„Wir wollen politisch etwas bewegen!“

Interview mit der Ska-Punk Band Feine Sahne Fischfilet

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2016 tritt die Band "Feine Sahne Fischfilet" auf dem Nonstock auf. Eigentlich sollten sie aus Mecklenburg-Vorpommern in erster Linie für ihren exzellenten Ska-Punk in aller Munde sein, doch seit 2011 ist die energiegeladene Truppe einer breiteren Öffentlichkeit vor allem dadurch bekannt, dass der Verfassungsschutz sich in seinen Berichten ausführlich mit ihr beschäftigt und sie seither als „linksextrem“ einstuft. Popularität zum Einen, Auftrittsabsagen zum Anderen - Feine Sahne Fischfilet kennen beide Seiten der Medaille. FRIZZ-Redakteur Benjamin Metz traf Sänger Jan “Monchi” Gorkow und Gitarrist Christoph “Tscherni” Sell zum Gespräch. 

FRIZZ: Eigentlich solltet ihr bei 2011 einem Stadtfest in Riesa spielen. Stattdessen hat die Stadt ihr Auftrittsangebot auf Druck der örtlichen NPD zurückgezogen. Die NPD scheint ja ein ernstes Problem mit euch zu haben.

Monchi: (lacht) Das kann man wohl so sagen, ja. Aber wenn man da gehasst wird, hat man in meinen Augen einiges richtig gemacht, es wäre ja auch komisch, wenn die uns mögen würden. Aber dieser Fall beschreibt einfach sehr gut, den Zustand in dem wir uns in Meck-Pom befinden. Es gibt dort sehr viele Städte, in denen jede Menge Nazis leben, die auch über sehr etablierte Strukturen verfügen. Und die Leute in Riesa wissen wohl auch, dass wenn die NPD extra wegen unseres Auftrittes eine Pressemeldung raus gibt und Stress androht, es auch wirklichen Stress geben wird. Dass in solchen Fällen dann vor den Nazis gekuscht wird, ist leider eine alltägliche Tatsache. Und dass man uns dann noch ausgeladen hat mit der Begründung, man wolle eben ein unpolitisches Stadtfest feiern ist dann noch der Gipfel an Hohn. Bei uns sind solche „Stadtfeste“ immer politisch. Ich erinnere mich noch gut, wenn die bei uns dann auf solchen Festen nach dem dritten Bier immer gepflegt „abgehitlert“ und rassistischen Müll von sich gegeben haben. Von wegen „nicht politisch“. 

FRIZZ: 2011 und 2012 hat euch der Verfassungsschutz in eurer Heimat Mecklenburg-Vorpommern in seinem Bericht ausführlich erwähnt. Von „Gewaltbefürwortung“ und „Gewaltbereitschaft“ ist da unter anderem die Rede. Klingt als wären Feine Sahne Fischfilet ein Schlägertrupp.

Monchi: Ja, klar, Wir sind die ganze Zeit voller Adrenalin!

Tscherni: Pass also besser auf! (lachen)

Monchi: Das ist einfach nur krass, was diese Behörde von sich gibt. Im Grunde finde ich das nur lächerlich, aber es ist natürlich auch gefährlich, weil diese Behörde von vielen Leuten sehr ernst genommen wird. Im Nachhinein war es der richtige Schritt, dass wir unseren Fall einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt haben, denn dadurch haben sich sehr viele kritische Stimmen gemeldet, was uns sehr unterstützt hat. Das war ein großes Glück, denn es gibt eine Menge Initiativen, die ebenfalls von dieser Behörde kriminalisiert werden und dann gar nichts mehr machen können. Aber nichtsdestotrotz ist es einfach nur heftig, dass wir in diesem Umfang in dem Bericht auftauchen. Über keine Naziband, und davon gibt es jede Menge in Meck-Pom, wird auch nur im Ansatz so viel aufgeführt wie über uns. Über uns wurde in diesem Bericht mehr zusammengetragen als über alle Nazibands, rechte Konzerte und Veranstaltungen in Meck-Pom insgesamt. 

Tscherni: Und viele Bands sind top organisiert und zum Teil auch weltweit erfolgreich. Darüber verliert dieser Bericht kein Wort. Es ist einfach skandalös, dass man uns als gewaltbereite, linksradikale Band an den Pranger stellt, aber völlig unterschlägt, dass permanent Nazi-Bands überall im Land ungehindert ihren Kram unter die Leute bringen können.

Monchi: Das Schlimme ist eigentlich, wie sehr die bei uns schon mitten in der Gesellschaft angekommen sind. Ich meine, 40.000 Bürger habe die bei uns gewählt. Die feiern „Familienfeste“ mit Kinderbespaßung und Bratwurstessen und da kommen hunderte Leute. Ich halte das für gefährlich und es kommt ja nicht von ungefähr, dass sich bei uns zuhause nur ganz wenige Leute als Antifaschisten bezeichnen und ganz offen ihr Meinung sagen und Gesicht zeigen. Ich kann das auch gut verstehen, weil es sonst ganz schnell was auf die Fresse gibt und gibt ganz viele Bands, die sich nicht trauen, Stellung zu beziehen. Aber wir haben und irgendwann eben ganz bewusst dazu entschieden, unsere Meinung zu sagen und nicht zu kuschen. Wenn es dann jetzt beim Verfassungsschutz heißt, wir würden unsere Fans politisch beeinflussen, dann hat der da ausnahmsweise sogar mal Recht, denn natürlich wollen wir aufklären. Wir wollen politisch etwas bewegen, klar! Und manchmal heißt das auch, sich hinzusetzen und einen Aufmarsch zu blockieren.

FRIZZ: Im Januar 2013 wurde ein Berliner Antifaschist vom Amtsgericht Dresden zu 22 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt, weil er per Megafon dazu aufgerufen hat, Polizeiketten zu durchbrechen, die Antifa-Demonstranten davon abhalten sollten, Europas größten Naziaufmarsch zu blockieren. Habt ihr von dem Fall gehört? Was bedeutet das für euch und eure Aktivitäten?

Monchi: Ja, klar haben wir davon gehört und wir nehmen diesen Fall auch sehr ernst. Immerhin wird ja auch in dem Bericht des Verfassungsschutzes erwähnt, dass eines unserer Bandmitglieder bereits wegen Landfriedensbruch verurteilt worden ist. Das war übrigens ich, weil ich am 01. Mai 2011 in Greifswald mit anderen einen Naziaufmarsch blockiert habe. Und weißt du was? Ich würde das immer wieder machen. Ist mir komplett egal, was der Verfassungsschutz davon hält. Aber auf die leichte Schulter nehmen wir das, wie gesagt, nicht. Wir denken ganz sicher nicht, dass uns keiner was kann. Im Gegenteil: Wir haben gemerkt, dass der Staat ziemlich schnell die Muskeln spielen lässt, sobald man ihm mal ein bisschen auf die Füße tritt. Und das Risiko bleibt bestehen, denn wir gehen auch weiterhin auf Antifa-Demos und werden versuchen, Naziaufmärsche zu verhindern, und das bedeutet fast immer auch Stress mit der Polizei.

Tscherni: Und so war das auch bei dem Antifaler aus Berlin. Da wurde meiner Meinung nach ein Exempel statuiert. Man versucht ganz bewusst, solche Leute und ihre Aktionen zu kriminalisieren, damit man sich dann an diese Aufmärsche gar nicht mehr rantraut und die Rechten gewähren lässt.

FRIZZ: Ihr habt als Schülerband angefangen und Songs von den Ärzten und Nirvana gecovert. Wie wird man da zur Antifa-Band? Ihr seid mittlerweile fester Bestandteil  der autonomen Szene in Mecklenburg-Vorpommern.

Monchi: Ich möchte an dieser Stelle mal kurz erwähnen, dass wir auch nicht die einzige Band sind, die sich in der Antifa-Bewegung engagiert. Wir haben halt einfach durch diese Situation mit dem Verfassungsschutz das Privileg, eine größere Öffentlichkeit ansprechen zu können. Aber im Nachhinein war das für uns alle eine ganz natürliche Entwicklung. Man ist schon in der Schule mit diesen ganzen Nazibands in Berührung gekommen. Das lief auf Geburtstage und man hat die CDs auf dem Schulhof in die Hand gedrückt bekommen. Und Nazi sein ist vielen Gegenden Mecklenburg-Vorpommerns absolut in und akzeptiert. Aber man entwickelt sich ja als Mensch weiter, entwickelt ein politisches Bewusstsein und irgendwann wollten wir da einfach nicht mehr stillhalten. Ich weiß nicht, ob ich heute derselbe Mensch wäre, wenn ich woanders aufgewachsen wäre. Da waren so viele Erlebnisse – man hat unseren Bandbus angezündet, überall in Meck-Pom hingen Aufkleber von mir mit gespaltenem Schädel und dem Aufruf, mich platt zu machen. Natürlich bekommt man da auch Angst und natürlich hat auch die Familie, haben meine Eltern Angst um mich. Aber davon darf man sich einfach nicht einschüchtern lassen. Es wäre einfach der falsche Weg.

Und deswegen möchten wir diese große Aufmerksamkeit, die uns momentan zuteil wird, auch nutzen, um etwas zu bewegen.

FRIZZ: Die Erwähnung des Verfassungsschutzes hat euch eine ziemliche Medienpräsenz beschert. Die Intro sprach sogar in diesem Zusammenhang von „Werbung“. Ärgert Euch das?

Monchi: Ach, nee. Die Intro hat eigentlich auch immer sehr positiv über uns berichtet. Natürlich hat der Zeitpunkt im Nachhinein betrachtet gut gepasst. Der Bericht, Labelwechsel, neues Album. Aber wir haben einfach versucht, aus Scheiße Gold zu machen und haben deswegen eben unseren Fall öffentlich gemacht. Aber das als Werbung zu bezeichnen ist natürlich Quatsch. Wir haben uns ja nicht überlegt: „Da kommt im Oktober der Verfassungsschutzbericht, dann bringen wir mal das neue Album im November raus.“

Tscherni: Und es ist auch beileibe nicht so, dass wir es jetzt so superklasse finden, in diesem Bericht zu stehen. Sicher ist die Medienaufmerksamkeit auch werbewirksam, aber wir nutzen die eben primär, um unsere Themen einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren zu können.

Monchi: Wir hätten auf den ganzen Stress sicher auch gut verzichten können. Und solche Erlebnisse wie in Riesa jetzt hängen uns auch noch ziemlich an. Man kann eben diese Erwähnungen in dem Bericht immer zum Anlass nehmen, um uns zu boykottieren. Da gab es vor kurzem auch in Hamburg den Versuch, uns mit dieser Nummer bei einem Festival, bzw. vielmehr bei den Sponsoren des Festivals schlecht zu machen.

FRIZZ: Euch wurde nicht nur von den Medien Interesse entgegengebracht. Das Volkstheater Rostock hatte für seine Aufführung des Stückes „Tschik“ zwei Songs von euch adaptiert. Wie hat sich das für euch angefühlt? War das eine Bestätigung?

Monchi: Das war wirklich megafett! Man hatte uns sogar als Band eingeladen, live bei Stück zu spielen. Aber das konnten wir zeitlich wegen unseren Jobs und so nicht einrichten. Aber sie haben dann zwei Stücke von uns trotzdem für das Stück verwendet und uns zu einer Vorstellung eingeladen, die wir uns dann auch angesehen haben. Das war echt gänsehautmäßig, deine Songs in so einem ganz anderen Kontext zu sehen.

FRIZZ: Vielen Dank für das Gespräch.

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