„Es gibt keine Sonnenkönige bei uns“

FRIZZ – Das Magazin im Gespräch mit SVD-Vizepräsident Markus Pfitzner

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© Benjamin Metz

Bereits seit frühester Jugend ist Markus Pfitzner begeisterter Anhänger des SV Darmstadt 98. Seine Leidenschaft hat den Darmstädter schließlich gar ins Lilien-Präsidium befördert - seit 2010 ist der Marketing-Profi Vize-Präsident des SVD und zeichnet für die Bereiche Marketing und PR verantwortlich. FRIZZ Redakteur Benjamin Metz traf Markus Pfitzner zum Gespräch und sprach mit ihm über den großen Erfolg der Lilien in den vergangenen Jahren, alte Traditionen und neue Perspektiven.

FRIZZ: Am 14.05. endet die erste Bundesliga-Saison der Lilien seit 33 Jahren. Zu Beginn der Spielzeit waren sich viele Fachleute sicher, dass die Lilien direkt wieder absteigen werden. Doch bis dato hat die Mannschaft zu keinem Zeitpunkt auf einem Abstiegsplatz gestanden und dürfte wohl sogar den Klassenerhalt schaffen. Hand aufs Herz – hättest Du mit so einer Saison gerechnet?

Markus Pfitzner: Diese Entwicklung war zumindest vor der Saison nur sehr schwer abzusehen. Wir haben natürlich immer darauf vertraut, dass unsere Trainer wieder ein sehr gutes Händchen haben werden. Wir hätten am Anfang der Saison sicher nicht gedacht, dass wir zum Teil so spektakulär punkten und wenn wir am letzten Spieltag immer noch drin bleiben können, wäre das ein Riesenerfolg, keine Frage. Es sieht ja ganz gut aus, momentan, aber noch haben wir das Ziel nicht erreicht, und das ist ja auch das Gute bei uns: Dass wir cool bleiben, die Ruhe bewahren und immer einen Schritt nach dem anderen machen und nicht zuviel nach links und nach rechts schauen. 

FRIZZ: Wo liegen Deiner Meinung nach die Gründe für den enormen Erfolg der Lilien?

Markus Pfitzner: Zunächst einmal ist das Trainer-Team in vorderster Reihe für diesen sportlichen Erfolg verantwortlich. Die haben über die Jahre eine funktionierende Mannschaft aufgebaut, ihre klare Linie durchgezogen und sie schaffen es, die Spieler immer wieder zu begeistern. Ihnen gelingt es es, den Spielern zu vermitteln, was Darmstadt 98 so besonders macht – das Offene, Familiäre, Bodenständige. Wovon die Anderen immer nur sprechen, wird hier gelebt: Für einander im Team da sein! Diese Maxime versuchen wir stets auch im ganzen Verein und im Präsidium mitzutragen. Wir reden offen und direkt miteinander und das spart uns sehr viel Energie, die wir in andere, wichtige Dinge stecken können. Wir haben alle unglaublich viel Bock, diese Geschichte gemeinsam weiter voranzubringen und das geht nur Miteinander im Team. Es gibt keine Sonnenkönige bei uns! 

FRIZZ: Die Lilien begeistern mittlerweile Fußball-Fans in ganz Deutschland. Wie erklärst Du Dir diesen bundesweiten Lilien-Hype?

Markus Pfitzner: Interessantes Thema. Wir bekommen das ja auch über die ganzen Fanforen der anderen Vereine mit. Die Fans haben sehr viel Lust, hierher zu kommen und bei uns eine gute Zeit zu verbringen. Das ist natürlich ein schöner Teil unserer aktuellen Geschichte. Man ist hier einfach näher dran an allem und hier läuft eben auch vieles anders. Das erinnert die Fans anderer Vereine an frühere Zeiten. Da spielt sicher auch etwas Nostalgisches mit rein. Doch es ist für uns auch ganz klar, dass wir uns darauf nicht ausruhen können und uns auch verändern müssen. Wir können mit dieser „Oldschool-Nummer“ nicht alt werden, sondern müssen uns natürlich weiterentwickeln. 

FRIZZ: Zu Beginn der neuen Saison wurden das Corporate Design und die Vereins-Website überarbeitet. Neu war auch der Claim "Wir Lilien. Aus Tradition anders". Der Claim scheint Programm bei den Lilien zu sein. Wie ist das Feedback von Fans und Sponsoren ausgefallen?

Markus Pfitzner: Da haben wir sehr positive Rückmeldungen bekommen. Der Claim ist ja auch nicht am Reißbrett entstanden, sondern wir haben in ihm einfach die Dinge zusammengefasst, die rund um uns herum passiert sind. Wir haben Interviews mit allen Internen gemacht und über die Webseite einen Fragbogen geschaltet und Fragen gestellt, wie: „Wie seht Ihr den Verein?“, „Wofür steht der Verein?“, „Was ist Euch wichtig?“ All diese Informationen haben wir wie ein Puzzle zusammengesetzt und in eine Linie gebracht. Wir haben auch nicht alles Frühere über den Haufen geschmissen und beispielsweise Dinge wie die Lilie nur ganz marginal verändert. Aber es war höchste Zeit, auch hier etwas neuen Wind reinzubringen. Und der Claim verpflichtet natürlich. Wir überlegen immer wieder, wie wir den Verein im Sinne von „aus Tradition anders“ gestalten können. 

© Benjamin Metz

FRIZZ: Der Verein durchläuft in relativ kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und modernisiert sich immer mehr. Wie schafft Ihr es, dass der Verein hierbei sein cooles „Underdog“ Image behält?

Markus Pfitzner: Gute Frage. Klar, diese Entwicklung ist ein Stück weit auch ein Spagat für uns. Einfach, weil alles so rasend schnell von statten geht. Wenn Du innerhalb von gerade mal zwei Jahren in die erste Bundesliga hochgespült wirst, dann musst Du viele Entscheidungen treffen und zudem auch noch schnell treffen. Und Du musst natürlich bei alldem auch noch versuchen, Dir selbst treu zu bleiben. Und der Wunsch, uns selbst treu zu bleiben, stand die ganze Zeit über allem. Wir haben zum Beispiel mittlerweile viel mehr hauptamtliche Mitarbeiter. Wir haben diese neuen Leute aber nach Möglichkeit vornehmlich aus dem Vereinsumfeld zu uns geholt. Wir haben ein ganz junges Team aufgebaut aus Mitarbeitern, die uns und unsere Geschichte kennen und den Verein verstehen. Diese Geschichte möchten wir gerne weiterschreiben, auch wenn das Ganze momentan in Lichtgeschwindigkeit vorangeht. Aber wir geben uns alle Mühe, unseren treuen Fans und den Anforderungen, die die 1. Liga mit sich bringt, gerecht zu werden.

FRIZZ: Im Februar wurde von Fans des SVD erfolgreiche eine Crowdfunding Kampagne für den Lilien-Dokumentarfilm "90 Minuten 98" initiiert. Wie kam es zu der Aktion und wie wichtig sind solche Fan-Projekte rund um den SVD?

Markus Pfitzner: Initiativen aus der Fanszene sind eine der wichtigsten Lebensadern dieses Vereins. Ich erinnere da mal nur an die Phase der drohenden Insolvenz 2008, die unter anderem auch durch ganz viele kreative Aktionen von Fans abgewendet werden konnte. Die haben auf ihre Art und Weise immer alles gegeben, um diesem Verein zu helfen und ihn zu unterstützen. Was diesen Verein so besonders und so anders macht, sind eben auch seine Fans und ihre Aktionen. Und das Filmprojekt ist natürlich ein weiteres, ganz tolles Projekt, das wir als Verein nach Kräften unterstützen. Ich freue mich bereits riesig auf den Film. In der zweiten Jahreshälfte wird’s dann wohl endlich soweit sein, dass der Film ins Kino kommt.

FRIZZ: Mitte April hat der Verein die Lizenz für kommende Spielzeit für die Bundesliga als auch die 2. Liga erhalten. Die DFL hat allerdings darauf hingewiesen, dass die Gegebenheiten im Merck-Stadion am Böllenfalltor auf Dauer im Profifußball nicht tragfähig sind. Welche Punkte stehen aus Vereinssicht für die kommende Saison ganz oben auf der Agenda?

Markus Pfitzner: Natürlich werden wir weiter versuchen, unter den gegebenen Möglichkeiten das Optimale rauszuholen. Aber wir können auf Dauer allein mit diesem „Charme“ nicht punkten, das wissen wir. Unsere Werbepartner finden das alles hier immer beim ersten Besuch noch anders und speziell aber irgendwann werden sie vielleicht eher Lust auf eine komfortable Loge haben. Mit Charme und Tradition alleine werden wir dem Wettbewerb auf Dauer nicht standhalten können. Wir müssen unseren Spirit bewahren, aber parallel den Verein so auf den Weg bringen, dass er diesem Profigeschäft auch gerecht wird. Diese Übergangslösung wird keine Dauerlösung. Aber bis zu diesem Stadionumbau arbeiten wir halt erstmal unter erschwerten Bedingungen. 

FRIZZ: Welche langfristigen Ziele habt Ihr mit dem SVD?

Markus Pfitzner: Natürlich ist der gegenwärtige Stand des Vereins ein riesiger Erfolg aller Beteiligten. Langfristig sehen wir den SVD auf einem soliden Fundament innerhalb des Profifußballs. Natürlich möchten wir am liebsten an diesem Punkt, an dem wir jetzt stehen, auch weiterhin bleiben, denn wann man erstmal in der Bundesliga mitspielt, möchte man das wenn möglich nicht missen. Von daher werden wir unser Terrain hier mit aller Kraft verteidigen, um das solange wie möglich weiterführen zu können. Aber alles mit Bedacht, im Rahmen unserer Möglichkeiten. Wir waren alle dabei, als der Verein damals 2008 fast die Grätsche gemacht hat. Von daher ist unsere oberste Priorität, darauf zu achten, dass der SVD dauerhaft solide und gut aufgestellt ist. In welcher Liga das genau sein wird, kann man jetzt sowieso seriös noch nicht beantworten. Das wird aber auch extrem stark davon abhängen, wie schnell dieses Umbauthema jetzt voran kommt. Denn das ist ein ganz wichtiger Punkt für die weitere Vereinsentwicklung. Wir möchten das Haus „Darmstadt 98“ so weiterbauen, dass es langfristig steht und nicht wie ein Kartenhaus zusammenfällt. Kontinuität ist für einen Verein wie den unseren enorm wichtig!

FRIZZ: Du bist seit 2007 im Umfeld von Darmstadt 98 tätig und hast die gesamte Phase von der beinahe Insolvenz 2008 bis zum Aufstieg in die Bundesliga begleitet. Welcher Moment ist Dir in diesen Jahren persönlich am stärksten in Erinnerung geblieben?

Markus Pfitzner: Emotional gesehen, gibt’s da nur eine Antwort: Unser Sieg in Bielefeld. Die Nacht damals, dieses 4:2, ist einfach nicht zu toppen! Der Bundesliga-Aufstieg war auch ein großartiger Moment, aber die Emotionen, die dieser Abend in Bielefeld hervorgebracht hat, dieses Bewusstsein, dass Dein Verein da unten gerade ein Jahrhundertspiel absolviert hat – das kann man sich eigentlich nur erträumen. Wer irgendwann mal wieder einen Motivationshänger haben sollte, muss sich eigentlich nur wieder mal 5 Minuten das Video des Bielefeld-Spiels anschauen, dann weiß er wieder, was Sache ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Infos unter: 

www.sv98.de

www.facebook.com/SVDarmstadt1898eV

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