Wieso, fragt meine Mutter. Na, sagt mein Vater, 62 Millionen geplantes Defizit für 2012, das setzt doch schon mal ein Zeichen.

Das Haushaltsdefizit ist ein unbewältigbares Strukturproblem, sag ich. Du solltest Politikerin werden, sagt mein Vater, bei solch überzeugenden Ausreden. Wieso, sag ich, das rehabilitiert doch die SPD, wenn auch die neue Regierung so viel Schulden machen muss. Bis 2016 schafft der Schellenberg einen ausgeglichenen Haushalt, sagt meine Mutter. Ich glaub nicht an Wunder, sag ich, eher hab ich bis dahin 3 Kinder. Etwa vom Fritz, fragt meine Mutter. Mama, sag ich nur, und mein Vater sagt, dass er das so ähnlich sieht. Und dass er wahrscheinlich 3facher Uropa werden muss, bevor der ICE in Darmstadt hält.

Eigentlich kann man doch jetzt über vernünftige Lösungen reden, sag ich, wo der ICE raus ist aus dem Bundesinvestitionsrahmenplan. Und was bitte hält Fräulein Tochter für vernünftig, fragt mein Vater. Ne schnelle Anbindung an Frankfurt und Mannheim alle halbe Stunde, sag ich. Da hat sie recht, sagt meine Mutter, das wär besser, als wenn ab und zu mal ein ICE hier hält. Da weichst du aber erheblich von der Grünenmeinung ab, sagt mein Vater. Bestenfalls von der amtlichen, sagt meine Mutter.

Dann muss der Partsch ja ganz ohne dich kämpfen, sag ich. Und einfach mal anrufen, sagt mein Vater, wird diesmal nicht reichen. Aber welch ein Zeichen, dass die Damen des Hauses auf FDP-Linie sind. Wenn man klein ist, sag ich, kann man auch mal was Gutes sagen. Außerdem ist das seit ewig die Meinung von Uffbasse. Und jetzt von Uwiga, sagt mein Vater, eine kleine Koalition der Vernunft zeichnet sich ab.

Ist auch nötig nach 100 Tagen grün-schwarzem Politiktheater, sagt mein Vater. Wieso, fragt meine Mutter. Na ja, sagt mein Vater, kein ICE, kein Knell-Rathaus, kein Schuldenabbau, keine Madonna. Keine Nordost-Umgehung, keine höheren Parkgebühren, sagt meine Mutter, und außerdem dauert das Stück 5 Jahre. Ein richtiges Zeichen haben sie noch nicht gesetzt, sagt mein Vater, und an grün-schwarze Wunder glaubt auch keiner mehr. Die Zeit heilt alle Wunder, sag ich. Sind halt alles keine Helden, sagt mein Vater, und ich wundere mich über seinen Durchblick.

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