Meteorolosophisches

Darmstadt-Glosse #121 September 2018

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©Thea Nivea

Hi, ich bin Thea Nivea.

Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de

Solche Hitzewellen werden sich häufen, sag ich. Ja, sagt mein Vater, deine Mutter ist jetzt in einem kritischen Alter. Ich meinte nicht die Hitzewallungen meiner Mama, sag ich, ich rede vom Klimawandel. Alles andere hätte ich mir verbeten, sagt meine Mutter. Weil, sag ich, die Temperaturen in den arktischen Regionen in den Sommermonaten viel stärker zunehmen, als in den mittleren Breiten, sinkt das Temperaturgefälle, das den Jetstream verursacht. Welch meteorologische Weisheiten, sagt mein Vater. Ja, sag ich, deshalb bleibt so ein Hitzehoch viel länger stabil.

Darmstadt gehört zu den heißesten Orten Deutschlands, sagt meine Mutter, kannst du uns das auch erklären? Nein, sag ich. Vielleicht, sagt mein Vater, weil die Grünen die Rudolf-Müller-Frischluftschneisen-Anlage zubauen wollen. Die Frischluftschneise bleibt erhalten, sagt meine Mutter, und der Schulneubau wird dringend benötigt. Ja, sehr dringend, sagt mein Vater, weil das Gelände der alten Heinrich-Hoffmann-Schule schon verkauft ist. Dass die Naturfreunde nicht weichen wollen, sag ich, ist anachronistisch, sie könnten schon dafür sorgen, dass mehr Natur erhalten bleibt. Das werden sie spätestens merken, sagt meine Mutter, wenn sie beim Architektenwettbewerb die Alternativen sehen. Und dann, sagt mein Vater, freiwillig zur Einsicht kommen, eine sehr nachdrückliche Strategie.

Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit, sag ich. Oha, sagt mein Vater, Töchterchen kennt Friedrich Engels Anti-Dühring. Ich meinte eher im Sinne Hegels, sag ich, mit der Einsicht wird eine Sache nicht mehr als Zwang, sondern als Bedürfnis empfunden. Welch philosophische Weisheiten, sagt meine Mutter, aber genau das ist der Sinn der Bürgerbeteiligung. Du meinst, sagt mein Vater, die Naturfreunde und die Bewohner der Darmstraße werden noch zu Vorkämpfern des neuen Schulbaus? Einvernehmen würde genügen, sagt meine Mutter. Unwahrscheinlich, sagt mein Vater, ist die Naturfreundevorsitzende nicht Genossin? Die hat doch, sag ich, vor gefühlt 1.000 Jahren mal für AUF Darmstadt kandidiert. Vor zwölf Jahren, sagt mein Vater. Sag ich doch, sag ich.

Apropos Wahl, sagt meine Mutter, macht ihr mit bei Keine AfD in den Landtag? Schlechtes Label, sag ich, ein buntes Vielfaltfest kommt viel besser. Ja, besser, man wirbt für etwas, sagt mein Vater, also warum man besser SPD wählen sollte. Und, fragt meine Mutter, warum sollte man? Stell ihn nicht bloß, sag ich, er hat im Prinzip Recht. Stell dir vor, bei der OB-Wahl hätten alle Gegenkandidaten sloganiert: Wählt nicht Partsch. Man erwähnt seinen Konkurrenten nie direkt, sagt mein Vater, eiserne Marketingphilosophie. Und was, fragt meine Mutter, macht ihr im FRIZZ bei der Landtagswahl mit den AfD-Kandidaten? Nix, sag ich, die sind für FRIZZ-Leser*innen sowieso unwählbar. Deine Uroma, sagt mein Vater, hätte für all diese Gaulands den richtigen Satz gehabt. Welchen, frag ich.

Alles, was en Mann mehr hat, als en Aff, is en Luxus, sagt meine Mutter, damit hat mich meine Oma überzeugt, deinen Vater zu heiraten. Haha, sagt mein Vater, die Wahrheit ist, sie mochte mich mehr als dich. Wahrscheinlich, sagt meine Mutter, sie hatte großen Einfluss auf deinen Vater. Weißt du, warum er keine Jogginghosen trägt? Menschen, die Jogginghosen tragen, sagt mein Vater, haben die Kontrolle über ihr Leben verloren. Hat deine Uroma gesagt. Nee, sag ich, Karl Lagerfeld, und deshalb tragen die Lilien keine Jogginghosen. Ja, sagt mein Vater, alles unter Kontrolle und zuletzt drei Tore in einem Spiel. Vorher zwei in drei, das sah nach Sturmtief aus, damit scheint es aber genauso vorbei zu sein, wie mit der Hitze. Oder mit den Gänsen am Woog, sag ich. Mehr schießen, sagt mein Vater, wär trotzdem ein gutes Mittel. Hier wie da, sag ich. Deine Uroma hätte gesagt, sagt meine Mutter, in schwierigen Zeiten und bei jedem Wetter gibt es die Pflicht zur Zuversicht.

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