„Ich möchte das machen, so gut ich es kann.“

Die Roßdörfer Bürgermeisterin Christel Sprößler ist die Kandidatin der SPD für den Wahlkreis 186.

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©Klaus Mai

FRIZZmag: Frau Sprößler, was wäre aus Ihnen geworden, wenn Sie nicht so frühzeitig in die Politik gegangen wären?

Christel Sprößler: Ich habe ja BWL studiert und danach bei der Condor angefangen, war dann dort in einem Förderprogramm zur Vorbereitung auf eine Direktorenlaufbahn, also ich wäre wahrscheinlich in der Touristikbranche geblieben und hätte Werbung und Marketing für Tourismusunternehmen gemacht.

Mit Ihrem Bundestagsmandat könnte es ja auch klappen, falls Sie nicht direkt gewählt werden, Sie sind ja mit Platz 12 auf der SPD-Landesliste ganz gut abgesichert. Warum sollte man Sie trotzdem als Direktkandidatin wählen?

Ist gibt natürlich viele inhaltliche Argumente, mich zu wählen. Aber es hat auch einen hohen Stellenwert in Berlin, das hat mir Brigitte Zypries eindeutig bestätigt, den Wahlkreis direkt gewonnen zu haben. Das gibt einen gewissen Schwung und sorgt dafür, dass man in der Fraktion mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein auftreten kann. Ich möchte die Bundespolitik hier im Wahlkreis mit meinem Gesicht vertreten, ich möchte, dass die Bürger wissen, aha, das ist die Frau die wir für unsere Region in den Bundestag geschickt haben. Ich möchte diese Legitimation haben, ähnlich wie bei einer Bürgermeisterwahl.

Gutes Stichwort. Als  Bürgermeisterin sind Sie so ein bisschen ein „Local Hero“ und haben direkten Einfluss. Jetzt tauschen Sie das mit einem eher Nobody-Hinterbänkler-Status mit nur mittelbarem Einfluss. Warum?

Ja, ich bin gewohnt, kleine Dinge alleine zu entscheiden, also, es wird eine Umstellung. Ich habe allerdings nicht das Motiv, als Hinterbänklerin in Berlin zu sitzen, die Idee kam mir ehrlich gesagt noch gar nicht, obwohl es am Anfang sicherlich so sein wird. Es ist doch auch mal wieder toll, in einem neuen Wirkungskreis zu versuchen sich zu behaupten, sich ganz neue Dinge zu erschließen. Ich bin super gerne Bürgermeisterin, ich liebe mein Rathaus, meine Kollegen, mein Amt und alles, was dazu gehört. Aber, ich bin hier nie privat. Das ist in 90% der Fälle kein Problem für mich, weil die Leute auf mich in aller Regel positiv reagieren. Doch, nicht ständig unter Beobachtung zu stehen, das ist für mich schon eine Motivation. Und ich werde nicht mehr für alles persönlich verantwortlich gemacht, die Entscheidungen in Berlin werden zwar größer, weitreichender sein und mehr Menschen betreffen, aber ich treffe sie nicht mehr alleine.

Als Bürgermeisterin sind Sie ja zwangsläufig Allrounderin, wenn Sie jetzt abgeben und teilen können, was werden Ihre inhaltlichen Schwerpunkte sein?

Also, das ist in der Fraktion ja kein Wunschkonzert …

Aber wenn es eins wäre?

Ich würde mich gerne um Familienpolitik kümmern, da hab ich eine gewisse Kompetenz nachzuweisen. Ich bin ganz sicher im Bereich der Kommunalfinanzen jemand, mit dem man gut reden kann. In der europäischen und außereuropäischen Außenpolitik würde ich mich gerne engagieren. Mich interessiert auch die Digitalisierung, das würde natürlich super passen, Luft- und Raumfahrt, Tourismus, also, es gibt viele Punkte, wo ich anknüpfen könnte. Nur wenn es zu sehr juristisch wird, da bin ich nicht die richtige Ansprechpartnerin.

Was darf trotz Bundestagsmandat an persönlichen Hobbys nicht zu kurz kommen?

Ich verbringe jede freie Minute mit meiner Familie, ist das ein Hobby? Diese Zeit lasse ich mir auch nicht nehmen, die ist immer fest eingeplant. Wenn mir noch Zeit bleibt, mache ich Pilates und Gymnastik. Und ich bin Musikerin, ich spiele Akkordeon und Klavier. Ich hab ein ganz tolles E-Piano, das man auch mal spielen kann, wenn das Kind im Bett ist. Und das Beste ist, ich kann mit meinem uralten IPad den Robbie Williams dazu singen lassen. Oder Frank Sinatra, wenn er „My Way“ schmachtet und ich begleite ihn am Klavier, das entspannt mich sehr.

Sie bleiben weiterhin hier wohnen?

Ja. Ich will hier nicht weg und, selbst wenn ich wollte, ich könnte hier auch nicht weg. Und ich will ja auch mit der Region in Kontakt bleiben, ich werde in den sitzungsfreien Wochen hier im Wahlkreis sein, in den Sitzungswochen in Berlin. Das bedeutet: kleine Wohnung in Berlin, zu Hause hier in Gundernhausen-Roßdorf.

Welche persönlichen Perspektiven könnten sich für Sie mit einem Wechsel nach Berlin eröffnen, außer der gewonnenen „Anonymität“?

Ich denke, es gibt für unsere ganze Familie noch mal eine Horizonterweiterung. Ich war zehn Jahre bei der Condor und habe alle Zielgebiete in ganz Europa, zu denen die Condor geflogen ist, betreut. Dann kam ich nach Roßdorf, und es war schön. Es hat sich alles ein bisschen verkleinert, es war intimer, ich konnte mit dem Fahrrad in zehn Minuten ins Rathaus fahren, alles super. Und jetzt hab ich Lust darauf, was Neues zu erleben, neue Impulse zu bekommen.

Gibts denn was, worauf Sie sich besonders freuen, gibts Lieblingsorte in Berlin?

Ich hoffe, dass mein neues Zuhause in Berlin-Wedding ein Lieblingsort wird. Für meine Tochter Charlotte ist es das Brandenburger Tor und mir gefällt einfach das ganze hauptstädtische Flair. Das Leben darf ja auch nicht zu kurz kommen.

Welche politische Farbkombination bevorzugen Sie denn?

Die SPD hält sich da alles offen, das ist ein Vorteil gegenüber früheren Wahlen, wo wir Alternativen ausgeschlossen hatten, zu denen wir uns dann hinterher hinreißen ließen oder gezwungen wurden. Deshalb bin ich ein totaler Gegner davon, im Vorhinein Koalitionsaussagen zu treffen. Ich kämpfe für die Ziele der SPD, ganz einfach. Und nach der Wahl muss sich die SPD hinsetzen und gucken, mit welchen Parteien wir die größte Übereinstimmung haben.

Wie, glauben Sie, können Sie in Berlin konkret Wirkung erzielen für Ihren Wahlkreis oder Ihre Heimatgemeinde?

Es gibt viele bundespolitische Themen, die hier auf die Region Auswirkung haben, der Bundesverkehrswegplan z.B. .  Oder die BIMA, die Konversionsflächen zu Höchstpreisen verkauft, während wir hier um günstige Grundstücke ringen, damit wir bezahlbaren Wohnraum realisieren können. Oder der ÖPNV. Oder das Kooperationsverbote an Schulen, es wäre wichtig, dass der Bund hier stärker einsteigen und investieren kann. Es gibt also vielfältige Möglichkeiten, wie sich durch Entscheidungen auf Bundesebene auch hier wieder Dinge ändern können.

Was ist in vier Jahren durch Sie im Wahlkreis 186 besser, anders geworden?

Ich kann mir schon vorstellen, dass ich die Dinge, die mir wichtig sind, in der Fraktion vortragen und Einfluss nehmen konnte. Aber was das konkret in vier Jahren gewesen sein wird, das ist von so vielen Faktoren abhängig, das lass ich dann lieber auf mich zukommen.

Sie sind jetzt 48, also drei bis vier Wahlperioden sind schon drin, oder?

Schaun mer mal, ich hoffe doch, dass das keine Eintagsfliege ist.

Es gibt ja Menschen, die haben ganz klare Karriereziele …

Also, ich habe keinen strategischen Karriereplan, aber es entwickelt sich ja vieles. Ich schließe für mich keine Perspektive aus, ich bin aber auch nicht angetreten mit dem Ziel, dass ich in vier Jahren Staatssekretärin, in acht Jahren Ministerin und in zwölf Jahren Bundeskanzlerin bin. Ich kandidiere für den Bundestag, ich möchte das jetzt machen und ich möchte es machen, so gut ich es eben kann.

Dann alles Gute dafür und vielen Dank für das Gespräch.

Christel Sprößler, * 9. März 1968 in Frankfurt, studierte nach dem Abitur an der Alfred-Delp-Schule in Dieburg Betriebswirtschaft in Bamberg und Frankfurt und schloss ihr Studium 1993 als Diplom-Kauffrau ab. In den folgenden zehn Jahren war sie als Abteilungsleiterin Marketingservices bei der Condor Flugdienst GmbH/Thomas Cook AG beschäftigt, bis sie 2003 zur Bürgermeisterin der Gemeinde Roßdorf gewählt wurde. 2009 und 2015 erfolgte jeweils ihre Wiederwahl. 1994 trat sie in die SPD ein, gehörte von 1997-2003 der Gemeindevertretung Roßdorf an, ist seit 2006 Mitglied des Kreistags Darmstadt-Dieburg und seit 2015 Beisitzerin im Landesvorstand der SPD-Hessen. Christel Sprößler ist verheiratet und hat eine 10jährige Tochter.

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