Gute Vorsätze

Darmstadt-Glosse #125 Januar 2019

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©Thea Nivea

Hi, ich bin Thea Nivea

Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de


Nur weil wieder ein neues Jahr anfängt, sag ich, drüber nachdenken, was man sich so vornimmt, was fürn Blödsinn. Ich finds gut, sagt meine Mutter, immer mal wieder innezuhalten, Bilanz zu ziehen und sich Ziele zu setzen. Wir haben hier aber nicht Fraktionsklausur, sagt mein Vater, so wie: Wir gehen auf die Bürger zu und fragen sie nach ihren Sorgen und Nöten. Das hat die Stadt schon selbst gemacht, sag ich, mit der Bürgerumfrage. Ja, sagt meine Mutter, 80% sind mit Darmstadt zufrieden, und das ist eine repräsentative Umfrage.

Aber analog, sag ich. Wie, fragt meine Mutter, deine Freundin wurde auch gefragt? Und hat auch noch falsch geantwortet, unkt mein Vater, hi, hi, sehr lustig. Nein, sag ich, Anna gehörte nicht zu den 9.645 auserkorenen, die per Post angeschrieben wurden. Und sie hätte, wie ich sie kenne, sagt mein Vater, auch bestimmt nicht gelogen. Sie hätte vor allem nicht mitgemacht, sag ich, weil Papierumfragen unwürdig sind für ne Digitalstadt, sagt sie.

Wieviel haben denn mitgemacht, fragt meine Mutter. 3.168, sag ich, knapp ein Drittel. Vor 12 Jahren waren es noch 43,46%, also ein Rückgang der Rückläufe um ca. 25%. Woher weißt du das alles, fragt mein Vater. Hab ich recherchiert, sag ich, vergleichbare Umfragen in anderen Städten, die das digital machen, kommen locker auf über 40%. Trotzdem, sagt meine Mutter, die Ergebnisse sind wichtig. Keine Frage, sag ich, Darmstadt hat ne Spitzenstatistikabteilung. Und vor allem, sagt mein Vater, an der Spitze jemand, der es vernünftig erklären kann. Fast wie ein Märchenonkel, sag ich, aber mit Fakten statt Mythen.

Daran sollte sich die Politik mal orientieren, sagt mein Vater. Vertrauen in die Schwarmintelligenz nennt man das, sag ich, Beispiele gefällig? Ja, bitte, sagt meine Mutter. 47. und letzter Platz im Wichtigkeitsranking ist der Bau eines zentralen Rathauses. Aha, sagt meine Mutter. Platz 46 der Darmbach, sag ich, 44 Weltkulturerbe Mathildenhöhe, 37 Lichtwiesenbahn, 26 Stadionbau. Spannend, sagt mein Vater, wie nah die grün-schwarzen Projekte an den Bedürfnissen der Bürger sind. Politik bedarf halt eines gewissen Muts, sag ich, hat Jürgen Barth gesagt.

Was sind denn die richtigen Burner, fragt mein Vater. Mehr Fahrradwege, mehr Wohnungen, bessere Ampelschaltungen, Sanierung der Straßen, Ausbau des ÖPNV, weniger Feinstaub, günstig Parken in der City, Bau von Umgehungsstraßen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, weniger Kriminalität, sag ich, die TOP 10, in der Reihenfolge. Passt ja prima zusammen, sagt mein Vater. Auf 11 dann noch Kindergartenplätze und auf 13 Schulbausanierung, sag ich, wobei Grundschulplätze noch wichtiger wären, das haben aber die wenigsten kapiert, welche Katastrophe da in den nächsten 3-4 Jahren kommt. Na dann, sagt mein Vater zu meiner Mutter, nehmt euch das mal vor, oder noch besser: Machts einfach!

Du könntest auch endlich mal aus der SPD austreten, sagt meine Mutter, und es nicht immer nur ankündigen. Oder wieder richtig mitmachen, sag ich, die Stavo-Fraktion könnte dich gut brauchen. Vielleicht, sagt mein Vater, beschränkt ihr euch mal auf Ratschläge an euch selbst, gute Vorsätze nennt man das dann. Einverstanden, sag ich, ich lästere nicht mehr über die Groko. Das ist hart, sagt mein Vater, aber wir kriegen ja bald ne neue Kanzlerin Also, ich lästere dann nicht mehr über Grün-Schwarz in Darmstadt. Nicht viel weniger hart. Und du, frag ich meine Mutter.

Ich lästere nicht mehr über die lokale Tageszeitung, sagt meine Mutter. Das ist zweifelsohne am härtesten, sag ich. Ja, sagt mein Vater, und es würde auch noch schwieriger werden. Wieso, fragt meine Mutter. Ich hab das Abo gekündigt, sagt mein Vater. Endlich, sag ich, ein guter Vorsatz, der schon umgesetzt ist. Und wie informieren wir uns dann, fragt meine Mutter. Überregionale Zeitungen, sagt mein Vater. Stadtmagazine, sag ich. Na dann, sagt meine Mutter, macht mal und mein Vater nickt. Geht klar, sag ich, wir haben jedenfalls die besten Vorsätze.
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