Lieber Fastnacht als Dunkeldeutschland

Darmstadt-Glosse #186 Februar 2024

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©Thea Nivea


Hi, ich bin Thea Nivea.

Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de

Ich geh als Arielle, seufzt meine Mutter. Sehr gut, sag ich, Meerjungfrauen sind dieses Jahr angesagt. Und du, fragt meine Mutter meinen Vater. Nix, sagt mein Vater, Anzug und Kappe, ist schließlich en Kappeabend. Große Damen- und Herrensitzung, sag ich, mehr Respekt, bitte. Wo bleibt dein Humor, fragt mein Vater. Fastnacht hat nix mit Humor zu tun, sagt meine Mutter. Früher hast du da wenigstens getanzt, sagt mein Vater.

Wir gehen da hin, sag ich, abgemacht ist abgemacht, am Valentinstag ist eh alles vorbei. Ich dachte, sagt meine Mutter, Mittwoch, nicht Dienstag. Holla, sagt mein Vater, ein Wortspielversuch. Nicht so elegant, sag ich, aber passend, dieses Jahr fallen nämlich Aschermittwoch und Valentinstag zusammen. Blumen und Asche, sagt mein Vater, da bin ich gedanklich bei Beerdigung. Passt ja, sag ich, dieses Jahr wird die Fastnacht auch nur 94 Tage alt.

Das Gute an Fastnacht, sagt mein Vater, ist, dass sie irgendwann vorbei ist. Im Gegensatz zum Faschismus, sagt meine Mutter. Echt harter Cut, sagt mein Vater, und eine harte Wahrheit. Ich mach mir richtig Sorgen, sagt meine Mutter. Mir machen die Demos eher Mut, sag ich, viele Menschen haben kapiert, dass man jetzt ein Zeichen setzen muss gegen Rechts und die Faschisten von der AfD.

Das sehen nicht alle so, sagt meine Mutter. Reg dich nicht so auf, sagt mein Vater, der war schon immer ein Arsch. Wovon redet ihr, frag ich. Hier, lies mal, sagt meine Mutter. Ach der, sag ich, Mama, vergiss es. So Sätze sind doch das Hinterletzte, sagt meine Mutter: Die Demonstrationen nutzen nur der AfD, wir Demonstrierenden machen uns mit der Ampel gemein … Und danach vor dem Spiegel, sagt mein Vater, da … Papa, sag ich, lass es. Das kannst du doch nicht ignorieren, sagt meine Mutter, was da auf Facebook abgeht, antworte dem doch mal, du kannst doch gut schreiben.

Ich diskutiere nicht auf der Metaebene, sag ich. Brilliantes Wortspiel, sagt mein Vater. Narzissten, Mama, sag ich, straft man durch Nichtbeachtung. Das ist der nächste Nachrücker auf der CDU-Liste für die Stavo, sagt meine Mutter. Das weiß die CDU auch, sagt mein Vater. Cut, sag ich, anderes Thema. Ich geh jedenfalls nicht mehr in seine Bar, sagt meine Mutter, und ihr auch nicht. Kein Problem für mich, sagt mein Vater. Bei mir, sag ich, wär der Boykott wirkungslos, ich bin da noch nie hin, der war mir schon damals als Kellerlochnachbar meiner Glosse suspekt.

Ein Dunkeldeutschländer eben, sagt meine Mutter. Schluss jetzt, sag ich, 2035 soll es über 177.000 Darmstädter:innen geben. Dann ist er, sagt meine Mutter, vielleicht schon gar nicht mehr dabei. Der OB, sag ich, möchte die Debatte, wie die Stadt wachsen soll, am Leben erhalten. Also gut, sagt meine Mutter, die These, dass weiterer Wohnungsbau nicht zu  geringeren Mieten führt, ist aber zumindest umstritten. Es ziehen halt auch ziemlich viele von auswärts in diese Wohnungen, sagt mein Vater. Kein Wohnungsbau, sag ich, ist allerdings auch keine Lösung, viele junge Familien weichen schon jetzt ins Umland aus. Weil, sagt meine Mutter, sie sich hier die Mieten nicht mehr leisten können.

Hoffentlich gehen die Zinsen schnell wieder runter, sag ich. Willst du, sagt mein Vater, die kleinen Leute weiter entsparen, die sich vor Jahren eine Lebensversicherung aufschwätzen ließen, die jetzt inflationsbereinigt weniger Wert ist, als sie eingezahlt haben? Nein, sag ich, ich denke an viele meiner Leute, die sich wg. der teuren Miete eine Wohnung gekauft, mit 1 Prozent finanziert haben und demnächst das Vierfache zahlen sollen, plus mega Nebenkosten.

Dunkle Zeiten auch da, sagt meine Mutter, gibts denn nicht irgendwo noch ein bisschen Licht? Wir haben eine neue Landesregierung, sagt mein Vater. Die allen Kindern, sag ich, wieder die Flötentöne beibringen will. Verstehe wer will, sagt meine Mutter, warum Blockflötenunterricht der CDU so wichtig ist. Wahrung der Tradition, sagt mein Vater. Welche Tradition, fragt meine Mutter. Als Blockflöten-Partei in der DDR, sagt mein Vater, damals, im richtigen Dunkeldeutschland. Da ist mir, sag ich, fast Nacht in der heutigen BRD wesentlich lieber.
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