„Unser Verein hat sehr viel zu erzählen“

FRIZZ – Das Magazin im Gespräch mit SV98 FuFa-Abteilungsleiter Markus Sotirianos

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© Klaus Mai

Die Fan- und Förderabteilung (FuFa) des SV Darmstadt 1898 e.V. existiert seit der Saison 2012/13. Die FuFa hat hierbei die gesamte, unglaubliche Entwicklung des SVD bis in die 1. Bundesliga mit begleitet und sich dabei selbst schnell entwickelt. FRIZZ traf FuFa-Abteilungsleiter Markus Sotirianos zum Interview und sprach mit ihm über die Arbeit der FuFa, die rasante Entwicklung des Vereins und seine Geschichte. 

FRIZZ: Markus, Du bist Abteilungsleiter der Fan- und Förderabteilung des SV Darmstadt 98. Was genau ist die FuFa und worin besteht Eure Arbeit in knappen Worten?

Markus Sotirianos: Wir sind eine Schnittstelle zwischen dem Verein und den Mitgliedern und Fans. Die FuFa gibt beispielsweise ehrenamtlichem Engagement ein Dach und stärkt das Vereinsleben. Man darf die FuFa allerdings nicht mit einem normalen Fanclub verwechseln. Wir sind schon ganz klar eine Abteilung des Vereins und man hat bei uns die Möglichkeit, operativ im Verein mitzuwirken.

Die Fanbase des SVD ist in den vergangenen Jahren explodiert. Wie hat sich dieser Ansturm auf die FuFa ausgewirkt?

Der war natürlich auch bei uns deutlich spürbar. Die Zahl der FuFa-Mitglieder ist in der Zeit von Frühjahr 2015 bis heute von 300 auf fast 7000 Leute angestiegen. Diese Entwicklung muss man allerdings realistisch sehen. Die Leute werden Mitglied in der Fanabteilung, weil sie natürlich Mitglied im Verein werden möchten. Ein nicht gerade kleiner Teil hiervon macht das natürlich vordergründig, um besser und günstiger an Tickets zu kommen. Mit diesem „Phänomen“ stehen wir allerdings nicht alleine da. Es gibt in der Bundesliga nur drei weitere Vereine, die ebenfalls Fanabteilungen unterhalten, nämlich der Hamburger SV, Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt und bei denen verhält es sich mit den Mitgliedern ähnlich. Um das mal in Zahlen auszudrücken: Die Fanabteilung des HSV umfasst 60.000 Mitglieder, ehrenamtlich tätig sind hiervon 200. Aber wir sind sehr zufrieden, was die Mitmach-Quote bei unseren Mitgliedern anbelangt. Trotzdem brauchen wir natürlich noch Hilfe in allen Bereichen und sind froh um alle, die bei uns mitmachen wollen.

Viele neue Mitglieder wurden natürlich auch vom sogenannten „Lilienwunder“ geradezu magisch angezogen. Einige altgediente Fans können mit diesen neuen Fans allerdings wenig anfangen und bezeichnen diese verächtlich als „Eventfans“. Wie geht Ihr mit dieser Situation um?

Das ist natürlich ein Prozess, der dieser rasanten Entwicklung geschuldet ist. Allerdings hat der durchaus positive Seiten, denn jetzt werden auch neue Leute auf den Verein aufmerksam, die auch noch in dreißig Jahren dabei sein werden. Genau so, wie Ende der 70er, Anfang der 80er zu den damaligen Hochzeiten des SVD neue Fans kamen, die den Verein auch durch all die schweren Zeiten bis heute begleitet haben und begleiten. Daher heißen wir diese neuen Leute herzlich willkommen. Und natürlich freuen wir uns, wenn die Kleinen jetzt wieder in Lilien-Shirts durch die Gegend rennen, statt in Trikots von Frankfurt, Mainz oder sonstigen Vereinen. Allerdings gibt es auch eine kleine Anzahl neuer Fans, die sich mitunter über gewachsene Strukturen hinwegsetzen, beispielsweise bei der Platzverteilung im Block und ähnlichem, und die stoßen dann natürlich auf Unverständnis und Widerstände bei den alten Fans. Das ist aber eher die Ausnahme. Grundsätzlich findet da ein guter Dialog statt. 

Der SVD muss im Grunde in Rekordzeit in nahezu allen Bereichen modernisieren, kommt aber nur bedingt hinterher. Stichwort: Stadionneubau. Viele Fans scheinen sich zudem nur bedingt mit einem modernisierten SVD und noch weniger mit einem Umzug weg vom Böllenfalltor anfreunden zu können. Keine einfache Situation. In wie weit seht ihr Euch hier als Vermittler zwischen Fans und Vereinsführung?

Das ist mitunter schon schwierig. Es gibt ja diesen neuen, sehr schönen Claim „Aus Tradition anders“. Der stellt natürlich auch ein Stück weit eine Verpflichtung da, Traditionen zu bewahren. Aber es ist mitunter ein ziemlicher Spagat für den Verein, das so im Alltagsgeschäft adäquat umzusetzen. Es fängt schon generell mit der Frage an, was denn eigentlich unsere Tradition ist? Da fallen den meisten Leuten noch die sogenannten „Feierabend-Fußballer“ ein, aber dann? Dabei wäre es wirklich wichtig, die Geschichte unseres Vereins mal aufzubereiten, beispielsweise indem man ein Vereinsmuseum aufbaut. Der neue Dokumentarfi lm „90 Minuten 98“ ist zumindest ein guter Anfang in diese Richtung, aber das muss fortgesetzt werden, denn unser Verein hat sehr viel zu erzählen. 

Viele Mitglieder der FuFa sind in sogenannten Arbeitskreisen wie dem AK Fanradio, dem AK Events oder dem AK Fanartikel organisiert. Welche Aufgaben fallen den Arbeitskreisen zu? Was macht zum Beispiel der AK Liliengärtner?

Seitlich an der Böllenfalltorhalle befinden sich drei Beete mit einem Gedenkstein. Das sah alles sehr ungepfl egt aus. Also haben wir einen Aufruf gestartet, woraufhin sich drei Mitglieder von uns zum AK Liliengärtner zusammengeschlossen haben und diese kleine Anlage seither pflegen. Das ist natürlich nur ein kleiner Baustein unserer Arbeit, aber er ist trotzdem wichtig, denn die Leute sehen diese Arbeit auf dem Weg zum Stadion. Und wenn die Leute merken, dass sich da jemand um solche Dinge kümmert, und sich darüber freuen, ist das auf jeden Fall ein Lob für uns. Ähnlich engagiert arbeiten auch die anderen Arbeitskreise, wie beispielsweise der AK Redaktion, der das tolle Buch „Das Wunder von Darmstadt“ auf den Weg gebracht hat. Oder das Fanradio, das damals zu Drittliga-Zeiten initiiert worden ist, weil es einfach keine umfassende Berichterstattung zu den Spielen gegeben hat. Die Leute sind alle mit viel Leidenschaft dabei und machen das alles ehrenamtlich, das darf man nicht vergessen. Aber solange unsere Arbeit wertgeschätzt wird, passt das. 

Ihr seht Eure Aufgabe u.a. natürlich auch darin, neue Fans für den SVD und Mitglieder für die FuFa zu gewinnen und den Zusammenhalt in der Fanszene zu stärken. Wie geht Ihr hierbei vor? Ihr veranstaltet auch eigene Events, soweit ich weiß.

Ja, stimmt. Es gibt da beispielsweise das Andreas-Gompf-Turnier (Gompf war der erste, leider früh verstorbene Gründer des Fanprojekts des SVD, Anm. d. Red.), eine Kooperation mit dem Fanprojekt, dem “Block1898“ und uns, bei dem verschiedene Fangruppen aus dem ganzen Stadion gegeneinander antreten. Oder unser Festival „Fußball ist anders“, bei dem es uns vor allem darum geht, den inklusiven Gedanken in den Vordergrund zu stellen und Fans jeder Couleur zusammenzubringen. Durch unsere Initiative ist der SV 98 zum Beispiel deutschlandweit der einzige Verein, der einen konkreten Ansprechpartner gegen Homophobie benannt hat. Das Festival soll übrigens im kommenden Jahr am 03. Juli wieder stattfinden.

Wie verfällt ein Hochschul-Dozent für Musiktheorie eigentlich dem Fußball, genauer dem SVD? Gab‘s da eine Initialzündung? 

Ich weiß gar nicht, was zuerst da war. Das kam ziemlich zeitgleich. Mit sieben habe ich angefangen Geige zu lernen und quasi gleichzeitig das erste Spiel live am Böllenfalltor erlebt. Meine Tante war hier Handballerin und hat lange im VIP-Raum gearbeitet, mein Großvater ist hier in der Leichtathletik gewesen. Noch vor meinem ersten Spiel war ich dann Bruno Labbadia persönlich begegnet und er hat mir sehr freundlich und ausführlich erklärt, warum er die 98er verlässt. Das fand ich sehr nett, bin aber natürlich mit dem Herz bis heute bei den Lilien geblieben. Ich glaube übrigens, dass die Leidenschaften für Musik und Fußball sich sehr gut ergänzen, weil die Strukturen, in denen beides abläuft, sehr ähnlich sind. Wer eine Ausbildung als Fußballer oder Musiker ernsthaft betreibt, muss schon sehr früh ziemlichen Einsatz zeigen. Die Orte, wo Musik oder Fußball passieren, sind in der Regel ziemliche Publikumsmagneten und die Akteure sind echte Stars, zumindest die Erfolgreichen. Beide Bereiche sind einfach absolut faszinierend, deswegen sehe ich in dem fußballliebenden Musik-Dozenten auch keinen Widerspruch (lacht).

Weitere Infos:

www.fufa-sv98.de

www.facebook.com/SV98Fanabteilung

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