Die 150ste?

Darmstadt-Glosse #150 Februar 2021

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©Thea Nivea


Hi, ich bin Thea Nivea.

Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de

Wer ist eigentlich auf diese Schnapsidee gekommen, frag ich, eine 14-Jährige ne Glosse schreiben zu lassen? Du warst fast 15, sagt mein Vater. Und du hast gerne und viel geschrieben, sagt meine Mutter, besonders Tagebuch. Was du gelesen hast, sag ich. Darüber haben wir doch schon lange gesprochen, sagt meine Mutter, das tut mir leid und das ist doch hoffentlich geklärt. Okay, sag ich, und ich geb zu, dass mich Politik komischerweise da schon interessiert hat.
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Das lag an deinem Papa, sagt meine Mutter. Seh ich auch so, sag ich, obwohl ich es irgendwie auch ätzend fand. Samstags in der Stadt, alle 10 Meter stehen bleiben und mit zuhören zu müssen, wie er mit irgendwelchen wichtigen Leuten quatscht. Und du hast mich dann immer gefragt, sagt mein Vater, was habt ihr da gequatscht und wer war das und was macht der so. Und ich, sagt meine Mutter, war schon sehr beeindruckt, was du dir so alles behalten hast. Und vor allem, sagt mein Vater, deine Kommentare, irgendwie ziemlich auf den Punkt.

Und dann, frag ich. Irgendwann im Dezember 2007 hatten wir die Idee, sagt mein Vater, mit ner kommunalpolitischen Glosse. Wer wir, frag ich. Eigentlich war das die Sandra vom Vorhang Auf, sagt mein Vater. Als dein Vater, sagt meine Mutter, davon beim Abendessen erzählt hat, hast du sofort gesagt, das kann ich doch machen. Selbstbewusstseinsstörungen kanntest du schon als Kind nicht, sagt mein Vater. Aber dann hatte ich schon Bammel, sag ich, ich weiß noch, gefühlt war jeder zweite Satz: Ich blick nicht durch. Aber, sagt meine Mutter, nach dem Ich-blick-nicht-durch kamen dann ziemlich verblüffende Schlussfolgerungen.

Das ist ganz genau 13 Jahre her, sag ich, im Februar 2008 kam meine erste Glosse raus. Und im März bist du 15 geworden, sagt meine Mutter. Und irgendwann hast du mich rausgeschmissen, sagt mein Vater, weil du allein schreiben wolltest. Na ja, sag ich, am Anfang hast du ja fast alles gesagt, was ich schreiben soll. Du hast dich aber ziemlich schnell emanzipiert, sagt meine Mutter. Ja, sag ich, ich hab schon 2009 das erste Mal geschrieben, dass Jochen Partsch OB wird. Was deinem Vater ordentlich Ärger eingebracht hat, sagt meine Mutter.

Und als dann Jochen Partsch OB war, sag ich, gabs Stress mit dem Chef vom Vorhang Auf, weil ich die neue Stadtregierung schon kritisiert habe, obwohl sie noch keine 100 Tage im Amt war. Die übliche Schonfrist eben, sagt mein Vater. Ich hatte keine Ahnung von üblichen Schonfristen, sag ich, und das ist ja sowieso Quatsch. Jedenfalls wurden dann zwei Glossen von dir nicht mehr abgedruckt, sagt meine Mutter. Genau, sag ich, da war ich ziemlich sauer. Und du hast ordentlich Unterstützung gekriegt, sagt mein Vater. Ich weiß, sag ich, von den Uffbassern ganz besonders, und sogar die FDP hat mich auf Facebook geteilt.

Wann war eigentlich das erste Mal beim FRIZZ, fragt meine Mutter. Oktober 2011, sag ich, das sind dann ja auch schon 10 Jahre. Ich bin schon fast sowas wie ne Institution. Wenns so weit ist, sagt mein Vater, sollte man eigentlich aufhören. Oder wenns am schönsten ist, sagt meine Mutter. Da hab ich auch schon drüber nachgedacht, sag ich, ich kann ja nicht noch mit 30 solche Glossen schreiben. Mit welchem Ergebnis, sagt mein Vater. Wie, frag ich. Das Ergebnis deines Nachdenkens, sagt mein Vater. Ich hab einfach mit 25 aufgehört, älter zu werden, sag ich. Du warst schon immer früh dran, sagt meine Mutter, normalerweise beginnt das erst mit 39.

Apropos früh dran, sagt mein Vater, wann musst du denn deine 150. Glosse abgeben? Vorgestern, sag ich. Dann aber schnell, sagt meine Mutter, gibt ja ne Menge Themen: Lockdown, Impfungen, Virusmutationen … Nicht zu vergessen, sagt mein Vater, die Kommunalwahl. Glaubt ihr denn im Ernst, sag ich, dass im Moment irgendeiner Bock hat, sowas zu lesen? Worüber schreibst du dann, fragt meine Mutter. Über gar nix, sag ich, ich schreib überhaupt gar nix. Was heißt das genau, fragt mein Vater. Das heißt genau, sag ich, dass meine 150. Glosse ganz besonders besonders ist: Es gibt sie nämlich gar nicht!

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