„Ich möchte ich bleiben“

FRIZZ-Redakteur Benjamin Metz im Gespräch mit Ees

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© Dominik Grusczcyk

Mit seinem „Nam Flava Sound“, der seine Wurzeln im südafrikanischen Kwaito hat, gelang Eric Sell als Ees in Afrika eine beeindruckende Karriere. Ees gilt als der erste weiße Kwaito-Star überhaupt. Er wurde bei den renommierten “Channel O Africa Music Awards” als bester Kwaito-Künstler Afrikas ausgezeichnet. Seit einigen Jahren ist Ees in Europa unterwegs, um Kwaito auch in unseren Breiten populär zu machen und auch wenn sich dieses Unterfangen mitunter als hürdenreich erweist, Ees ist sich sicher: „Kwaito wird hier ganz groß!“ FRIZZ traf den Deutsch-Namibier vor seinem Auftritt auf dem Aschaffenburger Afrika Karibik Festival zum Gespräch.

FRIZZ: Du bist einer der bekanntesten Kwaito-Künstler in Afrika, allerdings ist Kwaito, das übersetzt soviel bedeutet wie „das Angesagte aus dem Ghetto“, in Europa noch nicht sehr verbreitet. Was für eine Musik ist Kwaito und worin unterscheidet sie sich von anderen afrikanischen Stilen wie Highlife, Mbaquanga oder Zouglou?

Ees: Kwaito ist der bekannteste Musikstil in den Ländern Südafrikas. Grob könnte man sagen, dass Kwaito eine Mischung aus House-Music, HipHop und Reggae ist. Auf jeden Fall ist  das eine sehr positive und tanzbare Musik. Du kannst bei Kwaito einfach nicht stillstehen. Das hat einen Rhythmus, der dich einfach automatisch in Bewegung bringt. Und Kwaito ist sehr modern. Viele denken, dass Kwaito eine alte traditionelle Musik ist. Das stimmt aber nicht. Kwaito ist die Popmusik Afrikas. 

FRIZZ: Du bist im namibischen Windhoek geboren und aufgewachsen. Namibia war ja deutsche Kolonie, du gehörst zur kleinen Gruppe der „Deutschnamibier“. Was unterscheidet Namibia vom restlichen Afrika?

Ees: Namibia ist für viele Reisende das „Einstiegsland“ nach Afrika. Alle, die nicht gleich das „harte“ Afrika kennenlernen möchten, kommen erstmal zu uns. Irgendwie ist alles etwas strukturierter – unsere Straßen sind in Ordnung, wir haben Internet und man ohne Bedenken aus dem Wasserhahn trinken. Das hat sicher auch was mit dem deutschen Einfluss zu tun (lacht). Aber das ist lange her. Namibia hat die älteste Wüste der Welt und ist recht dünn besiedelt. Das Land ist ungefähr zweimal so groß wie Deutschland, hat aber nur ungefähr zweieinhalb Millionen Einwohner. Wir haben sehr viel Sonne und bei uns wird viel gelacht, ich glaube das hängt irgendwie zusammen. Die Sonne gibt einfach eine positive Energie. 

FRIZZ: Nach deiner Ausbildung als Toningenieur in Kapstadt hast du deine Karriere als Kwaitomusiker gestartet und bist in Afrika sehr angesagt und hast zahlreiche Preise, zuletzt den Award als „best Kwaito Artist in Africa“ gewonnen. Was hat dich bewogen, den Kwaito auch nach Deutschland zu bringen und wie kommt Kwaito bisher hierzulande an?

Ees: Manchmal habe ich mir schon die Frage gestellt, was ich hier eigentlich soll. Viele Leute tun immer so offen und interessiert und wenn du ihnen dann etwas Neues präsentierst, sind sie miest doch skeptisch und ablehnend. Das liegt aber vor allem daran, dass sie meine Musik in keine Schublade packen können. Es ist daher schon nicht immer einfach, den Kwaito hier voranzubringen. Aber mittlerweile entwickelt sich da so eine kleine Welle, die immer mehr in Bewegung kommt. Die Frage ist halt, ob daraus eine große Welle wird, oder ob sie wieder zum stoppen kommt. Ich persönlich glaube, dass der Kwaito hier ganz groß wird. Deswegen bin ich ja auch hier. In Afrika habe ich ein Level erreicht, an dem ich nicht mehr weiterkomme. Ich denke, dass es egoistisch wäre, diese tolle Musik einfach nur für uns zu behalten. Und ich habe einfach die Möglichkeit, diese Musik auch hier bekannt zu machen. Ich weiß, wie die Leute hier in Europa denken, ich spreche ihre Sprache und sehe aus wie sie. Nur die Winter hier sind hart. Das kannte ich so noch nicht. Aber wenn der Sommer kommt, ist alles wieder wunderbar. Deutschland im Sommer ist großartig! Die Leute sind dann wie ausgewechselt.

FRIZZ: Du arbeitest sehr autark und hast deine eigene Musikproduktionsfirma. Wäre die Zusammenarbeit mit einem großen Label nicht einfacher? Angebote gab es doch sicher, oder?

Ees: Ja, das Interesse der Major-Firmen war schon da. Aber die sind einfach ängstlich mittlerweile und trauen sich heute kaum noch, Risiken einzugehen. Und wenn sie aktiv werden, machen sie oft viel kaputt. Ich habe da bereits meine Erfahrungen gemacht und es deswegen vorgezogen, alles selbst zu managen. Und als unabhängiger Künstler ist das heutzutage auch möglich. Klar, ich verkaufe dann etwas weniger, aber die Leute bekommen zu hundert Prozent meine eigene Musik, in die mir auch niemand reinredet. Ich möchte einfach ich bleiben. 

FRIZZ: Was hältst du eigentlich von Deutschland? Du sprichst die Sprache, siehst aus wie ein Deutscher, aber hast selbst hast du mal von dir gesagt, dass du „innen schwarz bist“. Wie erlebt man Deutschland, wenn man äußerlich, von der Kleidung mal abgesehen, kaum auffällt, aber innerlich „schwarz“ fühlt?

Ees: Ich denke sehr afrikanisch und bin einfach auch im Herzen Afrikaner. Ich spreche zwar deutsch, bin weiß und habe einen deutschen Background aber meine Familie ist schon in der 5. Generation in Afrika. Von daher hatte ich keine wirklich Verbindung zu Deutschland. Am Anfang war das auch wirklich schwer hier, einfach, weil ich die Art, wie die Leute hier denken, nicht immer verstanden habe und die Leute wiederum meine Denke nicht nachvollziehen konnten. Dass man sich dann äußerlich nicht unterscheidet, macht die Sache nicht unbedingt einfacher, denn die Leute setzen natürlich voraus, dass du so tickst wie sie. Mittlerweile erzähle ich den Leuten oft gar nicht mehr, dass ich aus Afrika komme, weil ich sonst immer so viel erklären muss. 

FRIZZ: Kwaito ist eine „schwarze“ Musik. Du bist der einzige weiße Kwaito-Künstler, daher wurdest du schon des Öfteren als „der afrikanische Eminem“ bezeichnet. Passend, wie ich finde. Eminem und schon vorher die Beastie Boys haben den HipHop in den USA ja auch erst in der weißen Mittelschicht salonfähig gemacht.

Ees: Da gibt es schon Parallelen, klar. Ich würde mich allerdings nicht mit Eminem vergleichen wollen, weil die Messages in meinen Liedern sehr positiv sind und bei Eminem doch ziemlich ist dieses „das Leben ist scheiße“-Ding vorherrscht. Aber ich merke schon, dass sich durch meinen Erfolg für den Kwaito in Afrika einiges ändert. Man hört früher als Weißer einfach kein Kwaito gehört. Genau wie die Schwarzen keinen Rock gehört haben. Und das bricht mittlerweile auf, Vor allem die Weißen entdecken den Kwaito mittlerweile als coolen, groovenden Sound. Und bei vielen Konzerten kommen mittlerweile Schwarze und Weiße zusammen. Das freut mich sehr!

FRIZZ: A propos Eminem: Wie darf man sich dein Leben als Popstar in Afrika vorstellen? Villa, Limousine, Bodyguards und schreiende Fans? Kurz gefragt: Bist Du reich?

Ees: Nein! Ich fahre in Afrika einen ganz alten Volkswagen-Kombi (lacht). Wir haben ja dort überhaupt nicht diese CD Verkäufe wie hier in Europa. In Afrika ist es total üblich, dass man sich die Musik aus dem Internet zieht. Das ist zwar blöd, aber nicht zu ändern. Aber ansonsten ist dort schon vieles so ein bisschen Popstar-Leben. Man wird oft erkannt, gibt Autogramme, und so weiter. Ich muss daran immer wieder erst gewöhnen, wenn ich nach längerer Zeit wieder zuhause in Afrika ankomme.

FRIZZ: Dann kam dir die Einladung zur ZDF -Show „Rette die Million!“ sehr gelegen, oder? Du hast zusammen mit einem Freund dort satte 275.000 Euro gewonnen.

Ees: Oh ja! Das war super und auch wichtig! Denn wenn du heute im Musikbusiness zwei Millionen verdienen willst, musst du vier Millionen investieren (lacht). Und das war genau mein Problem: Ich habe soviel Schulden gemacht, um meine Karriere hier in Deutschland voranzubringen, dass ich an einem Punkt war, an dem echt was passieren musste. Wenn das mit der Show noch geklappt hätte, dann hätte ich hier wohl die Zelte abbrechen müssen. Der Gewinn war aber auch ein Zeichen für mich: „Ees bleib hier und mach’ weiter!“

FRIZZ: Gibt es eigentlich einen Plan B, wenn das mit deiner zweiten Karriere hier in Europa nicht funktionieren sollte? Du betreibst auch sehr erfolgreiche eine eigene Modelinie, wie ich gelesen habe.

Ees: Ja, und ich habe in Afrika auch einen eigenen Energy-Drink auf den Markt gebracht, der sehr gut läuft. Als Musiker in Afrika musst du dir immer alternative Einnahmemöglichkeiten erschließen, weil die Leute die Musik ja nicht kaufen. Aber einen Plan B habe ich eigentlich nicht und ich möchte auch keinen haben, denn so etwas lenkt nur ab und man konzentriert sich nicht voll auf sein eigentliches Ziel. Ich werde weiter Musik machen, klare Sache! 

FRIZZ: Vielen Dank für das Gespräch.

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