Abenteuerland

Darmstadt Glosse #84 August 2015

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©Thea Nivea

Der August hat einige historische Termine zu bieten, sag ich. Stimmt, sagt meine Mutter. Stimmt, sagt mein Vater, den 7. und den 15. Au­gust. Stimmt, sag ich, die ersten Pflichtspiele der Lilien als Bundeligist seit 33 Jahren. Abenteuer­lich, sagt meine Mutter, wie Fußball euer Hirn atomisiert. Wieso, frag ich. Schon klar, sagt mein Vater, sie meint den 6. und 9. August, 70 Jahre Hiroshima und Nagasaki. Okay, sag ich, auf dem Trip war ich gerade nicht. Immerhin seid ihr ein bisschen einsichtig, sagt meine Mutter, und im­merhin bessert sich die Welt gerade ein bisschen, siehe Iran. Wers glaubt, sagt mein Vater, rein wirtschaftliche Interessen, da guckt man lieber nicht mehr so genau hin.

Die Welt ist leider nicht besser geworden, sag ich. Logisch, sagt mein Vater, es geht um Was­ser und geostrategische Interessen, da führt man schon mal Krieg oder pumpt Geld nach Griechen­land ohne Ende. Ich finde es wichtig, sagt meine Mutter, dass man die Griechen unterstützt. Von wegen unterstützen, sag ich, abhängig sollen sie bleiben, damit der Tsipras nicht mit dem Putin anbandelt. Genau, sagt mein Vater, Griechenland ist geostrategisch wichtig, Obama und die NATO, das sind die eigentlichen Strippenzieher. Der Dra­gi und die Lagarde auch, sag ich, die wollen im Amt bleiben und verkaufen deshalb Subventi­onen als Kredite. Wo habt ihr denn diese abenteu­erlichen Weisheiten her, fragt meine Mutter.

Jedenfalls sind wir schon im Krieg, sag ich, Arm gegen Reich, und TTIP ist auch so ein Ver­arschebeispiel. Die Reichen gewinnen, sagt mein Vater. Weil, sag ich, sie nicht kapieren, dass sie damit alles verlieren. Wird das jetzt ein Prosemi­nar über Kommunismus, fragt meine Mutter. De­mokratischer Sozialismus würde reichen, sagt mein Vater. Wäre jedenfalls ne Perspektive, sag ich, Kapitalismus im Endstadium ist nämlich kei­ne. Zu besichtigen im Amiland, sagt mein Vater, und demnächst im Merkelland. Wo, sag ich, Mut­ti Migranten streichelt, bevor sie sie abschiebt, wenn die wiedergewählt wird, wandere ich aus. Und wohin bitte, fragt meine Mutter. Kepler 452b, sag ich. Abenteuerlich, sagt mein Vater. Wo soll das denn sein, fragt meine Mutter.

Erde 2.0, 1.400 Lichtjahre weg von hier, sagt mein Vater. Genau, sag ich. Kann bloß sein, sagt mein Vater, dass es die schon gar nicht mehr gibt. Wieso, fragt meine Mutter. Weil, sag ich, al­les, was wir heute sehen, ist praktisch bei denen schon 615 passiert. Gruselig, sagt meine Mutter, ich weiß nicht mal, was hier 615 war. Muhammad eröffnete den Muslimen die Möglichkeit, nach Abessinien auszuwandern, sag ich. Wie bitte, fragt meine Mutter. Smartphonegeneration, sagt mein Vater, gegoogelt unterm Tisch. Und Agilulf ist gestorben, sag ich. Gut jedenfalls, sagt mein Vater, dass die erst in 1.400 Jahren sehen müs­sen, was in Darmstadt gerade abgeht. Als da wä­re, fragt meine Mutter.

Da wird grüne Farbe auf schwarzen Asphalt geschmiert, sagt mein Vater, und das nennt man dann Fahrradstraßen. Naja, sag ich, irgend­was müssen die ja vorweisen können an Erfolgen. Nicht zu vergessen die Abkopplung des Darm­bachs, sagt mein Vater. Die ist sinnvoll und längst überfällig, sagt meine Mutter. Zugegeben, sagt mein Vater. Mama, sag ich, ihr werdet trotzdem wiedergewählt, Grün-Schwarz 2.0 kommt. Nur 2017, sagt mein Vater, da wirds blöd, da triffts den armen Partsch: kompetent aber abgewählt. Quatsch, sagt meine Mutter. Doch, sag ich, die Schwarmintelligenz des Wahlvolks, die Macht zu begrenzen: der Partsch verliert gegen die Zy­pries. Obwohl er, sagt mein Vater, zum Bieranste­chen nur zwei Schläge braucht.

Und dann kontrolliert die rote Brigitte den grünschwarzen Sumpf, sag ich. Abenteuerliche Thesen, sagt meine Mutter. Darmstadt steht auf Abenteuer, sagt mein Vater. Genau, sag ich, das Abenteuer Bundesliga beginnt gerade. Das Aben­teuer Wahlkampf auch, sagt mein Vater. Und der Partsch bleibt ganz sicher OB, sagt meine Mutter. Und die Lilien ganz sicher in der Bundesliga, sag ich. Und die Merkel, sagt mein Vater, kippt end­gültig vom Stuhl.

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