Skype-Gespräche

Darmstadt-Glosse #141 Mai 2020

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©Thea Nivea



Hi, ich bin Thea Nivea.

Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de

Was ist mit Mama, frag ich. Loggt sich, sagt mein Vater, im Wohnzimmer mit ihrem Notebook ein. Hallo Thea, sagt meine Mutter, ich kann dich sehen. Wir dich nicht, sagt mein Vater. Mama, sag ich, du musst… Ich weiß, sagt meine Mutter, bin ja nicht blöd. Na also, sagt mein Vater, geht doch. Du müsstest mal wieder aufräumen, sagt meine Mutter. Jetzt bist du ganz dunkel, sagt mein Vater. Ich hab mich umgedreht wegen Mama, sag ich, jetzt ist halt das Fenster im Hintergrund.

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Schon gut, ich halt mich zurück, sagt meine Mutter. Und was machst du so den ganzen Tag? Homeoffice, sag ich, schreiben, recherchieren, Glossen-Gespräche mit euch führen z. B., und nachher mal wieder ein Eis essen. Aber erst 50 m weggehen, sagt mein Vater. Ich weiß, sag ich, da musst du in der Innenstadt aber ziemlich genau überlegen, wo du hingehst, sonst bist du ganz schnell in der nächsten Eisleck-Verbotszone.

Den Sinn dieser Regelung versteh ich nicht so ganz, sagt mein Vater. Wenns mal richtig heiß ist, sag ich, hast du nach 50 m nur noch Brühe im Becher. Sehr witzig, sagt meine Mutter, das soll Menschenansammlungen verhindern helfen. Aha, sagt mein Vater, und bei Worscht isses worscht? Unterschiedliche Abstandsregelungen für Eis, Bratwurst, Döner oder Pizza, sag ich, das wär doch witzig. So ne Art Verzehrföderalismus, sagt mein Vater. Ich gebe zu, sagt meine Mutter, manches ist nicht so ganz nachvollziehbar.

Beispiel Grundschule, sag ich, maximal fünf Kinder dürfen in einer Notbetreuungsgruppe sein, bei den Viertklässlern sind jetzt auf einmal bis zu 15 erlaubt. Stimmt, sagt meine Mutter, da lassen viele Eltern ihre Kids lieber zu Hause. Zumal die anderen lieben Kleinen ja auch noch alle da sind, sag ich, unter mir die Familie hat drei Kinder, die Älteste ist in der 4. Klasse, die beiden anderen drehen langsam durch und die Eltern versuchen gleichzeitig Homeoffice hinzukriegen. Und bei euch, sagt mein Vater, gibts ja wenigstens noch einen Garten im Hinterhof.

Was machst du eigentlich so den ganzen Tag, frag ich. Dein Vater kümmert sich verstärkt um den Haushalt. Er hockt vor der Waschmaschine und guckt Schonprogramm. Oder stellt die Spülmaschine an, obwohl sie noch nicht voll ist. Die klingt dann ganz anders, sagt mein Vater, man hat ja jetzt Zeit, auf sowas zu achten. Wisst ihr überhaupt, welch lyrischer Moment das ist, wenn man dem Rhythmus der Spülmaschine lauscht und sich dann plötzlich der Kühlschrank einschaltet? Oder die Vielfalt der Waschmaschinengeräusche, am interessantesten ist, wenn sie das Wasser abgepumpt hat, es aber noch so röchelt. Und dann, wenn der Schleudervorgang beginnt, da tockts und wackelts erst, dann wirds gleichmäßiger, steigert sich und zum Schluss sirrt es in den höchsten Tönen, die Maschine vibriert ganz leise… Papa, frag ich, ist alles okay bei dir?

Ich denke schon, sagt meine Mutter, wir genießen die Ruhe. 86 % weniger Starts und Landungen in Frankfurt, sagt mein Vater, das merkt man im Garten schon. Und sogar 97 % weniger Passagiere als letztes Jahr, sag ich. Woher weißt du das, fragt meine Mutter. Wie gesagt, ich recherchiere, sag ich, 89 % weniger Stavo-Zeit als im Schnitt vor Corona. Und es sterben auch weniger Menschen, in Hessen sind seit Mitte März ca. 160 bis 170 Menschen pro Tag gestorben, normalerweise sind es bis zu 200. Das musst du mir erklären, sagt meine Mutter. Das ist der sogenannte Kollateralnutzen, sag ich, Abstandhalten und mehr Hygiene bremsen halt auch z. B. Influenza- oder Noroviren, die ja bei alten oder vorerkrankten Menschen tödlich sein können.

Sollte man sich für Normalzeiten merken, sagt mein Vater. Ja, sagt meine Mutter, wenn die Cafés wieder offen sind und man mal wieder essen gehen kann. Oder, sagt mein Vater, zum Fußball ins Stadion. Oder zum Heinerfest, sag ich, SGF virtuell geht ja noch, aber Heinerfest? Immerhin, sagt mein Vater, passt das dann nächstes Jahr perfekt zusammen: 70 Jahre und 70. Heinerfest, da gehen wir wieder gemeinsam hin. Vorher würde ich gerne, sagt meine Mutter, einfach mal so wieder mit dir quatschen, ganz ohne Skype.

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