Vom goldenen Oktober zur Herbstdepression

Auf jeden Fall ging es schon mal golden los, wenn auch nur wettermäßig. Hab mich von meinem Vater überreden lassen, zum Derby mitzugehen. Der ist eigentlich Lilienfan. Nur wenns gegen den OFC geht nicht, weil er als kleiner Junge schon auf dem Bieberer Berg war, sagt er, mit seiner Oma. Ist also so ne Art Geburtsfehler. Insofern wars familiär ganz gut, dass es torlos ausging. Obwohl, es war die pure Langeweile und die Lilien hätten den Sieg verdient gehabt. Und nötig, vor allem wegen der zwei Niederlagen danach, da kann man als Fan schon mal depressiv werden.

Meine Mutter war da ein bisschen schlauer, die nutzt jeden letzten Sonnenstrahl und war den ganzen Tag an der Grube. Vom Derby hat sie nix mitgekriegt. Außer vom riesigen Polizeiaufgebot, und darüber hat sie sich aufgeregt. Weil dieser idiotische Fußball so viel Steuergelder kostet. Zum Glück hat der RP den Schuldenerlass ausgesetzt, sagt sie, und mein Vater regt sich auf. Obwohl er gar keine richtigen Argumente hat. Loser, sagt meine Mutter, sind halt nix fürs Image.

Wenn das Ozonloch über der Arktis weiter wächst, sagt mein Vater, hat sich das mit deiner nahtlos Braun-Manie bald erledigt. Das ist keine Manie, sagt meine Mutter, das ist Prävention gegen Herbstdepression. Dabei müsste sie eher was gegen ihre Aggressionen tun. Flucht den ganzen Tag rum. Sogar, wenn sie sich auf der Dachterrasse sonnt. Vor allem, wenn wieder  Urlaubscharter fliegen. Nicht mal über das Urteil zum totalen Nachflugverbot hat sie sich gefreut. Die finden sowieso Wege, das zu umgehen, sagt sie, Nachtflüge sind systemrelevant, das Pack steckt doch unter einer Decke. Und dann macht sie Anstalten und gibt die Merkel: Die neue Landebahn ist alternativlos. Und mein Vater denkt laut über ein Nacktfluchverbot nach.

Dabei sind das genug Gründe, um sich aufzuregen, sag ich. Oder depressiv zu werden, sagt mein Vater. Selbst der Schellenberg benutzt das Unwort des Jahres und begründet damit neue Schulden. Ja, sagt meine Mutter, und ein legaler Steuerfluchthelfer ist Vorsitzender des Steuerfahnderaffärenuntersuchungsausschuss. Leif ist Leif, sagt mein Vater. Nanananana, sagt meine Mutter. Na, sag ich, noch ist nix bewiesen. Aber dass eine grüne Bundestagsabgeordnete bei der HSE versorgt wird schon, sagt mein Vater.

Die Grünen sind halt eine ganz normale Partei, sag ich, und meine Mutter regt sich tierisch auf. Die Darmstädter Grünen waren dagegen, sagt sie, das ist nur, weil der Ex-OB so tut, als sei er nie abgewählt worden. Als Aufsichtsratsvorsitzender ist er auch nicht abgewählt, sag ich, und außerdem ist eine grüne Frau im Vorstand eines Energiekonzerns gar nicht so verkehrt. Ich sag nur Frauen und Technik, sagt mein Vater.

Aber eine krachende Niederlage für den amtierenden Herrn OB war das schon. Der hat halt eine klare Meinung, sagt mein Mutter, und greift durch, immerhin ist der HEAG-Aufsichtsrat schon neu besetzt. Und die Uffbasser haben da einen FDPler reingewählt, sagt mein Vater und grinst. Die werden halt auch langsam normal, sagt meine Mutter. Ihr blickt das nicht, sag ich, so ein FDP-Mann kann zur Höchststrafe werden, das ist subtil subversiv. Total offensiv wär mir lieber, sagt meine Mutter. Na dann, sag ich: Occupy HSE-Aufsichtsrat.

Immerhin führen die guten Gespräche des OB zu Ergebnissen, sagt mein Vater, den Sander-Sammlern gehts jetzt wie ihrem PopArt-Opa. Na und, sagt meine Mutter, besser kein Museum als ein schwarzer Depressionsklotz auf dem Südhang. Ja, sag ich, aber irgendwie ist das auch ne verschenkte Chance. Wie der Kühlschrankiglu im Carree, sagt mein Vater, der hätte als dauerhaftes Mahnmahl bleiben müssen. Statt Weihnachtsbuden, sagt meine Mutter, das geht nämlich auch schon wieder bald los. Ja, sagt mein Vater, und unser Vettelheimer Weltmeister muss noch am 1. Advent ein Rennen fahren. Na prima, sag ich, dann nimmt das mit den Herbstdepressionen auch schnell ein Ende. Wie meinst du das denn, fragt meine Mutter. Na ja, sag ich, nahtloser Übergang in die Weihnachtsvorfreude.