„Man muss hungrig bleiben“

FRIZZ – Das Magazin im Gespräch mit Lilien-Verteidiger Florian Jungwirth

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© Klaus Mai

Mit seinen 27 Jahren hat Florian Jungwirth bereits einiges erlebt.  Nach großen Erfolgen mit der Jugendnationalmannschaft spielte er zunächst im Profikader von 1860 München. Nach weiteren Stationen bei Dynamo Dresden und dem VfL Bochum wechselte Florian vor zwei Jahren zum SV Darmstadt 98 und gehört aktuell als Außenverteidiger zur  Stammelf von Coach Dirk Schuster. FRIZZ - Das Magazin traf den sympathischen Bayer zum Interview und sprach mit ihm über das Leben als Fußballprofi, die Schwierigkeiten in der Rückrunde und die Hoffnungen auf den Klassenerhalt.

FRIZZ: Im Februar bist Du zum Spiel gegen Hoffenheim für Außenverteidiger György Garics in die Startelf aufgerückt. Wie sieht Dein bisheriges Fazit aus?

Florian Jungwirth: Ich hätte in der Hinrunde natürlich gerne öfter gespielt. Das ist nicht ganz so gelaufen, wie ich mir das erhofft hatte. Ich hatte immer mal die Chance zu spielen und denke, dass ich diese Chancen auch gut genutzt habe. Ich war geduldig, habe hart an mir gearbeitet und konnte jetzt, wenn auch durch bedingt durch Györgys Verletzung, ins Team und habe mir hier durch konstant gute Leistung meinen Stammplatz erspielt. Das ist natürlich ein schöner Lohn für die harte Arbeit der letzten Monate. Für die Mannschaft insgesamt sehe ich die Entwicklung ebenfalls positiv. Wir haben seit Saisonbeginn nicht ein einziges Mal auf einem Abstiegsplatz gestanden, das hätte uns im Vorfeld kaum jemand so zugetraut. Klar, jetzt wird das alles enger, aber wir haben noch einige Spiele vor uns, wo wir punkten müssen, um in der Klasse zu bleiben - aber auch punkten können. Wir haben es selbst in der Hand.

FRIZZ: Du hast öfter erwähnt, dass Du lieber im defensiven Mittelfeld stehst. Jetzt spielst Du wieder in der Außenverteidigung – ist es dir im Grunde egal, auf welcher Position du eingesetzt wirst?

Florian Jungwirth: Ja, im Grunde schon. Und ich kenne die Position ja bereits. Ich habe die auch schon früher in der 2. Liga gespielt von daher war das jetzt kein Neuland für mich. Ich wusste also schon, was ich zu tun habe, aber natürlich muss man immer seinen Rhythmus finden und schauen, dass sich die Abläufe möglichst schnell automatisieren. Ich denke allerdings, dass man das mittlerweile bei mir nach den letzten Wochen sehen kann und hoffe, dass sich das so weiterentwickelt.

FRIZZ: Die Lilien konnten bis dato primär vor allem auswärts punkten und ihre Stärken ausspielen. Zuhause tut man sich jedoch schwer, wie man zuletzt am Spiel gegen den 1. FC Augsburg gesehen hat. Woran liegt das Deiner Meinung nach?

Florian Jungwirth: Schwer zu sagen. Da kann ich keinen konkreten Grund nennen. Letztes Jahr verhielt sich das ja genau andersrum – da haben wir zuhause alle weggeschossen und auswärts ging ziemlich wenig. Das sind halt die „Mysterien des Fußballs“ (grinst). Wir gehen jedes Spiel mit dem gleichen, großen Einsatz an. Was allerdings auffällt ist, dass auswärts dieses Jahr meistens die erste Chance von uns im Tor landet und zuhause ist es das Gegenteil. Wenn der Gegner einmal vors Tor kommt, scheppert es oft schon. Aber woran das genau liegt, lässt sich, wie gesagt, mit Logik kaum erklären. 

FRIZZ: Deine Spielerkarriere nahm ihren Anfang beim TSV Karlsfeld bei Dachau. Später bist Du zu 1860 München gewechselt und hast es dort sogar in den Profikader geschafft. Leider hast Du dort nur auf der Bank gesessen - das muss frustrierend sein für einen jungen Spieler voller Tatendrang. Wie bist Du mit diesem Tiefpunkt gleich zu Beginn Deiner Karriere umgegangen?

Florian Jungwirth: Puh, das ist natürlich schon einige Jahre her. Wichtig ist generell, glaube ich, dass man aus jeder negativen Erfahrung das entsprechende Fazit für sich zieht. Ich habe damals natürlich nicht sofort damit gerechnet, dauernd auf dem Platz zu stehen. Man muss sich da erstmal an alles gewöhnen – das Tempo, das Körperliche. Das ist etwas ganz anderes als im Jugend- oder Amateurfußball. Dass diese Umstellung nicht von heute auf morgen klappt, war mir klar. Dann kam aber noch ein bisschen Pech dazu, denn ich hatte in Trainer Marco Kurz einen guten Förderer, der aber leider vor meinem ersten Einsatz entlassen wurde. Und als junger Spieler muss man auch das Glück haben, dass man einen Trainer hat, der auf einen baut. Das ist leider nicht immer gegeben. Auch bei mir nicht. Und deswegen musste ich dann den Umweg über Dresden nehmen.

FRIZZ: Dabei wurdest Du schon früh als großes fußballerisches Talent gehandelt. Mit der U19 Nationalmannschaft bist Du 2008 Europameister geworden und wurdest u.a. mit der Fritz Walter Medaille als eines „der herausragenden Talente im deutschen Fußball ausgezeichnet" ausgezeichnet. Von einer Profikarriere träumen unzählige Nachwuchsfußballer. Welche Tipps kannst Du denen mit auf den Weg geben?

Florian Jungwirth: Keine, ehrlich gesagt. Oder wenn ich das täte, würden viele wahrscheinlich von vorneherein von einer Profikarriere absehen (grinst). Es ist halt unheimlich wichtig, gerade in der Pubertät, wo viele andere Faktoren eine Rolle spielen, sein Ding konsequent durchzuziehen. Und das ist schwierig, das ist die Crux, in dem Alter zu sagen: „Bleib zuhause, keine Party! Geh früh ins Bett“ und so weiter. Das klingt für einen Erwachsenen leicht, aber für einen Jugendlichen im Alter von 15 bis 18 ist es extrem schwer zu akzeptieren, dass man alles dem Sport unterordnen muss. Es ist auch wichtig, dass man dann auf ein Umfeld bauen kann, das einen voll unterstützt. Mein Vater hat damals gemeint, dass ich machen kann, was ich möchte, mich aber auf eine Sache voll konzentrieren muss, weil man da nicht mehrgleisig fahren kann. Da hat er auf jeden Fall Recht gehabt. Also habe ich neben meiner schulischen Ausbildung alles auf den Fußball gesetzt, in der Hoffnung, dass es klappt. Aus heutiger Sicht war es die richtige Entscheidung. Aber ich kann niemanden so einfach empfehlen, auf seine Jugend zu verzichten. Denn man muss da auch die Schattenseiten sehen. Es gibt viele Leute, die auf alles verzichtet haben, viel Ehrgeiz und Einsatz gezeigt haben und für die es dann doch nicht reicht, und die mit 20, 21 dann erstmal vor dem Nichts stehen. Der Fokus sollte daher immer auch auf der Schule und der Ausbildung liegen. Das Sportliche geht dann seinen Weg oder eben nicht.

FRIZZ: Du hast nach Deiner Zeit in München bei Dynamo Dresden und beim VfL Bochum gespielt und so ziemlich jedes Hoch- und Tief im Profifußball miterlebt. Helfen Dir diese Erlebnisse, den Druck der der Rückrunde gelassener durchzustehen?

Florian Jungwirth: Ja, auf jeden Fall. Das Alter hilft natürlich auch. Wenn man als Fußballer so in seine „besten Jahre“ kommt, wird man automatisch etwas entspannter. Man ist dann nicht mehr so verbissen, wie mit 20 und kann lockerer abschalten, das Außen leichter wegblenden. Früher hat man sich vor Spielen viel öfter verrückt gemacht. Trotzdem muss man immer hungrig bleiben, denn auf jedes Highlight kann nächste Woche auch wieder ein ganz zähes Spiel kommen. Also muss man versuchen, Woche für Woche immer noch einen draufzusetzen.

FRIZZ: Darmstadt war noch nie länger als ein Jahr in der Bundesliga. Warum klappt es in diesem Jahr?

Florian Jungwirth: Weil’s einfach klappt (grinst). Nee, schwer zu beschreiben. Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Wie schon gesagt: Wir haben das selber in der Hand. Wir brauchen nach jetzigem Stand 9, 10 Punkte für den Klassenerhalt. Das ist machbar, wird aber auch kein Spaziergang. Wir werden’s sehen.

FRIZZ: Und wie sehen Deine persönlichen Ziele für die Zukunft aus?

Florian Jungwirth: In diesem Geschäft kann man nichts so wirklich langfristig planen. Ich hoffe aber, dass ich während meiner Karriere auch noch mal in den Genuss komme, im Ausland spielen zu dürfen. Da geht’s nicht nur um den Fußball, sondern das Gesamtpaket. Neue Länder, Sprachen und Kulturen kennenlernen, das wäre wirklich ziemlich reizvoll.

Vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Infos unter:

www.sv98.de

www.facebook.com/SVDarmstadt1898eV

www.facebook.com/flojungwirth23

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