Sommerfrust und Gartenfreuden

Darmstadt Glosse #72 August 2014

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©Thea Nivea

Ein lauer Sommerabend, wir sind Weltmeister, was willst du mehr, frag ich meinen Vater. Weil der total unzufrieden ist. Obwohl sein Geburtsstadtverein das Hessen-Pokalfinale gewonnen hat. Ein scheiß Spiel bei scheiß Hitze, sagt er, die Lilien müssen sich mächtig steigern. Ah, sag ich, langsam wächst sie doch, deine Lilienliebe. Eher die Sorge, sagt er, aber viel mehr ärgert mich, wie wir hier verarscht werden. Wieso, fragt meine Mutter irritiert, weil mein Vater sie so böse anguckt. Jedes Kind weiß, sagt er, dass Rollrasen mindestens 4 Wochen braucht, bis er belastbar ist, also frühestens zum Pokalspiel gegen Wolfsburg, sonst ist alles gleich wieder hin.Unser Rollrasen vielleicht, sagt meine Mutter. Es gibt Profirollrasen, sag ich, auf dem kann schon einen Tag nach der Verlegung gespielt werden.

Und dass der Lahm zurückgetreten ist, ärgert mich auch, sagt mein Vater. Ich hab dafür Verständnis, sagt meine Mutter. Du hast ja für alles Verständnis, sagt mein Vater, nur, jetzt haben wir auf beiden Außenpositionen hinten ein Problem. Zugegeben, sag ich, die Bayern sind da besser aufgestellt. Ja, sagt mein Vater, aber alleine wegen Alaba Österreich noch mal zu annektieren lohnt nicht. Ein saublöder Spruch, schimpft meine Mutter, und das, wo vor 100 Jahren der 1. Weltkrieg begonnen hat. Das mit Österreich war vor dem 2. Weltkrieg, sag ich. Von mir aus, sagt meine Mutter, war aber die selbe Grundhaltung.

Macht macht eben anmaßend und arrogant, sagt mein Vater. Jetzt hack nicht schon wieder auf dem Partsch rum, sag ich, der ist ganz nett und hat mir beim Heinerfest ein Bier gezapft. Aha, sagt mein Vater, warst du also doch bei den Demonstranten, störst die Feier und hast dann die Frechheit, dir ein Freibier zu holen. Blödsinn, sag ich. Was ist eigentlich los mit dir, fragt meine Mutter. Das ist die Schwüle, sag ich, die macht ihn grantig. Was ist das denn, flucht mein Vater plötzlich. Was musst du auch unter der Bank popeln, sag ich, ist halt ein alter Fan-Kaugummi. Es war schließlich deine Idee, sagt meine Mutter, eine ausrangierte Bölle-Bank in unseren Garten zu stellen.

Ökomäßig grundsätzlich korrekt, sag ich, aber echt, was ist los mit dir? Frust pur, sagt mein Vater. Er kommt von nem SPD-Stammtisch, sagt meine Mutter. Oh je, sag ich. Stellt euch vor, sagt mein Vater, die erzählen, dass Dagmar Metzger OB-Kandidatin werden soll. Ehrlich, frag ich. Nette Anspielung, sagt mein Vater, und als Alternative bringt sich der scheinheilige Umbert ins Spiel. Wer soll das denn sein, frag ich. Keine Ahnung, sagt mein Vater, so gut kenn ich mich nicht mehr aus. Dann kann uns ja nix mehr passieren, sagt meine Mutter. Es sei denn, dein Jochen scheitert am Rathaus, sagt mein Vater.

Die optimale Beendigung des Planungsprozesses ist die Nichtrealisierung zum spätmöglichsten Zeitpunkt, sag ich. Was, fragen meine Mutter und mein Vater gleichzeitig. Alte Stadtplanerweisheit, sag ich.Von wegen nichts realisiert, sagt meine Mutter, die Innenstadt in Darmstadt wird zum Spielplatz… Und was hab ich davon, frag ich. Ja, immer nur Eigennutz, sagt meine Mutter, aber von mir aus, wie wärs mit freiem W-Lan in der City? Mama, sag ich, jeder hat heute ne Internetflat. Gut, sagt meine Mutter, aber das Grafenstraßenproblem wird zügig gelöst von der neuen Baudezernentin. So schnell, sagt mein Vater, dass mans richtig zuschken hört, nur,das Problem wär gar keins, wenns keine alte Baudezernentin gegeben hätte.

Immerhinwerden jetzt mal wieder ein paar Schulen saniert, sag ich, die LIO ist doch schon marode gewesen, als ich da noch war. Dafür stürzt demnächst die Rheinstraßenbrücke auf die Bahngleise, sagt mein Vater. Das sind halt alles Altlasten, sagt meine Mutter, die kann man nur nach und nach angehen. Aus den Zeiten, sagt mein Vater, als deine Grünen noch rote Tomaten auf den Augen hatten. Die Metapher versteh ich nicht, sag ich. Egal, sagt meine Mutter, hilf mir einfach beim Tomaten gießen. Und vielleicht sprengt dein Vater ja den Rollrasen.

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