Fußballwonnen im Mai

Darmstadt Glosse #69 Mai 2014

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©Thea Nivea

Der Mai gilt ja als Wonnemonat, obwohl ich lange gar nicht gewusst habe, was Wonne eigentlich ist. Gut, im Kindergottesdienst hab ich laut Die güldneSohonne, voll Freud und Wohonne gesungen,verstanden hab ich davon aber nur, dass irgendwie voll die Sonne sein muss. Jetzt weiß ich, dass Wonne so ne Art Überglücklichseinbedeutet. Was ist für euch die Wonne am Mai, frag ich beim Wonnemonatsauftaktfeiertagsfrühstück. Was ist es denn für dich, fragt meine Mutter. Typisch für sie, keine Antwort sondern Gegenfrage.

Das Schlossgrabenfest, sag ich, ist zwar erst Ende Mai, aber bringt deshalb ne Menge Vorwonnen. Für deine Mutter wahrscheinlich der Grubensaisonbeginn, sagt mein Vater. Da war sie schon Ostern, sag ich. Häschen an der Grube, trällert mein Vater wonnig. Schön, wie ihr so über mich Bescheid wisst, sagt meine Mutter, aber es stimmt schon. Warst du eigentlich schon im Wasser, frag ich. Nein, sagt meine Mutter, zu kalt, die Saison hat ja noch gar nicht richtig angefangen.

Das Saisonende im Fußball, sagt mein Vater. Wie, frag ich. Was heißt wie, sagt er, du hast doch nach meinen Wonnevorstellungen gefragt.  Du bist froh, dass die Fußballsaison vorbei ist, fragt meine Mutter. Nein, sagt mein Vater, ich freu mich auf dieEntscheidungsspiele. Außerdem kommt dieses Jahr noch die WM, sag ich. Auch das noch, sagt meine Mutter.Aber erstmal Pokalfinale, sag ich, schwarz-gelber Triumph über desolate Bayern, und eine Woche später gewinnt Mourinho den CL-Titel.

Alles nicht so wichtig, Hauptsache die Lilien steigen auf,sagt mein Vater. Von Do bis Mo 5x Fußball, welche Mittmonatswonnen, sag ich, und nicht zu vergessen das sinnverlorene Länderspiel am Di davor. Ja, sagtmein Vater, der Jogi hats nicht leicht, zu kurze Vorbereitungszeit. Ja, wenn der Mai 35 Tage hätte, sag ich. Oh, sagt meine Mutter, trotz Fußballhype noch ein literarischerAnklang. Na ja, sag ich, immerhin wär dann auch das Schlossgrabenfest vier Tage länger.

Kommst du eigentlich mit zu den Relegationsspielen, fragt mein Vater. Meinst du Mama oder mich, frag ich. Beide, sagt mein Vater. Geht ihr mal alleine, sagt meine Mutter, ich will mich in die Vater-Tochter-Symbiose nicht einmischen. Mama, sag ich, du musst mit, wenn die Lilien nicht aufsteigen, spielen sie übernächstes Jahr in der Regionalliga. Das ist dochjetzt eine bösartige Anspielung auf Grün-Schwarz wg. diesem blöden Stadionbau, sagt meine Mutter. Was heißt hier blöd, sagt mein Vater. Nee, sag ich,das mein ich nicht, und so, wie die neue Baudezernentin den Partsch anhimmelt, lässt die nix anbrennen. Wie kommst du denn da jetzt drauf, sagt meine Mutter, du warst doch gar nicht mit zur Mitgliederversammlung.

So grün bin ich auch nicht, sag ich, und ein Zeitungsfoto genügt zum Durchblick. Die Frau ist sehr kompetent, sagt meine Mutter. Und sie kommt aus Fulda, sagt mein Vater, da haben wir baudezernatlichschon beste Erfahrungen gemacht, Fulda ist ein gutes Pflaster. Nette Anspielung, sagt meine Mutter. Worauf, frag ich. Der Herr Vorvorvorvorgänger, sagt  mein Vater, hat das indische Weichpflaster für den Marktplatz in so großen Mengen importiert, dass es dann gleich noch für den Bahnhofsplatz reichte. Das stimmt doch so gar nicht, sagt meine Mutter. So funktioniert eben Legendenbildung, sagich.

Aber was soll die Legende mit dem Lilienniedergang, fragt mein Vater. Ist doch klar, sag ich, nach einer Übersaison folgt eine Untersaison, erst läufts nicht gut und alle sind enttäuscht, dann Angst, Panik, Lähmung, Überreaktion, Trainerentlassung und schon ist man abgestiegen.  Defätistischer gehts kaum, sagt mein Vater. Wieso, sag ich, das wär doch die geniale Lösung, wenn das mit dem Stadionbau  nix wird. Du meinst, sagt meine Mutter, wenn das Land nix dazu gibt. Genau, sag ich, außer die Lilien steigen auf, dann müssen sie, weil der Druck zu groß ist. Klingt logisch, sagt mein Vater. Dann komm ich vielleicht doch mit, sagt meine Mutter. Na dann, sag ich, auf zu den familiären Relegationswonnen im Mai.

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