„Darmstadt ist meine zweite Heimat geworden.“

FRIZZmag im Gespräch mit Lilien-Verteidiger Sandro Sirigu

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© Benjamin Metz

Seit 2013 ist der aus Ulm stammende Abwehrspieler Sandro Sirigu beim SV Darmstadt 98 unter Vertrag und durfte den unglaublichen Durchmarsch von der dritten in die erste Bundelisga hautnah miterleben. Eine Zeit, die Sirigu bis heute trägt und optimistisch in die Zukunft blicken lässt, weshalb es auch kaum verwundert, dass er den Klassenerhalt der Lilien für diese Saison noch lange nicht aufgegeben hat. FRIZZ traf Sandro Sirigu zum Gespräch.

FRIZZ: Die Saison ist für dich persönlich mit einem echten Highlight gestartet: Am 2. Spieltag hast du beim Derby gegen Eintracht Frankfurt den Siegtreffer geschossen. Dein erstes Bundesliga-Tor. Wie hat sich das angefühlt?

Sandro Sirigu: An dem Tag hatte ich mich zunächst mal gefreut, dass ich überhaupt spielen durfte. Das war ja in der Saison vorher nicht immer so. Dass es dann auch noch mit einem Tor geklappt hat, vor allem zuhause beim Derby gegen die Eintracht, das war echt unbeschreiblich! Ich habe das aber erst später in der Kabine so richtig realisiert, als ich die ganzen Glückwünsche gelesen habe. Das war dann noch mal ein echter Gänsehautmoment.

Auch wenn der SVD eine eher „durchwachsene“ Spielzeit erlebt, ist diese Saison für dich ein voller Erfolge. Du bist in der Stammelf und laut Transfermarkt.de bist du gefragt wie nie. Eine paradoxe Situation, oder?

Ja, deshalb erlebe ich die Zeit momentan mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Aber, offen gesagt, ich würde lieber weniger spielen, wenn wir dafür öfter gewinnen und besser dastehen könnten. Wir sind einfach ein Team und jeder einzelne fühlt sich besser, wenn es der Mannschaft und dem Verein gut geht. Klar, es freut mich natürlich, dass mir der Trainer das Vertrauen schenkt, und ich in der Bundesliga so viel spielen darf. Aber ich wäre gerne bereit, auf einiges zu verzichten, wenn wir dafür über dem Strich stehen würden.

Nach dem Sieg gegen die Eintracht in der Hinrunde hat der SVD mit dem gewonnenen Spiel gegen Borussia Dortmund überrascht. Wie kommt es eigentlich, dass der SVD die vermeintlich „unschaffbaren“ Spiele gewinnt und bei Partien wie gegen Bremen trotz sehr guter Leistung einfach nicht gewinnen will?

Da kommt einiges zusammen, denke ich. Der Trainerwechsel hat aber auf jeden Fall viel bewegt. Da ist noch mal ein richtiger Ruck durch die Mannschaft gegangen. Und auch beim Umfeld ist das angekommen. Wir sind auf Kurs und lassen die alten Tugenden wieder aufleben, aber es dauert halt seine Zeit, bis sich das Ganze dreht. Dass es dann schon gegen Dortmund geklappt hat, ist eher schwer vorhersehbar gewesen. Wir hätten an dem Tag aber wohl jede Mannschaft geschlagen, weil wir gallig waren, unbedingt gewinnen wollten und einfach alles gepasst hat. Wir haben die Philosophie des Trainers in diesem Spiel komplett umgesetzt. Und wenn dann eine Mannschaft wie Borussia Dortmund nicht die hundert Prozent liefert, die es braucht, dann schlagen wir die an so einem Tag auch.

Die Mannschaft lässt sich ja auch trotz der Niederlagen nicht unterkriegen. Das Motto „Du musst kämpfen“ steht klar im Vordergrund. Das hat man ganz stark beim Spiel gegen Mainz gespürt, das zugleich auch ein Gedenken an den Initiator Jonathan Heimes, der vor einem Jahr gestorben ist. Wie war der Tag für euch? Im Team sind ja auch viele neue Spieler, die Johnny nicht mehr kennen gelernt haben.

Der Tag war auf jeden Fall für das ganze Team etwas Besonderes. Ich denke jeder von uns hatte die ganzen schönen Momente, die wir mit Johnny erleben durften, im Gedächtnis. Die Aufstiege, all unsere Erfolge und auch die Gespräche mit ihm. Das waren sehr gemischte Gefühle. Natürlich die Trauer, weil er nicht mehr bei uns ist und den Kampf am Ende verloren hat. Andererseits hat uns der Tag und die Erinnerung an ihn wieder sehr viel Mut gegeben, weiter zu kämpfen und nicht aufzugeben. Man darf nie vergessen, wie viel Stärke Johnny immer gezeigt hat und wie vielen Leuten er damit Mut gemacht hat. Der Trainer hat sich intensiv mit Johnny auseinandergesetzt und auch die neuen Spieler tragen alle das „Du musst kämpfen“-Bändchen und haben seine Einstellung verinnerlicht.

Du hattest auch persönlich eine enge Beziehung zu Johnny. Welche Erinnerungen hast Du an ihn? Was hast du für dich aus dieser Freundschaft mitgenommen?

Wir haben uns oft bei den Heimspielen getroffen und unterhalten und mich hat von Anfang an unglaublich beeindruckt, dass er nie seine Lebensfreude verloren hat, egal, wie schlecht es ihm auch gegangen ist. Man hat mitunter gemerkt, dass es ihn große Kraft gekostet hat, ins Stadion zu kommen. Aber man hat eben immer auch gespürt, dass er in diesen Momenten sehr glücklich war. Er war einfach am Strahlen und wenn man mit ihm gesprochen hat, hat man Gänsehaut bekommen. Ich habe aus diesen Treffen persönlich viel mitnehmen können: Sich die Lebensfreude zu bewahren oder, dass es sich immer lohnt, zu kämpfen und nie aufzugeben, dass man sich nicht dem Schicksal einfach so ergeben sollte. Diese Einstellung hilft einem sehr gut auf dem Platz und sie ist auch eine gute Orientierung für das alltägliche Leben.

Der sensationelle Durchmarsch der Lilien von der 3. in die 1. Liga gilt vielen als „Wunder von Darmstadt“. Du hast diese Zeit komplett miterlebt. Wie blickst Du auf die vergangenen Jahre beim SVD zurück?

Das ist wie ein Traum. Es gibt kaum einen Tag, an dem ich das Thema nicht mit meinem Vater aufgreife. Er sagt dann gerne: „Schau mal, wo du noch vor drei Jahren warst. Hättest du gedacht, dass ihr mal so weit kommen würdet?“ Natürlich war der Traum von der Bundesliga schon immer da. Aber ich hatte überhaupt keine genaue Idee, dass sich meine Karriere in diese Richtung entwickeln würde. Das ist einfach eine unglaubliche Story, die ich noch meinen Enkelkindern erzählen werde. Egal, wie oft ich an diese Zeit denke, es ist immer wieder wunderbar. Die Lilien und ich, das hat einfach gepasst.

Seit einigen Jahren hast du auch eine Wohnung in Darmstadt. Bist du hier mittlerweile auch privat heimisch geworden?

In der Anfangszeit hatte ich schon etwas Sehnsucht nach meiner Familie und meinen Freunden in Ulm, das ist ja auch normal, denke ich. Allerdings bin ich hier sehr toll aufgenommen worden und habe mich schnell in alles eingefunden. Wir sind mit der Mannschaft oft gemeinsam Essen gewesen und dadurch habe ich auch in kurzer Zeit die Stadt kennengelernt. Mittlerweile ist meine Freundin hierher zu mir gezogen und wir schlagen so langsam Wurzeln. Ich kann also durchaus sagen, dass Darmstadt meine zweite Heimat geworden ist. Ich bin hier voll und ganz angekommen und fühle mich pudelwohl.

Deutlicher Beleg hierfür war deine vorzeitige Vertragsverlängerung bis 2018, die du im Juli unterschrieben hast. Allerdings war die Stimmung im Sommer ja nicht sehr euphorisch – Schuster weg, Spieler weg, neuer Trainer.

Mag sein. Dennoch hat mir der SV Darmstadt so viel gegeben, dass ich natürlich zu ihm stehe und auch gerne etwas zurückgeben möchte. Und wenn der Verein auf mich zukommt und vorzeitig verlängern möchte, sehe ich das erst mal als große Ehre für mich an. Mich freut es sehr, dass ich hier mindestens noch ein Jahr dranhängen darf.

Mit dem Spiel gegen Borussia Mönchengladbach endet am 20.05. die Saison. Auf welchem Tabellenplatz siehst Du die Lilien dann?

Ich hoffe weiter auf einen Tabellenplatz, der es uns auch noch im kommenden Jahr ermöglicht Bundesliga zu spielen. Da muss ich nur auf mein Bändchen schauen: Wir werden definitiv bis zum letzten Spieltag alles geben, darauf können sich alle Fans verlassen!

Weitere Infos:

www.sv98.de

www.facebook.com/SVDarmstadt1898eV

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