Nüchtern betrachtet war es betrunken besser: So wirkt Alkohol

FRIZZ-Wissenschaftskolumne

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© Valentin Bachem

Helau! Viele Südhessen zieht es zur fünften Jahreszeit in die Sitzungssäle und auf die Straßen der Region. Ganz egal, ob in Dieburg, Bürstadt oder Astheim, neben Kostüm und närrischen Mitbürgern darf oft eines nicht fehlen: Alkohol! 

Einen Schnäpschen hier, ein Sektchen dort: Für so manchen Jecken endet der Tag nicht mehr im heimischen Bett, sondern mit Alkoholvergiftung im Krankenhaus. Auf Sitzungen und Umzügen sieht man besonders oft junge Menschen, die im ersten Vollrausch von den Sanitätern abtransportiert werden. Denn die närrische Toleranz kennt selten Grenzen. Viele Veranstalter vernachlässigen das Jugendschutzgesetz, das die Abgabe von hochprozentigem Alkohol nur an Volljährige erlaubt. 

Im Jahr 2014 wurden laut statistischem Bundesamt 118.562 Menschen in deutschen Krankenhäusern wegen akuter Intoxikation stationär behandelt. 22.413 der Alkoholvergifteten waren Jugendliche unter 20 Jahren. Eine gesonderte Fastnachtsstatistik gibt es bisher nicht, die Zahl der Alkoholleichen dürfte rund um Rosenmontag allerdings deutlich erhöht sein. 

Alkohol (Ethanol) entsteht durch die Vergärung von Zucker. Traditionell dienen Obst und Getreide als Ausgangsstoff der Alkoholgewinnung. Im Prinzip kann jedes zuckerhaltige Nahrungsmittel verwendet werden. Für einen hohen Ethanolgehalt wird das Gärungsgemisch mehrmals destilliert.

Ethanol gelangt über die Mund-, Magen- und Darmschleimhaut schnell in den Blutkreislauf und wird im ganzen Körper verteilt. Innerhalb von wenigen Minuten erreicht er das Gehirn. Hier verändert Ethanol die Nervenzellen. Dies haben Forscher des Heidelberger Uniklinikums 2009 genauer untersucht. Sie vermuten, dass das Gehirn anstelle von Glucose nun ein Abbauprodukt des Alkohols als Energielieferant nutzt. Die Gehirnzellen sterben dadurch aber nicht sofort ab, sondern werden vorübergehend geschädigt – die Kommunikation zwischen den Neuronen ist stark beeinträchtigt. Hier bricht ein regelrechtes Neurotransmitter-Chaos aus.

Alkoholkonsum führt unter anderem zu einer 200-fachen Ausschüttung des Neurotransmitters Dopamin. Dopamin gilt als Botenstoff des Belohnungszentrums und macht glücklich. Unser Gehirn belohnt uns zunächst dafür, dass wir Alkohol getrunken haben. 

Besonders sensibel auf Alkohol reagieren auch die Rezeptoren der beiden wichtigsten Neurotransmitter des Körpers: die des erregenden Glutamats und der hemmenden Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Die Rezeptoren werden so verändert, dass Dopamin schlechter andocken kann, während die hemmende Wirkung von GABA verstärkt wird. 

Im Gehirn werden zunächst die Regionen gehemmt, die für Risikoabwägung, Vorsicht und Urteilsvermögen zuständig sind. Fließt mehr Alkohol, so werden nach und nach auch die Bereiche des Großhirns beschädigt, die für Augen, Ohren und Mund zuständig sind. 

Als nächstes schaltet GABA Gleichgewichtssinn und Bewegungskoordination langsam aus. Spätestens jetzt sollte man aufhören zu trinken. Letzte Station der hemmenden Botenstoffe ist nämlich der Hirnstamm, welcher unter anderem für Herzschlag und Atmung zuständig ist. Exitus letalis.

Weitere Infos:

Statistik

Heidelberger Studie

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