Bütt-Gloss

Darmstadt-Glosse #138 Februar 2020

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©Thea Nivea


Hi, ich bin Thea Nivea.
Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de

Wenn ich in die Bütt müsst, sag ich, wär ich am liebsten Protokoller. Ich hasse Fastnacht, sagt meine Mutter. Kappe-Abende sind Folter, sagt mein Vater, weil glanzvolle Büttenreden selten geworden sind. Komm, sag ich, jetzt tut mal nicht so, früher seid ihr da schon gerne mal hin. Weil du da getanzt hast, sagt meine Mutter. Und wie gesagt, sagt mein Vater, da gabs noch glänzende Redner. Ja, genau, sag ich, weil früher alles besser war. Alles ist schlechter geworden, sagt mein Vater, nur eins ist besser geworden: Die Moral ist schlechter geworden. Einer seiner Lieblingsdoofsprüche, sagt meine Mutter. Hat aber, sag ich, einen gewissen dialektischen Reiz.

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Was fasziniert dich am Protokoll, fragt mein Vater. Nix, sag ich, außer halt an Fastnacht, ist ja ein bisschen wie meine Glosse, man kann alle Themen durchnudeln, die so waren, und ein bisschen heftiger draufhauen. Warum die Politiker da noch freiwillig hingehen, sagt meine Mutter, frag ich mich schon lange. Tun sie ja nicht, sagt mein Vater, sie müssen repräsentieren und den Watschenmann geben, das gehört zum Spiel. Dafür, sag ich, werden sie öffentlich begrüßt und dürfen aufstehen und ins Volk winken. Und sofort danach, sagt meine Mutter, sind sie auch wieder weg.

Welche Themen würdest du durchnudeln, fragt mein Vater. Brexit und Megxit, sag ich. Was hat das mit Darmstadt zu tun, fragt meine Mutter. Nix, sag ich, awwer es intressiert die Leit. Sprich doch, sagt mein Vater, über die Tyrannei des Augenblicks. Genau, sag ich, manche Leit könne echt bees gugge. So meinte das der OB nicht, sagt meine Mutter, und überhaupt, was soll das alberne Dialektgequatsche? Erstens, sag ich, ist Dialekt nicht albern, sondern heimatliche Mundartpflege, zweitens üb ich für den Spirwes-Preis und drittens: Was, wann, wo hat der OB wie gemeint?

Als der OB selbst in de Bütt war, sagt mein Vater, beim Neujahrsempfang, mit Ordenskette um den Hals. Amtskette, sagt meine Mutter, eine glanzvolle Rede übrigens. Der redende Mensch realisiert sich nur im Handeln, sagt mein Vater. Frei nach Theodor Wiesengrund, sag ich, denk ich jedenfalls. Du denkst richtig, sagt meine Mutter, aber ich mag nicht, wenn du Dialekt redest. Sind dir hochdeutsche Unworte lieber, frag ich. Sprachhysterie etwa, fragt mein Vater.

Klimahysterie ist eine gute Unwortwahl, sagt meine Mutter, sind wir uns da einig? Absolut, sag ich, man muss ohnehin auf Sprachgebräuche achten, ich finds nicht lustig, wenn Heag-Mobilo Bäume für die Lichtwiesenbahn fällt und das Baumentnahme nennt. Oder, sagt mein Vater, wenn die Amis einen iranischen General umbringen und das dann gezielte Tötung heißt. Der wurde schlicht ermordet. Oder, sagt meine Mutter, wenn der Bauverein von Mietanpassung statt Erhöhung spricht.

Oder Bürgerbeteiligung statt Bürgerverarschung, sagt mein Vater. Was meinst du konkret, frag ich. Aldi in Arheilgen, Westwald, der 40 m hohe Funkmast... Aha, sagt meine Mutter, wir sind im Wahlkampfmodus. Sind halt nicht alle so zufrieden mit der Stadtregierung wie du, sagt mein Vater, und wenn die BBD zur Kommunalwahl antritt, wirds spannend. Dann kommt basisgrünes Handeln, statt beschwichtigendem Grünschwatz. Papa im Büttenredenmodus, sag ich, aber Grünschwatz statt Grün-Schwarz ist schon ein ganz lustiges Sprachspiel. Wenn ihr meint, sagt meine Mutter.



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