Verschwörungstheorien

Darmstadt-Glosse #94 Juni 2016

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©Thea Nivea

Das größte Wunder ist, dass das 3. Wunder überhaupt stattgefunden hat, sag ich. Wieso, fragt mein Vater. Weil der Partsch angeordnet hat, dass die Lilien verlieren, sag ich, Anruf aus den USA in der Pause vom Derby. Das erklärt einiges, sagt mein Vater. Ja, sag ich, um zu verhindern, dass die Randale in der Stadt eskaliert und um die bundesweite Blamage in Grenzen zu halten. Welche Blamage, fragt meine Mutter. Du bist wohl koalitionsblind, sagt mein Vater, darüber redete die halbe Stadt. Unser OB hat selbst zugegeben, sagt meine Mutter, dass man das nicht mehr so machen würde.

Das wird mit dem Stadion genauso kommen,sagt mein Vater. Was, fragt meine Mutter. Dass man zugeben muss, sagt mein Vater, es besser nicht so zu machen, sondern außerhalb was Neues zu bauen. Dazu wird es bloß nicht mehr kommen, sag ich. Wieso, fragt meine Mutter. Weil die Lilien absteigen müssen, sag ich, damit sich der Magistrat nicht schon wieder blamiert, weil das mit dem Bölle nix wird. Warum soll das nichts werden, fragt meine Mutter. Na ja, sagt mein Vater, Stellplatzfrage ungeklärt, vier Meter hohe Lärmschutzmauer, und, und, und. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen, sagt meine Mutter. Sehr lustig, sag ich, steht aber so im Plan.

Niemand hat die Absicht, ein Stadion zu bauen, sagt mein Vater. Siehst du, sag ich, des- wegen hätten die Lilien schon diese Saison ab- steigen sollen, auf Anordnung vom OB. Das sind doch völlig bescheuerte Verschwörungstheorien, sagt meine Mutter, wir waren doch nicht umsonst in Berlin in diesem tollen Stadion, wunderbare Stimmung... Aber die Worscht war schlecht, sagt mein Vater. Der Sieg war im Grunde eine Panne, sag ich, weil der Egomane Wagner sich nicht an die Anweisungen gehalten hat. Mit seinem Platzverweis wollte er das wieder gerade rücken, hat aber nicht geklappt. Interessante Theorie, sagt mein Vater. Völliger Quatsch, sagt meine Mutter. Nee, sagt mein Vater, wenn Frankfurt abgestiegen wäre, hätten die Lilien unter dem Pseudonym Eintracht dauerhaft im Waldstadion spielen können.

Jetzt ist halt das Paderborner Modell angesagt, sag ich, Durchmarsch nach unten, bis die Baugenehmigung vorliegt, sind die Lilien in der 3. Liga und der Magistrat kann sagen: Seht ihr, so weitsichtig waren wir, wir brauchen gar kein neues Stadion. Das ist jetzt aber ein bisschen viel Verschwörung, sagt mein Vater. Wieso, sag ich, sag mir einen anderen Grund für den Ausverkauf. Welcher Ausverkauf, fragt meine Mutter. Toni Sailer muss weg, sag ich, Wagner will weg, Mathenia geht nach Hamburg, Rausch nach Köln, Caldirola zurück nach Bremen, Gondorf, Heller und Sulu wollen mit Schuster nach Augsburg...

Zuschke nach Düsseldorf, sagt mein Vater. Wer, frag ich. Dein Vater erweitert die Ausverkaufstheorien auf den Magistrat, sagt meine Mutter. Ah, sag ich, die Baudezernentin, nein, die hat doch Vertrag bis 2020 und noch einiges vor. Z.B. das Flüchtlingsghetto hinter der Müllverbrennungsanlage, sagt mein Vater, das ist doch ihr Baby. Vorsicht, sag ich. Männer in deinem Alter, sagt meine Mutter, neigen zu AfD-Positionen. Scheint so, sag ich, aber eine Spitzenlage ist das nicht. Fakt ist, sagt mein Vater, dass Darmstadt nur noch Spitze ist bei der Stickoxidbelastung. Alle Diesel müssten aus der Stadt verbannt werden, sagt meine Mutter. Ja, sagt mein Vater, satt dessen kommt jetzt die blaue Plakette, denn Blau ist besser als Grün. Oh Lilie, oh Lilie, seufze ich.

Und die Autobahnbrücke soll nicht rot werden, sagt mein Vater. Der Magistrat setzt sich eben für die wirklich wichtigen Dinge ein, sag ich, Grau als Kompromiss zwischen Rot und Blau. Ja, sagt mein Vater, der Partsch will um jeden Preis wie- der OB werden. Gehts noch, fragt meine Mutter, ihr seid ja komplett durchgedreht. Es gibt halt solche und solche, sag ich. Und dann gibts noch die anderen, sagt mein Vater. Und das, sag ich, sind die Schlimmsten. Auweia, sagt meine Mutter, mein Mann und mein Kind haben sich gegen uns verschworen. Ja, sag ich, aber alles nur in der Theorie.

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