Flüchtige Beziehungen

Darmstadt-Glosse #87 November 2015

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©Thea Nivea

Ob ich mich nicht mal festlegen wollte, hat mich meine Mutter allen Ernstes gefragt und ich hab mich ziemlich lange aufgeregt deswegen. Tut so progressiv grün und ist dabei kotzkonservativ. Völlig normal für Grün, sagt mein Vater. Meinst du das politisch oder sexuell, frag ich. Beides, sagt er, aber vor allem politisch. Gucks dir doch an beim Asylgesetz, die Altgrünen hauen heftig dagegen und beruhigen damit das Basisgewissen und der Kretschmann hebt im Bundesrat den rechten Arm. Und, sag ich, je voller bei uns die Turnhallen sind, desto sicherer werden die Her-kunftsländer. Ah, sagt mein Vater, auch Anstalt geguckt.

Müsstest du nicht längst aus der SPD ausgetreten sein, frag ich, die sind keinen Deut besser. Es wird jedenfalls nicht einfacher, sagt mein Va-ter, wenn ich so sehe, was der Gabriel mit TTIP treibt. Ja, sag ich, da gehen 250.000 auf die Straße und der redet den Freihandelsscheiß schön. Aber, sagt mein Vater, es gibt Hoffnung. Ah ja, sag ich. Doch, sagt er, der scheinheilige Erzengel kriegt ein bisschen Feuer von der ganz und gar unheiligen Johanna. Ach so, die Jusos, sag ich, die sind doch in der SPD son Feigenblatt wie die Claudia und der Jürgen bei den Grünen. Aber, sagt mein Vater, sie sind nicht Vergangenheit.

Der SPD fehlen vor allem zwei Dinge: Haltung und Mut, sag ich, zugegeben, ein starker Satz, so ne Nachwuchsikone gibts bei den Grünen nicht, da gehört ja schon Mama zum Nachwuchs. Stör ich, fragt meine Mutter. Wo kommst du denn jetzt schon her, fragt mein Vater, ich dachte, du bist bei dem Grebe. Papa, sag ich, das war schon Freitag vor ner Woche. Was weiß ich, sagt mein Vater, Termine kann ich mir nicht merken. Außer Fuß-ballterminen, sagt meine Mutter. Mama, sag ich, nix gegen Fußball, ne bessere PR kanns doch für euch gerade nicht geben. Wieso, fragt meine Mutter.

Na, der Jochen neben dem Jogi auf der Tribüne, sag ich, und das auch noch dick und fett und live im TV. Das bringt noch mindestens 10% weibliche Wähler mehr, sagt mein Vater. Aber null Punkte für die Lilien, sag ich. Zwei sehr attraktive Männer, sagt meine Mutter. Und dann noch der durchgeknallte Grebe live in der CS, sag ich, ist wohl grade deine Zeit. Der Löw muss sich was abschaun von uns, sagt mein Vater, nach der EM-Quälifikation setzt er jetzt auf Lilientugenden. Na ja, sag ich, zwei Heimniederlagen im Oktober sind nicht gerade ein Spätsommermärchen. Lieber ehrliche Niederlagen als ne gekaufte WM, sagt mein Vater, und das auch noch mit dem falschen Zwanziger. Den Pokalsieg hätt ich auch mit nem Handtor verkraftet, sag ich. Darauf einen Winterkorn, sagt mein Vater. Lieber n dreckiges Diesel, sag ich.

Auswärts sind wir eben besser, sagt mein Vater. Apropos auswärts, sagt meine Mutter, kommst du mal wieder nach Hause? Ich bin doch da, sag ich. Ich meine, sagt meine Mutter, auch mal wie-der ... Lass sie, sagt mein Vater, sie ist über 20. Na und, sagt meine Mutter, da war ich schon fest liiert, ich hoffe, du vergisst wenigstens nicht unser Silbernes. Ist das dieses Jahr schon, fragt mein Vater. Oh oh, sag ich, und meine Mutter holt tief Luft. Beruhig dich, Mama, sag ich, ich hab ne feste Beziehung. Wer von deinen flüchtigen Bekannten ist es, fragt meine Mutter. Keiner, sag ich. Kein Wunder, dass die alle abhauen, sagt mein Vater, bei der Diktatur hier. Wer und wie lange, fragt meine Mutter. So gesehen, sag ich, haben wir schon Goldenes. 50 Tage, fragt meine Mutter. 50x, sag ich. Sag du mal was, sagt meine Mutter zu meinem Vater.

Ist doch alles ganz harmlos, sagt mein Vater, sie meint den FRIZZ. Welchen Fritz, fragt meine Mutter, was soll das Possenspiel? Glossenspiel, sag ich, und mit ZZ, die November-Glosse ist meine 50ste im FRIZZ. Echt schon, fragt mein Vater, na dann herzlichen Glückwunsch. Ich kann eben auch feste Beziehung, sag ich. Lass uns ne Runde Mau-Mau spielen, sagt mein Vater. Ja, sag ich, wie damals nach meiner allerersten Glosse. Ja, sagt meine Mutter, wie früher, dann kann ich mal wieder sorgenfrei durchschlafen.

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