Wahrlich, ich sage Euch …

Darmstadt Glosse #75 November 2014

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©Thea Nivea

… ich werde auch noch die 100. schreiben, sag ich. Was ist denn mit dir los, fragt mein Vater, seit wann bist du so bibelophil? Bibliophil heißt das, sagt meine Mutter. Nein, Mama, sag ich, Wortspiel. Seit wann hast dus mit Bibelzitaten, fragt mein Vater. Seit es, sag ich, mein großes Ziel ist, in der Stadtkirche zu predigen. Ausgerechnet du, sagt meine Mutter. Was soll das jetzt heißen, fragt mein Vater. Genau, sag ich, schließlich hat der Dillmann da auch schon gepredigt, und… Ich weiß, sagt meine Mutter, und der Partsch und… … und wenn ich die 100. Glosse geschrieben habe, sag ich, dann predige ich in der Stadtkirche und dann hör ich auf. Wann ist das, fragt mein Vater. Weihnachten 2016, sag ich. Aha, sagt meine Mutter. Glückwunsch zur 75., sagt mein Vater. Danke, sag ich, endlich hats einer kapiert.

Und was sagst du uns dann, fragt meine Mutter. Dass die Welt eine große Verarsche ist, sag ich. Starker Tobak, sagt meine Mutter. Beispiel, fragt mein Vater. Hier, sag ich, lies: Erfolg im Kampf gegen Hunger. Waren es 2013 noch 842 Mio, sank 2014 die Zahl der Hungernden auf 805 Mio. Und, fragt meine Mutter. Fake, sag ich, die FAO legt einfach einen niedrigeren Kalorienbedarf in den Entwicklungsländern zugrunde, man geht jetzt von einer sitzenden Haltung aus, schon gibts weniger Hungernde. Und das ist sicher, fragt meine Mutter. Klar, kannst du googlen.

Wie zynisch, die rechnen den Hunger schön, sagt mein Vater, wie damals die von der Leyen die Arbeitslosenstatistik. Und jetzt ist sie die erste Verteidigungsministerin, sag ich. Misswirtschaft in der Bundeswehr, sagt mein Vater, passt doch irgendwie. Missiswirtschaft, sag ich, die Frau hat 7 Kinder. Aber sie kann was, sagt meine Mutter. Mit Messer und Gabel essen, sag ich, das konnte die Merkel damals noch nicht. Quatsch, sagt meine Mutter, das ist die späte Rache eines sturköpfigen Despoten. Oh, sagt mein Vater, klare Worte. Siehst du, sag ich, der hat uns auch schon immer verkohlt.

Das ist doch alles Bundes- und Weltpolitik, sagt meine Mutter, hier gehts ehrlicher zu. Ah ja, sagt mein Vater, ich sag nur Haushaltsverarsche. Die alte Leier, sagt meine Mutter, keine wirklichen Einsparungen, alles konjunkturbedingt, aber, das sage ich euch, wir sind auf dem Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt. Schöne Predigt, sagt mein Vater. Nur gut, sag ich, dass das alles bald auffliegt. Wieso, fragt meine Mutter. Weltweiter Konjunktureinbruch, sag ich, das wirkt sich verzögert auch kommunal aus. Ich bin gespannt, sagt meine Mutter. Ja, sag ich, bis zur nächsten Kommunalwahl reichts gerade noch, Grün-Schwarz wird deshalb noch mal gewählt, dann brechen die Gewerbesteuereinnahmen weg, desaströses Defizit Ende 2016 und der arme Partsch muss es ausbaden. Wie meinst du das, fragt meine Mutter. Er verliert, sag ich, gegen die Zypries.

2017 hat Darmstadt eine weibliche OB, sagt mein Vater, schöne Vorstellung. Ich kann mir noch Schöneres vorstellen, sagt meine Mutter. Lilienauswärtssieg, sag ich. Fußball, na klar, sagt meine Mutter. Unsere Tochter macht Karriere, sagt mein Vater, als Politikerin. Nein, sag ich, als Unternehmerin. Geschäftsidee, fragt mein Vater. Substitutionstaubenhäuser, sag ich, ich importiere Tauben nach Darmstadt, aber nicht so popelige aus Würzburg, nein, international im großen Stil, Piazza San Marco, Venezia. Unsere Tochter dreht durch, sagt mein Vater. Dann mach mich lieber zur Oma, sagt meine Mutter, ich werd bald 50. Der Özil ist frei, sagt mein Vater.

Da jobb ich lieber bei Apple oder Facebook, sag ich, und wir lassen auf Firmenkosten Eizellen und Sperma einfrieren, und mit 50 werde ich dann nicht Oma, sondern Mutter. Wer ist wir, fragt meine Mutter. Würde mich auch mal interessieren, sagt mein Vater. George Clooney ist es nicht, sag ich. Schon klar, sagt mein Vater, Udo Jürgens sicher auch nicht, also wer? Kennen wir ihn, fragt meine Mutter. Wahrlich, ich sage euch, sag ich… Ach, sagt mein Vater, so paradiesisch? Wahrlich, ich sage euch, sag ich, ich sags euch nicht.

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