Frühstücken verleiht Flügel

Darmstadt Glosse #8 Oktober 2008

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©Thea Nivea

Ich hasse Frühstücken. Besonders sonntags, mitten in der Nacht. Aber mein Vater besteht drauf, wenigstens ein Mal in der Woche, das stärkt den Familienzusammenhalt, sagt er. Um 10, und keine Rücksicht, ob vielleicht vorher ne Party war, oder wann ich ins Bett gekommen bin. Und wenn ich dann noch nicht so wach bin, werd ich aufgezogen. Lass dich nicht so hängen, und als ich noch so jung war, wie du, die Masche halt.

Er sitzt da in seinem Gerolsteiner-Trikot und war schon zwei Stunden mit dem Rad unterwegs. Trainierst du für die Tour de France oder was, frag ich ihn, aber er sagt, er wäre nicht so verrückt wie Lance Armstrong. Immerhin weiß ich, dass das der erste Mensch auf dem Mond war, das war neulich bei Pilawa, aber irgendwie hab ich wohl was verwechselt, weil er was erzählt vom achten Sieg im Kampf gegen den Hodenkrebs.

Ich blick überhaupt nicht mehr durch und hol mir eine Dose Red Bull aus dem Kühlschrank. Trinkst du etwa auch diese Bluff-Brause. Das ist ein Energy-Drink, sag ich. Ja, ja, sagt mein Vater und probiert einen Schluck, und er verleiht Flügel und enthält Stierhoden, ihr glaubt wahrscheinlich alles, wenn es nur teuer genug ist. Ist doch nur ein riesiger Marketing-Gag und dieser Österreicher scheffelt damit Millionen und lässt Heppenheimer Milchbubis Formel 1 fahren, und der gewinnt dann auch noch.

Vielleicht trinkt dein komischer Armstrong ja auch Red Bull, sag ich, und in jedem Fall ist das besser als dein ekliger Tee. Das ist Roibusch-Tee, sagt mein Vater, ohne Aufputschmittel, gut für die Fitness, und du bewegst dich wohl gar nicht mehr. Ich hab keinen Plan warum, aber auf dem Thema fährt er ab, seit seinem Bänderriss. Ich soll mal mit ihm Fahrrad fahren, und Schwimmen ist das ganzheitlichste Training, das es gibt. Drei Mal die Woche, sagt er, ist optimal, deshalb werde ich jetzt auch Genosse.

Wie, frag ich, du gehst in SPD? Von wegen SPD, ich werde Anteilseigner im Bessunger Genossenschaftsbad. Was soll das denn sein, frag ich, und er erzählt mir was von einem Modellprojekt und dass man als Bürger Verantwortung übernehmen muss, wenn die Stadt dazu nicht mehr in der Lage ist. Und dass er die Hälfte seiner SAP-Abfindung investieren will, damit er ein Trainingsbad in der Nähe hat, und wenn nur halb so viel Leute mitmachen, wie unterschrieben haben, dann klappt das.

Ich blick gar nix mehr, aber irgendwie ist er wie aufgedreht und strengt mich total an. Tut mir leid, Papa, sag ich, aber ich krieg Kopfweh und ich leg mich noch mal ins Bett.

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