Novembertraumata

Darmstadt Glosse #51 November 2012

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©Thea Nivea

Also, ich sag erst mal danke für die Glückwünsche zum Glossenjubiläum. Aber damit ist dann auch mal gut mit der Selbstbeweihräucherung, sagt mein Vater beim Frühfrühstück. Vor allem, weil ja auch ein paar Leute gesagt haben, dass man, wenn man schon sich ne Stavo anguckt, nicht einfach früher gehen kann. Unprofessionell halt. Stimmt, sagt meine Mutter, wegen der wir so saufrüh aufstehen mussten, die Echofritzen würden das auch durchstehen. Sitzen, sag ich, die stehen das sitzend durch, und aufgefallen ist das sowieso nur wg. dem blöden Ende. Ein schöner Beleg für den neuen Politikstil, sagt mein Vater, die Mehrheit beschließt, dass niemand mehr reden darf. Moment, sagt meine Mutter, die Fröhlich hat sich für den Fehler entschuldigt, das ist wirklich neuer Stil.

So neu auch wieder nicht, sagt mein Vater. Stimmt zum Teil, sagt meine Mutter, Fehler wurden von deinen Sozis reichlich gemacht, aber wann hat sich dafür mal jemand entschuldigt? Ist halt ganz wie bei uns zu Hause, sag ich. Wie meinst du das, fragt meine Mutter. Na ja, sag ich, keiner macht Fehler und gestritten wird sogar, wenn alle der gleichen Meinung sind. Und selbst an blöden, sinnlosen Ritualen wird festgehalten. Ein Familienfrühstück ist kein sinnloses Ritual, sagt meine Mutter. Aber, sag ich, doch nicht morgens um 6 Uhr. Du bist halt nicht mehr so oft da, sagt meine Mutter. Lass uns besser das Thema wechseln, sag ich. Wir könnten ja mal wieder über Fußball reden, sagt mein Vater.

Übers neue Stadion oder über den Derbysieg, frag ich. Beides wird nix, sagt mein Vater. Wieso, frag ich. Ergebnis meiner Machbarkeitsstudie, sagt er. Was soll das denn jetzt, frag ich. Ganz einfach, sagt mein Vater, Machbarkeitsstudien macht man, wenn man was nicht haben will, es aber nicht offen sagen kann. O.k., sag ich, die willst also weder ein neues Stadion noch, dass die Lilien gegen den OFC gewinnen. Exakt, sagt mein Vater. Gut, sag ich, das eine ist dein bekannter Geburtsfehler, aber das mit dem Stadion ist mir neu. 4. Liga geht zur Not auch im Bürgerpark, sagt mein Vater. Bist du irgendwie traumatisiert, frag ich. Nach den letzten Spielen schon, sagt mein Vater.

Das Trauma könnte noch größer werden, sag ich, weil Dortmund Meister wird. Wieso, fragt mein Vater. Na ja, sag ich, weil Dortmund immer Meister geworden ist, wenn einer mit sieben Siegen gestartet ist. Aber noch nie bei mehr als sieben Siegen, sagt mein Vater, Bayern wird Meister, und zwar ungeschlagen, den Vorsprung lassen sie sich nicht mehr nehmen. Ich sag nur Schweden, sag ich, und außerdem verlieren sie im November gegen die Eintracht. Ich geh dann mal los, sagt meine Mutter, hab bei den Themen sowieso nix zu melden. Viel Spaß bei deiner Butterfahrt, sag ich. Und grüß mir die Madonna, sagt mein Vater. Und den Herrn OB, ruf ich ihr nach.

Wo waren wir stehen geblieben, fragt mein Vater. Novembertraumata, sag ich, Alonso wird Weltmeister. Ich denk, sagt mein Vater, wir waren bei Fußball. Ich bin halt sprunghaft, wenn ich noch nicht wirklich wach bin. Apropos wach, sagt mein Vater, ich muss schnell das Auto wegfahren, steht seit 7 Uhr im Halteverbot. Wieso, frag ich. Mamas Auto stand in der Garage, sagt mein Vater, sie hat angeblich gestern Mittag schon keinen Parkplatz mehr gefunden. Aber für die Fahrradstraße sein. Da haben wir dann noch weniger Parkplätze, das ist doch alles absurde Klientelpolitik, regt er sich auf. Und wenn ich jetzt auch noch nen Strafzettel habe, ich sag dir, und geblitzt wird auch wieder ... He, Papa, komm wieder runter, sag ich, und Fahrradstraßen find ich auch total absurd, da gibts bessere Alternativen. Bravo, sagt mein Vater, welche?

Die totale Deregulierung, Shared Space, sag ich, niemand hat mehr Vorfahrt oder besser: Alle haben Vorfahrt. Ist nicht dein Ernst, sagt mein Vater, oder ist dein Hirn immer noch nicht richtig wach? Doch, sag ich. Und welche konkreten Vorteile sollte das haben, fragt mein Vater. Ganz einfach, sag ich, du könntest jetzt z.B. weiter mit mir frühstücken.

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