Covidiotisch

Darmstadt-Glosse #147 November 2020

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©Thea Nivea


Hi, ich bin Thea Nivea.

Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de

Jetzt sind wir also wieder soweit, sagt mein Vater, Covid hat uns voll im Griff. Und Mutti bittet uns, sag ich, auf alles zu verzichten, Reisen, Feiern und so. Am besten, sagt meine Mutter, wir bleiben alle zu Hause. Die Kanzlerin, sagt mein Vater, appelliert halt an die Vernunft der Menschen. Das ist sicher der bessere Ansatz, sag ich, als auf die Intelligenz der Politiker zu setzen. So pauschal, sagt meine Mutter, kann man das aber nicht sagen.

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Pauschal vielleicht nicht, sagt mein Vater, aber generell eher schon. Mal ehrlich, sag ich, wie viele idiotische Maßnahmen wollen die MPs noch herausballern und sich von den Gerichten einkassieren lassen? Schönes Wortspiel, meint mein Vater. Ach, sagt meine Mutter, du meinst die Ministerpräsident*innen. Präsidenten reicht, sagt mein Vater, das generische Maskulinum umfasst auch die Frauen. Ach ja, sagt meine Mutter, seit wann?

Seit Seehofer, sag ich, der Mann ist noch bescheuerter als sein Verkehrs-Andi. Ich frag mich schon lange, sagt mein Vater, welchen Verkehr der eigentlich ministriert. Der war ja mal, sag ich, Ministrant. Ich glaube, sagt meine Mutter, das führt jetzt zu weit. Okay, sag ich, der ist sowieso dermaßen lost, obwohl es ja nicht verkehrt ist zu wissen, wer mit wem verkehrt. Also die Verkehrsregeln zu kennen, sagt mein Vater.

Meinst du das politisch, frag ich, oder sexuell? Verkehrssteuerungspolitisch, sagt mein Vater. Kommt jetzt, fragt meine Mutter, das mit dem zermalmten Ampelsteuerungskasten an der Dieburger? Und warum das so lange dauert? Nö, sag ich, eher das mit dem idiotischen Pop-up-Streit zwischen Fahrrad- und Autofahrern. Das poppt doch sowieso nur in diesem asozialen Fratzenbuch auf, sagt mein Vater. Gut, sag ich, also dann zurück zur Intelligenz der Politiker.

Erkennbar an den covidiotischen Entscheidungen, sagt ein Vater. Genau, sag ich. Z. B., fragt meine Mutter. Z.B., sag ich, innerdeutsches Beherbergungsverbot, davon ging noch nie eine nennenswerte Verbreitungsgefahr aus. Wurde zu Recht gerichtlich einkassiert, sagt mein Vater, dito Sperrstunde. Hingegen, sag ich, das Alkoholverkaufsverbot ab 23 Uhr …  Als ob jemand so lost wäre, unterbricht mich mein Vater, den Stoff nicht vorher zu bunkern. Aha, sagt meine Mutter, jetzt gibt sich auch der alte Herr Vater jugendaffin. Nur jugendwortaffin, sag ich, im Übrigen ist ja nicht der öffentliche das Problem, sondern der private, dahin verzieht man sich halt, wenn alles dicht ist. Bzw. alle dicht sind, sagt meine Mutter.

Gabs da nicht mal ein Nachtkonzept, sagt mein Vater. Nachtigall, sag ich, ick hör dir trapsen, deine Jungspund-Underdog-Genossen werden noch Furore machen. Was wäre denn dein Vorschlag, fragt meine Mutter. Kontrolliertes Offenhalten, sag ich, die Maßnahmen durchsetzen, die es schon gibt und dann erst neue erfinden. Du, fragt meine Mutter, verlangst Kontrolle? Ja, sag ich, die Covid-Ignoranten machen mich echt langsam wütend. Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstemmen, sagt mein Vater, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht. So ähnlich, sag ich, ist aber nicht von dir?

Papst Gregor, sagt mein Vater, 6. Jahrhundert. Brandaktuell, sagt meine Mutter, aber was genau ist das Böse? Im Zweifel die Obrigkeit, sag ich. Also in Darmstadt die Grünen, sagt mein Vater. Obwohl doch gerade so viel Gutes passiert, sagt meine Mutter, der zentrale Neubau fürs Klinikum ist fast fertig, das Saladin-Eck an die TU verkauft, die WC-Anlage am Marktplatz wird saniert, am Pali-Parkplatz gibts Stellplätze für Fahrräder, das neue ÖPNV-Konzept … Ist ja gut, Mama, sag ich, Kommunalwahl ist wie Nachtigall, gutes grünes Timing jedenfalls.

Die Grünen, sagt mein Vater, sind eine reformistische Partei, die einen grünen Kapitalismus fördert, der aber die zunehmende Zerstörung der Ökosysteme und die wachsende soziale Ungleichheit nicht aufhalten wird. Wieder nicht von dir, sag ich, oder? Carola Rackete, sagt mein Vater. Die Frau ist nicht nur als Kapitänin gut, sag ich, den Satz unterschreib ich. Ihr seid idiotisch, sagt meine Mutter. Immerhin, sagt mein Vater, nicht covidiotisch.

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