No Notstand?

Darmstadt-Glosse #133 September 2019

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©Thea Nivea

Hi, ich bin Thea Nivea

Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de


Der Begriff Klimanotstand ist nicht zielführend, sagt meine Mutter. Aha, sagt mein Vater, Klimawohlstand wohl eher auch nicht, oder? Klimachaos würde ich sagen, sag ich, aber die Hauptfrage ist doch: Wer hats verschuldet? Man sollte, sagt mein Vater, das Klimawandelleugnen genauso unter Strafe stellen, wie das Leugnen des Holocausts. Kommt zwar in der Regel aus derselben Ecke, sag ich, den Vergleich halt ich trotzdem für sehr fragwürdig. Wichtig ist jedenfalls, sagt meine Mutter, dass Darmstadt die Ursache als menschengemacht anerkennt.

Für den Darmstädter Wald ist jedenfalls jetzt schon Notstand, sag ich. Für die Grube Prinz von Hessen auch, sagt meine Mutter. Dass da Ytong seit 1967 kostenlos Wasser zapft, sag ich, ist schlicht ein Skandal. Aber offenbar geltendes Recht, sagt mein Vater, und einen Vorteil hat der gesunkene Wasserspiegel ja schon. Welchen, fragt meine Mutter. Mehr Liegeflächen, sagt mein Vater. Extrem witzig, sag ich. Immerhin hat man im RP jetzt wohl die Verträge von damals gefunden, sagt mein Vater. Schon mal die erste Voraussetzung, sagt meine Mutter, um zu kündigen. Plan A also, fragt mein Vater. Genau, sagt meine Mutter, und einen Plan B gibt es nicht. Warum, fragt mein Vater.

Weil es keinen Planeten B gibt, sag ich, trotzdem leben wir seit dem 29. Juli so, als ob wir eine zweite Erde hätten. Ich weiß, sagt meine Mutter, der Erdüberlastungstag kommt jedes Jahr früher. Letztes Jahr, sag ich, wars noch der 1. August. Wir brauchen die Klimawende, sagt meine Mutter. Und wie kommt die, fragt mein Vater. Wir müssen Anreize setzen, sagt meine Mutter. Von mir aus auch das, sag ich, aber ohne Verbote geht nix mehr. Welche, fragt meine Mutter. SUVs, Inlandflüge, Fleisch, sag ich. Fleisch, fragt mein Vater. Klar, sag ich, zur Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch braucht man so viel Wasser wie für ein Jahr Duschen.

Nur noch Vegetarier oder Veganer dürfen im Woog baden, sagt mein Vater. Beziehungsweise Duschen, sag ich, weils da zu wenig Zufluss gibt. Im Ruthsenbach ist leider auch schon Wassernotstand, sagt meine Mutter. Und für den Meiereibach wäre die Abschaffung der Kühe am Oberfeld eine mega Perspektive, sag ich, schließlich entspringt der da sogar. Wieviel Kilogramm Rindfleisch hat so ne Kuh, fragt mein Vater. Ihr gleitet ab, sagt meine Mutter, bleibt doch bitte ein Mal ernsthaft. Ist eigentlich Pinkeln in den Woog erlaubt, fragt mein Vater, ich meine, um den Wasserstand zu halten? Verstehst du das unter ernsthaft, fragt meine Mutter.

Toilettenhinweisschilder gegen Wildpinkler, sagt mein Vater, das kann ja wohl allen Ernstes auch nicht ernst gemeint sein. Anreize schaffen halt, sag ich, statt Verbote. Bei echtem Notstand, sagt mein Vater, helfen weder Anreize noch Verbote. Vor allem im fortgeschrittenen Mannesalter, sagt meine Mutter. Apropos alte Männer, frag ich, was hilft eigentlich gegen die AfD, Anreize oder Verbote? Notstandsgesetze, sagt mein Vater, oder Thilo Sarrazin als Spitzenkandidat, um im Osten Anreize zu schaffen, SPD zu wählen. Zu spät, sagt meine Mutter, und eine sehr bescheuerte Idee. Apropos Scheuer, sagt mein Vater.

Der personifizierte Notstand im Verkehrsministerium, sag ich, ich wär dafür, dass auch Bobby-Cars die Busspur benutzen dürfen, nicht nur E-Scooter. Oder die Rheinstraße, sagt mein Vater, die gibts wenigstens schon, im Gegensatz zur Busspur auf der B 26. Das wird mit dem neuen Mobilitätsamt jetzt alles besser, sagt meine Mutter. Genau, sagt mein Vater, dann wird das 100-jährige Planungsrecht dort endlich umgesetzt. Du musst nicht alles glauben, sagt meine Mutter, was dein Vorsitzender Tim Huß so alles herausfindet. Gut, sagt mein Vater, dann baut das Mobiltätsamt eben als erstes das Nordbahnhofsgebäude zur Seilbahnstation aus.

So doof ist die Amtsidee gar nicht, sag ich, mit klassischen Zuschnitten kommst du jedenfalls nicht weiter. Was eher in der Natur der Ämter liegt, sagt mein Vater, als im Zuschnitt. Einen Ämternotstand haben wir jedenfalls noch nicht, sag ich. Schon eher, sagt mein Vater, unsere Not mit Ämtern.
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