Innovative Gesprächsansätze

Darmstadt-Glosse #178 Juni 2023

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©Thea Nivea


Hi, ich bin Thea Nivea.

Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de

Wisst ihr eigentlich, sag ich, wie viel innovative Zukunftspower in Darmstadt steckt? Klar, sagt mein Vater, die wird jetzt mit dem Abtritt des grünen Großherzogs freigesetzt. Ach ja, sagt meine Mutter, und dein roter Stadtteilfürst machts möglich. Es ist mal gut jetzt, sag ich, am 25. Juni übernimmt Benz als OB, Ende Gelände, ein ganz normaler Vorgang in einer Demokratie. Stimmt, Demokratie, sagt mein Vater, das kann man nach 12 Jahren grüner Dynastie und Unterjochen schon mal vergessen. Dieses Wortspiel, sagt meine Mutter, ist wenig innovativ und hat hier nichts verloren. Sagt ein Mitglied der Partei der schlechten Verlierer, sagt mein Vater. 


Du entpuppst dich gerade, sag ich, als ganz schlechter Gewinner. Ich gestehe, sagt mein Vater, Partsch höchstselbst hat Hanno Benz als erfahrenen Politiker bezeichnet. Geht auch gar nicht anders, sagt meine Mutter, bei dem Papa. Auf Papa Peter, sagt mein Vater, lass ich nix kommen, mit ihm ist in den 90ern Leben in die Innenstadt gekommen, da war vorher außengastromäßig tote Hose, Marktplatz, Carree, darmstadtium, alles in seiner Zeit. Nicht zu vergessen, sag ich, das Schlossgrabenfest. Da Capo, sagt meine Mutter. Genau, sagt mein Vater, jetzt wiederholt sein Bub die Erfolgsgeschichte. Ich meinte das Varieté, sagt meine Mutter. 


Demokratiedynastisch, sagt mein Vater, haben die Benzens jetzt mit den Metzgers gleichgezogen, Ludwig und Günther, Peter und Hanno. Machen wir jetzt Vererbungsfolklore, fragt meine Mutter, ich dachte, es geht um Darmstadts Zukunftspower. Genau, sag ich, es geht um innovative Energiekonzepte, da spielt Darmstadt nämlich gerade in der ersten Liga. Die Sonne scheint, olé, olé, olá, fängt mein Vater an zu singen. Die Lilien, sag ich, sind in diesem Fall nicht gemeint, Papa. Mer derf sich awwer schon üwwer de Uffstiech freue, dialektet mein Vater. Sonst jederzeit, sag ich. Also, fragt meine Mutter, worum gehts?


Genau, sag ich, kommen wir …. Jetzt sagst du auch schon „genau“, unterbricht mich mein Vater. Jetzt lass sie doch mal, sagt meine Mutter. „Genau“ ist das neue „Ääh“, sagt mein Vater, immer, wenn man nicht weiter weiß, sagt man heute „genau“. Genau genommen, sag ich, ist „genau“ so ne Art Zäsurfloskel zur Überbrückung einer Gedankenlücke, weil man eigentlich gerade ungenau ist und sich mal sortieren muss, wie es weitergeht. Ganz genau, sagt mein Vater. Eigentlich, sag ich, hass ich das auch. Also, fragt meine Mutter, wie genau gehts jetzt weiter? 


Mit Kernfusion und Energiespeichern, sag ich. Aha, sagt mein Vater, Landtagswahlkampf. Mir gehts, sag ich, erstmal um die Sache selbst. Aber du weißt schon, sagt mein Vater, dass die Supernovas der CDU, Boris Landesvater Rhein und Friedrich Bundesnachwuchshoffnung Merz sich mal kurz in Darmstadt fusioniert haben, um sich ein bisschen im Lichte des Fortschritts zu sonnen? Ich blick nicht ganz durch, sagt meine Mutter, worum es im Kern gerade geht. Um die Fusion desselben, sagt mein Vater. „Ich blick nicht durch“, Mama, sag ich, war vor gefühlt 100 Jahren mal mein Spruch. 


Also gut, nächster Versuch, sagt meine Mutter. Genau, sag ich, in Darmstadt gibts zwei Start-ups, die gerade an entscheidenden Durchbrüchen in Sachen Energiegewinnung und -speicherung basteln. Das eine ist die Firma Focused Energy im Pallaswiesenviertel, die entwickeln Hochleistungslaser für die Verschmelzung von Wasserstoffatomen; wenn das serienreif wird, verspricht das ein unbegrenztes Energiepotenzial. 


Und die andere Firma, fragt meine Mutter. Das ist das TU-Darmstadt-Start-up „Hopes“, sag ich, die haben eine Methode entwickelt, bei der Windenergie in Salzwasser gespeichert werden kann. Da ist es ja schon fast uninteressant, sagt mein Vater, dass Darmstadt Modellregion für den Cannabis-Verkauf wird. Werden will, sagt meine Mutter. Innovationen über Innovationen, sagt mein Vater, Hindenburg heißt jetzt Fritz Bauer und Darmstadt hat mehr als 165.000 Einwohner. Innen, sagt meine Mutter. Außen auch, sagt mein Vater. Ich geb auf, sag ich, ich bin offenbar nicht innovativ genug, euch was zu erklären. Nicht uns, sagt meine Mutter, ihm. 
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