Ja, ist denn schon wieder Weihnachten?

Darmstadt Glosse #40 Dezember 2011

by

©Thea Nivea

Warum steht eigentlich der Weihnachtsbaum auf dem Luisenplatz, hab ich mich schon immer gefragt. Weil das so was wie das Wohnzimmer von Darmstadt ist, sagt mein Vater, oder halt die Visitenkarte. Nee, sagt meine Mutter, das ist eher der Jugendstil-Bahnhof, der Luisenplatz ist die zentrale Verkehrs-Drehscheibe. Ja, sag ich, besonders sonntags, wenn alle 15 Minuten alle Busse und Bahnen auf einmal ankommen, nur warum da der städtische Weihnachtsbaum steht, weiß ich jetzt immer noch nicht. Ich sag nur Wohnzimmer, sagt mein Vater, unser Weihnachtsbaum steht ja auch im Wohnzimmer.

Schönes Wohnzimmer, sagt meine Mutter, wo diese gruseligen Typen den ganzen Tag rumhängen und saufen. Klingt ziemlich intolerant, sagt mein Vater, und wie verträgt sich das mit deiner weltoffenen grünen Gesinnung? Was hat das mit grüner Gesinnung zu tun, sagt meine Mutter, ich würde auch nicht dulden, wenn du in unserem Wohnzimmer an die Regalwand pinkelst. Ach nee, sagt mein Vater, aber ich stelle fest, das sich seit Grün-Schwarz deine Gesinnung ordnungsgemäß verfinstert hat.

Wir könnten ja ein paar Päckchen unter den Baum legen, sag ich, nur so als Geste. Sixpacks am besten, sagt mein Vater, und der Magistratschor singt zur Bescherung Weihnachtslieder. Ja, sag ich, aber welche? Hast du nicht wieder so ne alberne Umfrage gestartet, fragt meine Mutter. Doch, sag ich, weil ich wollte zu Weihnachten mal das Menschliche in den Vordergrund stellen. Wo es ja auch sonst keine Problem gibt, sagt mein Vater, am Luisenplatz gibt es schon in nicht zwei Jahren eine ganzheitliche Lösung und ansonsten hat noch jeder Student in Darmstadt eine Herberge gefunden. Sei nicht so zynisch, sagt meine Mutter.

Und ein grüner Glücksstern strahlt über Darmstadt, sagt mein Vater und singt: Schön ist es, hier OB zu sein. Grauslig, sagt meine Mutter, dein Gesang. Ja, sagt mein Vater, damals Roy Black und Anita, jetzt Roy Green und Daniela. Ne, sag ich, Roy Green und die ABBRa-Singers featering her favorite Weihnachtssongs. Frieden, ruft meine Mutter, hört auf mit dem Kram. Frieden, sag ich, haucht der Erzengel Rafael, Freude und Friedenstauben überm Luisenplatz. Gemma Tauberln vergift’n in d’ Stadt, singt mein Vater und klingt irgendwie ein bisschen traurig. Nee, sag ich, nur zählen, ist schließlich bald Weihnachten, und Mama scheint echt genervt. Von mir aus, sagt mein Vater.

Aber wieso eigentlich ABBRa-Singers? Denk halt mal ein bisschen nach, sagt meine Mutter. André, sag ich, Brigitte, Barbara, Ra ... Kapiert, sagt mein Vater, und? Was und, frag ich. Na, sagt meine Mutter, die favorite Songs des Magistrats. Weiß ich nicht, sag ich, hab keine Antwort gekriegt. Echt nicht, fragt meine Mutter. Nee, sag ich. Die haben dir doch sonst immer geantwortet, sagt mein Vater. Nee, sag ich, der OB nicht und der Bürgermeister damals auch nicht, nur der Wenzel und der Molter, aber die sind ja nicht mehr im Magistrat. Der Partsch hat dir geantwortet, sagt meine Mutter, das weiß ich ganz genau. Ja, damals war er noch Sozial, sagt mein Vater, -dezernent. Haha, sagt meine Mutter.

Vielleicht hab ich den Magistrat ja auch überfordert, sag ich. Wieso, fragt meine Mutter. Na ja, ich wollte nicht nur wissen, was ihr Lieblingsweihnachtslied ist, sondern auch warum. Wieso, ist doch ganz einfach, sagt mein Vater, O Tannenbaum z.B. ...  Ich weiß, sag ich, aber das war ja schon mein Beispiel, das ich den grünen Dezernenten geschrieben habe. Du grünst nicht nur zur Sommerzeit, fängt meine Mutter an zu singen, nein auch ...  Nein, ruft mein Vater, nicht singen. Und für die CDU?  Das war megapeinlich, sag ich, da hab ich Adeste fideles genommen, wegen regem angela rum, dabei heißt das regem angelorum.

Ein Weihnachts-Freudscher Versprecher, sagt mein Vater. Versprechung, sagt meine Mutter, und fängt schon wieder an zu singen. Aufhörn, Frieden ..., sagt mein Vater. Unter einer Bedingung, sagt meine Mutter, dieses Jahr kauft ihr den Weihnachtsbaum. O.k., sag ich. Ein Wohnzimmer ohne Weihnachtsbaum wär ja auch unvorstellbar.

Back to topbutton