Mega statt Mecker

Darmstadt-Glosse #97 September 2016

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©Thea Nivea

Einen größeren Schwachsinn hätte ich nicht schreiben können, in meiner letzten Glosse. Von wg. im August nix los. Fußball-Gold und Silber in Rio, Lilienfamilienfest, Pokalsieg und ich bin beim Straßentheater just for fun zum Mond geflogen, sag ich. Und der Dillmann hat gepredigt, sagt mein Vater, über Freude und Toleranz. Und CSD war, sagt meine Mutter, Liebe, Sex und Widerstand. Das sind die wahren Tugenden, sag ich. Ja, sagt mein Vater, die alten Darmstädter Tugenden haben längst abgedankt. Wie meinst du das, fragt meine Mutter.

Fides, Caritas, Justitia und Abundantia, sagt mein Vater. Gehts auch deutsch, fragt meine Mutter. Treue, Liebe, Gerechtigkeit und Wohlstand, sag ich. Ich staune, sagt meine Mutter. Zufall, sag ich, hab mich mit dem Darmstädter Schloss beschäftigt, das sind die Figuren, die auf den Marktplatz gucken. Alles Duplikate, sagt mein Vater, die Originaltugenden liegen als Invaliden im Parforcehof.

Ein bisschen wie bei den Lilien, sag ich. Wie meinst du das, fragt mein Vater. Na ja, sag ich, Treue oder gar Liebe zum Verein seh ich da nicht so, und den Wohlstand finden einige Spieler wohl schneller außerhalb Darmstadts. Wir sind im Wahnsinn des Profigeschäfts angekommen,

sagt mein Vater, Präsidentenzitat. Der macht immerhin weiter sag ich, aber Aus Tradition anders ist jetzt eher zu Aus der Not geboren geworden. Und zwei weitere Tugenden sind in Darmstadt dringender denn je nötig, Glaube und Hoffnung. Stimmt, sagt mein Vater. Letztes Jahr haben viele Fans fest an den Nichtabstieg geglaubt, sag ich, dieses Jahr ist das nur noch eine vage Hoffnung.

Womit wir wieder bei der Kommunalpolitik wären, sagt mein Vater. Spannend, sagt meine Mutter. Ja, sagt mein Vater, der Glaube, dass sich mit Grün-Schwarz was ändert, ist einer vagen Hoffnung gewichen, und die Gewissheit, dass der OB wiedergewählt wird, ist nur noch fester Glaube. Der OB wird definitiv wiedergewählt, sag ich. Danke, sagt meine Mutter. Fragt sich bloß wie, sag ich, die Stimmung ist nämlich gekippt. Nix mehr mit großen Erfolgen, sagt mein Vater. Selbst die Medaille für Marco Koch ist baden gegangen, sag ich, trotz nächtlichem Public Viewing in der CS. Es läuft nicht mehr wirklich rund, sagt mein Vater, und das zu einem ausgesprochen blöden Zeitpunkt.

Immerhin ist die SPD sensiebel genug, einen chancenlosen Kandidaten zu stellen, sagt meine Mutter. Starker Tobak, sag ich, trotz Wortspiel. Es passiert jedenfalls ne ganze Menge, sagt meine Mutter. Zum Beispiel, fragt mein Vater. Mathildenplatz-Umbau, Willy-Brandt-Platz-Umbau, sagt meine Mutter. Noch was außer Straßen, fragt mein Vater. Den unvollendeten Fahrradweg auf der Lichtwiese und die tolle Idee mit der Polizeiwache auf dem Lui hat sie vergessen, sag ich. Die Mathildenhöhe als Weltkulturerbe, die Restaurierung des verwundeten Löwen-Denkmals, sagt meine Mutter. Aber mit Zusatzschild, sag ich, die Nazitruppenverehrung kann ja wohl nicht unkommentiert bleiben. Und ganz ehrlich, die Sanierung der unbesiegbaren Hasen auf dem Oberfeld ist mir viel sympathischer.

In Darmstadt ist eben immer ne Menge los, sagt meine Mutter. Logo, sagt mein Vater, was wir alleine an Einweihungen kriegen in den nächsten Monaten. Warum so sarkastisch, frag ich. Gut getimt für den Wahlkampf, sagt mein Vater, alles Der OB präsentiert sich seinem Volk-Dates. Es gibt auch unpolitische Highlights, sagt meine Mutter, Weinfest, Afrikafest, Martinskerb, Bessunger Kerb, und mit Fußball gehts doch auch wieder los, oder? Ist es schon, sagt mein Vater, und noch im September wird in Augsburg der Trainer des Jahres entlassen. Gleich nach der Heimniederlage gegen die Lilien, sag ich, aber jetzt steht erst mal das Derby gegen die Eintracht an.

Unter Fußball- und Sicherheitsaspekten ein echter Reißer, sagt mein Vater. Das erste Saisonheimspiel, sag ich, mit endgültigem Spielerkader aber immer noch ohne Stahlrohrtribünen. Das wird schon noch, sagt meine Mutter. Also gut, sag ich, es wird kein Mecker-September sondern ein Mega-September.

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