Klare Kante

Darmstadt-Glosse #139 März 2020

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©Thea Nivea



Hi, ich bin Thea Nivea.

Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de


Darmstadt ist nicht Hanau, sagt meine Mutter. Ach ja, sag ich, und ich bin nicht du, oder was soll der Spruch? Du meinst ja wohl nicht, sagt mein Vater, dass sowas in Darmstadt nicht passieren könnte? Ich war sehr beeindruckt, sagt meine Mutter, wie viele Menschen in Darmstadt öffentlich Solidarität gezeigt haben. Halten wir mal fest, sag ich, dass sowas auch in Darmstadt passieren könnte, warum sollte es unter 160.000 Einwohnern keinen durchgeknallten Psychopathen mit legalem Waffenzugang geben?

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Das kann man auch mit Weltoffenheit nicht 100%ig verhindern, sagt mein Vater. Leider, sag ich, wobei klar ist, dass das politische Klima derzeit entscheidend zur Enthemmung beiträgt. Achte auf deine Gedanken, denn sie werden zu Worten, sagt meine Mutter, achte auf deine Worte, denn sie werden zu Taten... Und so weiter, sagt mein Vater, immerhin, der Hanauer Anschlag hat was bewirkt, die Demokraten haben kapiert, dass sie wehrhaft sein müssen.



Sogar Fastnachter bekennen sich klar und deutlich, sag ich, hätte ich nicht gedacht. Was müssen wir für Zeiten haben, dass sogar Rezo eine Büttenrede der Mainzer Fastnacht teilt. „Es war millionenfacher Völkermord, ihr braunen Wichte, und kein Vogelschiss der deutschen Geschichte“, zitiert mein Vater, ganz klare Kante gegen die AfD. Ja, sagt meine Mutter, sehr beeindruckend.



Die CDU macht gerade keine gute Figur, sagt mein Vater, sie trägt mit der Gleichsetzung ihrer Abgrenzungen zur Verharmlosung bei. Du spielst auf Thüringen an, fragt meine Mutter. Na klar, sagt mein Vater, Bodo Ramelow und Bernd Höcke als gleichrangige Unvereinbarkeit, das ist ja wohl ein Hohn. Aus purer christdemokratischer Sicht kann ich die alte Links-Rechts-Abgrenzungsnummer grundsätzlich verstehen, sag ich, aber im Moment ist nicht grundsätzlich angesagt, sondern konkret. Und da muss auch aus CDU-Sicht zählen, sagt mein Vater, dass Ramelow kein Kommunist, Höcke aber sehr wohl ein Faschist ist.



Die Quittung hat die CDU ja schon gekriegt, sagt meine Mutter, mit 11% historisch niedrigstes Ergebnis in Hamburg. Dabei holten die 2004 mit Ole von Beust noch die absolute Mehrheit, sag ich, und dass die FDP doch noch rausgeflogen ist, find ich sehr gut. Gerechte Strafe für Thüringen, sagt mein Vater, bei dem, was die sich noch im Nachgang zur Wahl dieser FDP-Glatze geleistet haben. Jetzt bist du aber selbst rassistisch, sagt meine Mutter. Moment, sag ich, das war Kemmerichs eigener Wahlslogan: „Endlich eine Glatze, die in Geschichte aufgepasst hat.“ Hätte er das, sagt mein Vater, hätte er gewusst, dass seine liberalen Vorläufer 1924 in Thüringen schon mal die Nazis hoffähig gemacht haben. Und es waren auch die Liberalen, sag ich, die Hitlers Ermächtigungsgesetz 1933 mitbeschlossen haben, unter ihnen Herr Heuss, ab 1949 der erste Präsident der Bundesrepublik.



Gegen die Nazis ist historisch nur auf die SPD Verlass, sagt mein Vater. Aktuell auch auf die Grünen, sagt meine Mutter. Und die Linke, sag ich. Bei Abgrenzungsbekenntnissen der CDU bin ich inzwischen skeptisch, sagt mein Vater. Vor allem, sagt meine Mutter, wenn bald die Führungsfrauen von Bord gehen und man nicht weiß, welcher Mann da nachkommt. Ich warne auch vor Verharmlosungen, sag ich, wie ich sie neulich am Rande der Stavo gehört habe, es gibt nämlich keine harmlosen AfDler. Wer in einer Partei ist, die Faschisten duldet, ist potenziell selber einer. Und trägt zur Maskierung bei, sagt mein Vater, so wie der Herr von der AfD im Magistrat, der immer so nette Grüße zum Geburtstag überbringt, ei da kann doch die AfD gar net so schlimm sei, Volkes Stimme eben. Klare Kante gegen die AfD, sagt meine Mutter, auf allen Ebenen.



Nur nicht auf der musikalischen, sag ich. Wie meinst du das, fragt meine Mutter. A-F-D, sag ich, ein absteigender D-Moll-Akkord. Mozarts Requiem steht in D-Moll oder Schuberts „Der Tod und das Mädchen.“ Die Posaunen von Jericho, sagt mein Vater, spielten auch in D-Moll. Ja, ja, der uralte Kalauer, sag ich, weil sie die Mauern demoliert haben. Also, sagt meine Mutter, steht AfD für die Demolierung der Demokratie. Was es zu verhindern gilt, sag ich, mit klarer Kante.





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