Wer wählt, gewinnt!

Eine Analyse der OB-Wahl von Thea Nivea

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©Klaus Mai

„Die Wahlbeteiligung ist sicher keine Sternstunde für die Demokratie.“ Niemand wird Kerstin Lau da widersprechen. Keine Sternstunde war der Wahlabend auch für die unterlegenen OB–Kandidaten.

Thorsten Pryzgoda (0,6%), für den Politik bis vor kurzem nie ein Thema war, hat lernen müssen, dass politisches Engagement nicht unbedingt mit einer Kandidatur zum OB-Amt beginnen muss - und engagiert sich vielleicht weiter.

Achim Pfeffer (1,9%) macht ganz sicher weiter, sicher nicht mehr in der SPD, aber als Bezirksverwalter in Eberstadt, wo ihn immerhin 6,1% gewählt haben.

Helmut Kletts Ergebnis (4,2%) sollte für ihn genug Genugtuung sein, es bei seiner dreimaligen Kandidatur zu belassen. In Arheilgen und der Uwiga wird er als Genau-Hingucker gebraucht, der ALDI bürgerfernen Magistratsentscheidungen beMERCKt, die sonst geräuschlos umgesetzt worden wären.

Gebraucht wird auch Uli Franke (4,3%), der, obwohl schwer erkrankt, mit Hilfe seiner linken Genossen den Wahl-Kampf pflichterfüllend durchgezogen hat, Respekt! Wenn Christoph Hentzen (5,6%) Zufriedenheit bekundet, ist das schon irritierend, schließlich hat er sein Ziel, den Amtsinhaber „aus dem Rathaus zu putzen“, krachend verfehlt. Nur im Wahlbezirk, in dem der wohnt, ist es ihm gelungen (17,1%), ein paar kandidatenlose CDU-Stammwähler zum Wechsel zu bewegen.

Zu Mohrmann (4,0%) sind sie nicht gewechselt, dessen Ansichten waren selbst der AfD zu gruselig, aus der er inzwischen ausgetreten ist. Er und die AfD zerlegen sich derzeit gegenseitig, mehr als halbiert wurden sie bereits vom Wähler (Wählerinnen dieser Partei gibt’s kaum).

Auch Michael Siebel (16,7%) hätte gerne vom CDU-Kandidaten-Vakuum profitiert. Oder vom Schulz-Hype. Beides ist ihm nicht gelungen, obwohl sein Wahlkampfauftritt quantitativ und qualitativ Bestnoten verdient. Sein Ergebnis downt sogar die Kommunalwahlausbeute im letzten Jahr, die SPD in Darmstadt scheint immer noch an vielem Schuld zu sein. Folge einer anderen Art Schulzzuweisung ist der bundesweite Aufschwung der SPD. Nicht, weil Schulz in der SPD ist, sondern weil die SPD derzeit fast nur noch Schulz ist, hypet sie. Das half, obwohl Schulz DA war, nichts, weil Martin Schulz und Michael Siebel aus Sicht der Wähler offenbar nicht viel mehr als ihre Initialen gemeinsam haben. Auch dort, wo die SPD noch nennenswert vorkommt, in den nördlichen Stadtteilen und im Westen Darmstadts, dominiert der grüne OB nicht absolut, aber immer noch mit doppelter Wählergunst.

Jochen Partschs Triumph (50,4%) ist auch deshalb so deutlich ausgefallen, weil er nicht nur bei den Jüngeren in den grünen Hochburgen des Martins- und Johannesviertel punktete, sondern auch bei den Älteren im schwarzen Darmstädter Osten. Und weil er eben ein „Typ“ ist, dem die Blutarmut seines bundesweiten Spitzenduos im gleichen Maße abgeht, wie dem Darmstädter Heiner das Woogswasser, wenn der Sanierungszeitplan nicht hinhaut. Aus diesem Fehler sollte Partsch nach 100 Tagen seiner zweiten Amtszeit tunlichst nicht lernen müssen.

Kerstin Laus Ergebnis (12,4%) ist mehr, als sie zunächst, und weniger, als sie zuletzt erhofft hat, insgesamt aber mehr als beachtlich. Ihr Erfolg adelt den des OBs insofern, als sie auch von Denkzettel verteilenden Partsch-Sympathisanten gewählt wurde. Nicht auszudenken, wie langweilig Wahlkampf und Wahlabend verlaufen wäre, hätte Kerstin Lau nicht kandidiert. Die UFFBASSE-Kandidatin ist die einzige Wahlgewinnerin neben dem siegreichen OB. Selbst wenn sie die OB-Wahl nicht als Sternstunde ansieht, als Fixstern am politischen Darmstadt-Himmel strahlt sie heller denn je.

Bleibt die Wahlbeteiligung (43,9%). „Da müssen wir alle mehr tun“, fordert Kerstin Lau, auch da widerspricht ihr niemand. Ganz so schlecht schneidet Darmstadt in der Relation nicht ab: Die OB-Wahl in Kassel zwei Wochen zuvor motivierte 36,7% zum Urnengang, die Landratswahl in Darmstadt-Dieburg vor zwei Jahren gerade mal 29,2%.

Auch, wenn viele „nur“ deshalb nicht wählen gegangen sind, weil für sie der Ausgang schon fest stand: Nicht wählen zu gehen heißt, auf ein demokratisches Grundrecht leichtfertig zu verzichten, und das kann gründlich schief gehen.

40% der „aktiven“ Wählerinnen und Wähler am 19. März waren über 60 Jahre alt. Ihr Anteil an der wahlberechtigten Bevölkerung liegt bei 20%, sie haben damit ihren Einfluss verdoppelt. Zwei Drittel der jungen Generation (18-34 Jahre) sind zu Hause geblieben und überließen das Wählen Mama, Papa, Opa und Oma. Das muss in Zukunft anders werden.

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