Alles ein bisschen paradox!

Darmstadt Glosse #74 Oktober 2014

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©Thea Nivea

Eigentlich wollte ich ja nie mehr was mit Schule zu tun haben, aber jetzt muss ich doch was dazu sagen. Wozu, fragt mein Vater. Zu G8 und G9, sag ich. Wozu, fragt mein Vater nochmal. Hallo, sag ich, hörst du nicht zu? Ich hör dir immer gerne zu, sagt mein Vater, ich meinte wozu im Sinne von: Wozu soll das gut sein? Was, frag ich, das Fragen? Das wollte ich gerade fragen, sagt meine Mutter. Gehts eigentlich noch, sag ich, ist doch klar, dass ich dazu was sagen muss, dass der Quatsch mit G8 jetzt auch in Darmstadt langsam vorbei ist. Nicht überall, sagt mein Vater.

Ist ja nicht alles Quatsch gewesen an G 8, sagt meine Mutter. Klar, sag ich, ich wär auch für jeden Tag froh gewesen, an dem ich früher von der Schule runter gekonnt hätte. So meine ich das nicht, sagt meine Mutter. Deine grüne Mutter muss etwas moderater argumentieren, sagt mein Vater, seit dem sie ihr rotes Herz gegen eine schwarze Seele getauscht hat. Ist schon ein bisschen paradox, sag ich, dass die gleiche CDU, die damals G8 mit absolutistischer Mehrheit durchgezogen hat, jetzt die Rückkehr zu G9 begrüßt. Absolut, sagt mein Vater.

Absolut paradox ist auch, sag ich, dass ein Aufsteiger und größter anzunehmender Außenseiter der Bundesligageschichte die Tabelle anführt. Angeführt hat, sagt mein Vater, nur am 4. Spieltag. Immerhin, sag ich. Die Lilien, sagt mein Vater, wären als Aufsteiger nicht erst am 7., sondern vom 2. Spieltag an Tabellenführer in der 2. Liga gewesen, wenn nicht Ingolstadt in der Nachspielzeit den Ausgleich geschossen hätte. Paradox ist das aber nicht, sag ich, eher sensationell. Absolut, sagt mein Vater.

Schön, dass ihr euch einig seid, sagt meine Mutter. Bei Fußball immer, sagt mein Vater. In der Politik eigentlich auch, sag ich. Zum Beispiel, fragt meine Mutter. Dass der Partsch den absoluten Höhepunkt seiner Karriere schon hinter sich hat, sagt mein Vater. Genau, sag ich, so hoch kommt er nie mehr. Ach, welch Glanz in unserer Darmstädter Hütte, rezitiert mein Vater. Auf was soll das jetzt wieder eine Anspielung sein, fragt meine Mutter und trommelt mit den Fingern auf dem Tisch. Hör auf, das macht mich krank, sagt mein Vater. Gute Überleitung, sag ich, das Klinikum wird 20% teurer. Das wird die Stadt aber nichts kosten, sagt meine Mutter. Wenn das mal nicht paradox ist, sagt mein Vater.

Machen wir doch ne Uni-Klinik draus, sag ich. Wieso, fragt mein Vater, besseres Renommee? Nicht nur, sag ich, es wär billiger. Warum soll eine Uniklinik billiger sein als ein städtisches Krankenhaus, fragt meine Mutter. Weil, sag ich, hast du vielleicht schon mal gehört, dass ein Bauvorhaben der TU teurer geworden ist als geplant? Warum kriegen die das hin und die Stadt nicht? Das ist halt so, sagt meine Mutter. Genau, sag ich, dass sagen immer die, die an der Macht sind. Das Es ist das Über-Ich, sagt mein Vater. Freud, frag ich. Nee, sagt mein Vater, Verantwortungsabschiebestrategie: Es ist eben so und deswegen kann ich nichts dafür. Verstehe, sag ich.

Ich verstehe euch nicht, sagt meine Mutter, es läuft doch alles prima, bei der Lincoln-Siedlung gehts jetzt los, Eberstadt kriegt nen Edeka, das Museum ist wieder offen. Super Beispiel, sagt mein Vater, 12, 13, 14, 51,65, 72, 77,Zusatzzahl 80. Sollen das, frag ich, die Lottozahlen sein? Nein, sagt mein Vater, die Museumsbilanz. Versteh ich nicht, sagt meine Mutter. Ich fürchte, ich weiß es, sag ich: 12,13,14 sind die Jahre, in denen es eröffnet werden sollte, dass andere die Entwicklung der Kosten. Genau, sagt mein Vater.

Aber dafür ist es sehr schön geworden, sagt meine Mutter. Unbestritten, sag ich, obwohl ich mich nicht mehr genau erinnern kann.Das letzte Mal, als ich da war, war ich gefühlt Grundschule, da wars noch schön. Ich dachte, du wolltest nicht mehr über Schule reden, sagt mein Vater. Schon, sag ich, ich hab halt gerade nachgedacht:weiterführende Schule ist doch eigentlich paradox, oder? Irgendwie ja, sagt mein Vater. Aber, sag ich, Paderborn weiter führendwärs noch viel mehr.

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