Jochen, meine Zuversicht

Darmstadt-Glosse #126 Februar 2019

by

©Thea Nivea

Hi, ich bin Thea Nivea

Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de



Ihr sollt zuversichtlich sein, sag ich, und nicht rumjammern über die weltpolitische Lage oder die Klimakatastrophe. Ja, ja, sagt mein Vater, alles wird besser durch positives Denken. Klar, sag ich, wir müssen das verfügbarkeitsheuristisch betrachten. Alles ist gut, sagt mein Vater, in den Bergen gibts wieder Schnee, in der Heinrichstraße weiterhin Gegenverkehr, Jürgen Barth ist wieder bei den Grünen und die Kommunalpolizei heißt bald Stadtpolizei. Weil sie statt der richtigen Polizei kontrolliert, sag ich, und Knöllchen verteilt.



Sag nichts gegen die Kommunalpolizei, sagt meine Mutter, die sind immer nett. Stimmt, sagt mein Vater, die würden bestimmt nicht 170 Euro verlangen, wenn ein Radfahrer mitten in der Nacht ohne Verkehr ne kleine Kreuzung bei Rot überfährt. Rot ist Rot, sagt meine Mutter, und auch Radfahrer müssen sich an die Verkehrsregeln halten. Typisch deutsch, sag ich, in Paris hält niemand mitten in der Nacht an einer leeren Kreuzung, nur weil die Ampel rot ist. Sehr vernünftig, sagt mein Vater. Ja, sagt meine Mutter, du nennst das verantwortungsbewusste Regelauslegung.



Und viele tragen gelbe Westen, sagt mein Vater, damit sie besser wahrgenommen werden, so verantwortungsbewusst sind die Franzosen. Sehr witzig, sagt meine Mutter. Kennt ihr den Witz, frag ich, wo der Franzose fragt, warum der Ulbricht damals eigentlich ne Mauer hat bauen lassen? Nee, sagt meine Mutter. Den hat sie von mir, sagt mein Vater. Und wieso, fragt meine Mutter. Das, sag ich, fragt sich der Franzose auch. Wo doch, sagt mein Vater, ne rote Ampel vollkommen gereicht hätte.



Wär ja vielleicht ne Idee für Trump, sag ich, Ampel statt Mauer an der Grenze zu Mexiko, dann braucht er den Demokraten nicht so viele Zugeständnisse machen und kann hemmungslos Dreamer abschieben. Übrigens, sagt meine Mutter, Anti-Abschiebeindustrie ist das Unwort des Jahres. Welch Ehre für Dobrindt, sagt mein Vater. Das Schlimme ist, sag ich, dass die Unwörter inzwischen von Regierungsverantwortlichen kreiert werden. Ich persönlich, sagt mein Vater, finde Menschenrechtsfundamentalismus noch unwortiger. Und, sag ich, es ist von einem grünen OB gesagt worden, Boris Palmer, der Partsch von Tübingen.



Jochen Partsch würde sowas nie sagen, sagt meine Mutter. Zugestanden, sagt mein Vater, er ist ja auch ein richtiger Weltoffenheitsfanatiker. Das war jetzt kein so guter Wortwitz, sag ich. Ist es nicht ein Grund zur Zuversicht, sagt meine Mutter, wenn jetzt selbst Helene Fischer bei ihren Konzerten in die Menge ruft: Erhebt gemeinsam mit mir die Stimmen: Gegen Gewalt, gegen Fremdenfeindlichkeit!? Und, sag ich, demnächst vielleicht sogar mit Feine Sahne Fischfilet auftritt? Und, sagt mein Vater, Florian Silbereisen gegen einen Eppertshäuser getauscht hat. Nix gegen Eppertshäuser, sag ich, Mädness&Döll kommen auch da her.



Aber Miss Hessen kommt aus Darmstadt, sagt mein Vater. Genau wie die neue hessische Digitalministerin, sag ich. Man munkelt, sagt meine Mutter, sogar aus dem Martinsviertel. 2015, sag ich, als sie als IHK-Präsidentin in der FRIZZ People-Rubrik war, hat sie da jedenfalls noch gewohnt. Wer mal im Martinsviertel gewohnt hat, sagt mein Vater, zieht da freiwillig nicht mehr weg. Höchstens nach Kranichstein, sagt meine Mutter, weils da noch multikultiger ist. Du mit deinem Vielfaltfetisch, sagt mein Vater. Auch ne schöne Unwort-kreation, sag ich.



Kranichstein wird jetzt noch attraktiver, sagt meine Mutter, weil Amtix nach Norden verschoben wird. Du heilige Fluglärmflorianistin, sagt mein Vater, bedenke die Folgen für Eppertshausen! Erzhausen, sag ich. Versprecher, sagt mein Vater, bin noch ganz mäd. Was soll ne Florianistin sein, frag ich. Echte Frage, fragt mein Vater und ich nicke. St. Floriansprinzip, sagt mein Vater. Heiliger St. Florian, behüt mein Haus, zünd andre an, reimt meine Mutter Ach so, sag ich, funktioniert nicht Politik generell so? Nein, sagt meine Mutter. Wir, sagt mein Vater, sind da ganz zuversichtlich.
Back to topbutton