Zeitsprünge

Darmstadt-Glosse #149 Januar 2021

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©Thea Nivea


Hi, ich bin Thea Nivea.

Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de

Ich hasse Januar-Glossen, sag ich. Wieso, fragt meine Mutter. Weil, sag ich, ich die immer schon ne Woche vor Weihnachten schreiben muss. Warum, fragt meine Mutter. Weil, sag ich, der Januar-FRIZZ schon vor Weihnachten gedruckt werden muss. Und was ist dein Problem, fragt mein Vater, du musst dich doch nur in die Perspektive deiner Fans Anfang Januar hineinversetzen. Eben, sag ich. Ich versteh das schon, sagt meine Mutter, aber wir können dir ja helfen. Wie, frag ich. Wir tun so, sagt mein Vater, als ob es heute schon zwei Wochen später wäre. Okay, sag ich, also kleiner Zeitsprung.

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Heute ist der 1. Januar, sagt mein Vater. Ich hab nen Kater, sag ich, und Kopfschmerzen. Hast du mitgekriegt, fragt meine Mutter, wie viel heute Nacht geballert wurde? Wo hatten die bloß das ganze Feuerwerkszeug her? 2021 soll halt das Kracherjahr werden, sagt mein Vater. Na ja, sag ich, erst mal haben wir ja noch zehn Tage Lockdown. Zehn Tage? Das wird Ostern, sagt mein Vater. Quatsch, sagt meine Mutter, die Impfungen haben doch schon längst begonnen; Ostern wird sich anfühlen wie Ostern und Weihnachten zusammen.

Die Verschwörungstheoretiker, sagt mein Vater, werden es verhindern. Du meinst, sagt meine Mutter, weil Corona eine Erfindung von Bill Gates ist? Quatsch, sag ich, ist ne Erfindung von Jeff Bezos. Stimmt, sagt mein Vater, wenn einer von der Pandemie profitiert, dann Amazon. Der Typ verdient derzeit 3.600 Dollar in der Sekunde, sag ich. Ernsthaft, fragt meine Mutter, oder ist das eine antikapitalistische Verschwörungstheorie? Ernsthaft, sag ich.

Auf Intensivstationen, sagt mein Vater, gibt es unter den Ärzten und Pflegern ziemlich wenig Querdenker, komisch, oder? Könnten wir heute, am 1. Januar, sagt meine Mutter, bitte mal über was anderes reden?! Du meinst, sag ich, am heutigen Neujahrstag mal positiv in die Zukunft schauen? Ja, bitte, sagt meine Mutter. Grün-Schwarz verliert die Kommunalwahl, sagt mein Vater. Stimmt, sagt meine Mutter, die haben wir ja auch noch. Du glaubst also auch, frag ich, dass deine Grünen massiv verlieren werden? Quatsch, sagt meine Mutter, aber es wird nicht so einfach. Was ist schon einfach, sagt mein Vater.

Flächendeckend Tempo 30, sag ich, wär ganz einfach in Darmstadt, wenn es nur Jochen Partsch und nicht auch diesen bescheuerten Verkehrsminister gäbe. Nee, sagt mein Vater, nicht nur Andi-Dandy ist dagegen, auch der Wandrey-Paule. Ach was, sag ich, die CDU muss jetzt halt mal ein bisschen Profil zeigen, bevor die sich nach der Wahl wieder brav unterjochen. Unter Jochen, lacht mein Vater, sehr cooles Wortspiel!

Die CDU ist halt clever, sag ich. Wie meinen, fragt meine Mutter. Gewiefte Strategen, sag ich, auf ihrer Liste stehen nur 68 Menschen, das sind drei weniger als die 71 Sitze, die es im Stadtparlament gibt. Die hatten halt nicht genug, sagt mein Vater. Vielleicht, sag ich, aber so sichert man seine drei Spitzenkandidaten ab, für die zählt nämlich dadurch jedes CDU-Kreuz doppelt. Wieso, fragt meine Mutter, erkläre! Das erklär ich im März-FRIZZ, sag ich, würde jetzt zu lange dauern.

Reden wir halt über Inhalte, sagt mein Vater, ist sowieso besser. Also, was wollen die Parteien so? Die Leute wählen doch nicht nach Inhalten, sagt meine Mutter, die Personen sind entscheidend. Trotzdem, sagt mein Vater, die Grünen wollen doch noch einen dritten Aldi in Arheilgen, oder? Hahaha, meint meine Mutter. Die Partei-Partei, sag ich, will den Luisenplatz in Kindergartenplatz umbenennen, damit es endlich genug davon gibt. Und einen ICE-Halt in Wixhausen, sagt mein Vater.

Die Wahlkampfzeit wird schwer, seufzt meine Mutter, sehr schwer auszuhalten mit euch. Aber sie geht vorüber, sag ich. Wie der Winter, sagt mein Vater, und Mutti Merkel. Und dieses komische Seuchenjahr 2020, sagt meine Mutter. Aber Mama, sag ich, es ist doch schon 2021, heute ist doch der 1. Januar. Nee, sagt meine Mutter, für mich nicht mehr, ich muss noch Geschenke einpacken. Du bist sehr sprunghaft in letzter Zeit, Mama, sag ich. Ihr nervt, sagt meine Mutter. Ich glaube, sagt mein Vater, auch deine Mama hasst langsam Januar-Glossen.

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