Ziemlich weit aus dem Fenster

Darmstadt-Glosse #151 März 2021

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©Thea Nivea


Hi, ich bin Thea Nivea.

Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de


Alle reden von Corona, sag ich, aber wir nicht, oder? Einverstanden, sagt meine Mutter. Machen wir wieder unser Tippspiel, fragt mein Vater. Ja, gerne, sag ich. Wetteinsätze, sagt mein Vater. Wenn ich verliere, sag ich, hör ich auf, Glossen zu schreiben. Wenn ich gewinne, sagt mein Vater, wünsche ich mir, dass du weiterschreibst. Was du machst, wenn du verlierst, fragt meine Mutter, nur das zählt. Gut, sagt mein Vater, ich entsorge meine MEW-Bände ins Altpapier. So ne Art Kapitalvernichtung, sag ich, und du Mama? Ich mach ne Spende an die SPD. Aber nicht aus der Haushaltskasse, sagt mein Vater. 

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Okay, also dann los, sagt meine Mutter, die Grünen gewinnen. Genauer, sag ich, wie viele Sitze? 23, sagt meine Mutter, so viele, wie sie jetzt haben. Durch Überläufer erbeutet, sagt mein Vater, ich sag 21, so viele wie bei der letzten Wahl. 19, sag ich, die Grünen verlieren. Begründung, fragt meine Mutter. Seit wann muss man Tipps begründen, sag ich, aber gut: Erosion der Macht. Aha, sagt meine Mutter. Kein Wunder, sagt mein Vater, nach einem knappen Vierteljahrhundert in der Stadtregierung. 

Gut, dann mal weiter, sag ich, die CDU kriegt nur noch 11 Sitze, 2 weniger, das klassische Schicksal des schwachen Juniorpartners, der sein Profil verliert. Ein Schellenberg macht halt noch keinen Sieg, sagt mein Vater, mildert aber die Niederlage, ich sage 12. 13, sagt meine Mutter, Zitzmann rettet die CDU, weil er 13 Plätze nach vorne kumuliert wird. Das ist mal ein markiger Tipp, sag ich, gibt nen Sonderpunkt, wenns stimmt. 

Nach 7 Wahlen, sagt mein Vater, kriegt die SPD zum ersten Mal kein schlechteres Ergebnis als jeweils bei der Wahl davor. Seh ich auch so, sag ich, die haben sich jung aufgestellt, coole Webseite und so, also 13. Einverstanden, sagt mein Vater, 1 Sitz mehr als bis jetzt. Nee, sagt meine Mutter, es bleibt bei 12 Sitzen, die wollen grüner sein als die Grünen und erreichen damit ihre Stammwähler nicht. 

Grüner als die Grünen, sag ich, wollen doch eher die Freien Wähler und die WGD sein. Macht ja auch Sinn, sagt mein Vater, da sind ein paar Altgrüne drin. Die kriegen, sag ich, bei mir zusammen 4 Sitze. Bei mir auch, sagt mein Vater, 1 die Freien, 3 die WGD, der Ostangie wegen. Das Wortspiel versteht deine Tochter nicht, sagt meine Mutter, aber bei mir kriegen die nur je 1 Sitz, diese Frustlisten. 

Wo sind wir uns denn einig, frag ich, bei den Linken? 5, sagt mein Vater, klare Positionen, die halten ihr Ergebnis. Einverstanden, sag ich. Okay, sagt meine Mutter, und Uwiga bleibt auch bei 3? Ja, sagen mein Vater und ich. FDP 5, fragt mein Vater. Ja, sag ich, die profitieren von der Performance ihres blumigen Spitzenkandidaten und der Schwäche der CDU. Also 1 mehr, sagt meine Mutter, okay. 

Was machen wir, fragt mein Vater, mit Uffbasse? Die kriegen alle ihre 29 Kandidaten durch, sag ich, weil sie das beste Programm haben und den coolsten Wahlkampf machen. Und im Ernst, fragt meine Mutter. Das mein ich ernst, sag ich. 5 Sitze bei mir, sagt mein Vater. Bei mir auch, sagt meine Mutter. Also gut, sag ich, bei mir dann halt auch. 

Und wir sind uns auch einig, sagt meine Mutter, dass die AfD keine 7 Sitze mehr kriegt? Die zählen bei der Wette nicht mit, sag ich. Trotzdem, sagt meine Mutter, ich sag 3. Gut, sagt mein Vater, ich auch. Ich sag leider 5, sag ich, ihr werdet euch noch wundern, wie viele heimliche Faschos in Darmstadt rumlaufen. 

Ich hab mal gerechnet, sagt mein Vater, deine Mama und ich kommen auf 71 Sitze, du nur auf 70. Echt, sag ich, dann geb ich meinen letzten der Partei-Partei, die haben so nen süßen Spitzenkandidaten. Stimmt, sagt meine Mutter, du hast dir schon als Kind immer einen Hund gewünscht.Jetzt tippen wir noch, sagt mein Vater, zu welcher Koalition das jeweils führt. Findest du nicht, sagt meine Mutter, wir lehnen uns schon jetzt ziemlich weit aus dem Fenster? Nö, sag ich. Du vielleicht, sagt mein Vater zu meiner Mutter, weil du die Wette verlierst. Und du sie nicht gewinnst, sag ich zu meinem Vater, aber Koalitionen tippen wir trotzdem nicht, meine Leser*innen können nämlich selber rechnen.

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