Aha-Effekte

Darmstadt-Glosse #145 September 2020

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©Thea Nivea


Hi, ich bin Thea Nivea.
Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de

Ich sehe gerade, sagt meine Mutter, das ist euer 450stes FRIZZ-Heft. Und, sag ich, ist das was Besonderes? Naja, sagt mein Vater, spricht schon für ne gewisse Kontinuität. Meines Wissens sind 37 ½ Jahre kein Jubiläum, sag ich, 37, also 444 Hefte, das wär wenigstens ne Engelszahl… Hör auf mit dem Quatsch, sagt mein Vater, das hat schon letztes Mal genervt. Soll ich dir lieber erzählen, sag ich, dass 450 Propheten des Baal am Berge Karmel… Ist was mit dir, fragt meine Mutter. Nee, sag ich, ich wollte nur ausdrücken, dass 450 eher ein Job ist. Und wenn wir feiern, dann im November 2024. Verstehe, sagt mein Vater, Heft 500. Aha, sagt meine Mutter, na wenigstens dann.

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Wenn ich im Februar nicht aufhöre, sag ich. Wieso, fragt meine Mutter. Dann hab ich 150 Glossen, sag ich, reicht doch. Du hörst doch wohl nicht kurz vor der Kommunalwahl auf, sagt mein Vater, das ist schließlich ein Kernereignis für ne kommunalpolitische Glosse. Naja, sag ich, ist ja vielleicht doch ganz lustig zu kommentieren, wie es dann weitergeht. Ja, sagt mein Vater, lustig könnts werden mit der Mehrheitsfindung, wo ja jetzt auch die BBD definitiv antritt. Eher schwierig, sagt meine Mutter. Vielleicht, sagt mein Vater, gibts dann ja sogar ne AGG-Koalition. Eine was bitte, fragt meine Mutter. AGG, sagt mein Vater, Allianz gegen Grün. Aha, sagt meine Mutter.

Dazu bräuchte es ziemlich viele Parteien, sag ich, weil die Grünen nämlich wieder stärkste Fraktion werden. Klar, sagt mein Vater, aber SPD, CDU, FDP, BBD und vielleicht UWIGA oder Uffbasse, das könnte doch für 36 Sitze reichen. Dann gibts eher Grün-Rot, sag ich, der OB hat sich ja letztens in Sachen Verkehrswende erstmalig deutlich von seinem Koalitionspartner abgesetzt. Wurde auch Zeit, sagt meine Mutter. Jetzt poppen endlich die Radwege up, sag ich, die Landgraf-Georg-Straße kam ja quasi über Nacht. Und der letzte hat kapiert, sagt mein Vater, aha, wir haben bald Wahlen.

Machterhalt ist auch eine Frage des Timings, sag ich. Der erste Teil vom Berufsschulzentrum ist saniert, ich bin sicher, im Januar gehts mit dem Schulbau am Jugendstilbad los, der Kämmerer kriegt noch mal nen ausgeglichenen Haushalt hin und selbst die Fahrradstraßen werden konzeptionell in den Blick genommen. Noch ein Aha-Effekt, sagt mein Vater, der Wald ist gar nicht weniger geworden, hat der OB statistisch belegt, nur halt ein paar einzelne Bäume, round about 70, um genau zu sein. Jetzt mal im Ernst, sagt meine Mutter, der ökologische Fußabdruck der Darmstädter ist kleiner geworden, inzwischen wohnen 20.000 mehr auf der gleichen Fläche. So kann man Verdichtung und Wachstum auch verkaufen, sagt mein Vater.

Am Saladin-Eck gehts bald los, sagt meine Mutter, das Ostbahnhofumfeld wird nach den LaGA-Plänen umgestaltet, die ICE-Trasse wird entschieden und vielleicht reichts ja auch noch zum Weltkulturerbe. Sag ich doch, sag ich, alles eine Frage des Timings. Im Zweifel, sagt mein Vater, hat der böse Covid dazwischen gehauen. Nicht lustig, sag ich, bei den Infektionszahlen gerade. Liegt ja wohl auch an euch jungen Leuten, sagt meine Mutter. Ja, genau, sag ich, guck dir doch mal an, wie sich die mittelalten Fußballgucker in den Kneipen verhalten. Es bräuchte halt mal ein gescheites Konzept, sagt mein Vater, mit Feierbeauftragten und einer Wiederbelebung der Innenstadt. Aha, sagt meine Mutter, du kannst wohl euer Wahlprogramm schon auswendig.

Tutti kompletto absagen, sag ich, ist auch keine Lösung. Und alles auf 2021 verschieben auch nicht, zumal Corona da noch längst nicht vorbei sein wird. Das Virus mutiert gerade, sagt mein Vater, es wird ungefährlicher. Hab ich auch gehört, sag ich. Das ist gerade die falsche Botschaft, sagt meine Mutter, Effekt: Aha, ist ja doch ungefährlich. Gerade das ist aber gefährlich. Vielleicht, sag ich, sollte man mal wieder disziplinierter auf einen anderen Aha-Effekt setzen. Welchen, fragt mein Vater. Abstand wahren, auf Hygiene achten und Alltagsmaske tragen, sag ich. Sehr lobenswert, sagt meine Mutter, ich sehe gerade, dafür macht ihr sogar Werbung in eurem 450sten Heft.

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