„Ich möchte dem Gewöhnlichen das Glamouröse entlocken“

Echte Momentaufnahmen – die neuen Lieder der Anna Depenbusch

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©Steven Haberland

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Auf ihren nunmehr sieben Alben zeigte die Liedermacherin Anna Depenbusch eine enorme musikalische Bandbreite von Pop über Chansons bis Country & Blues und hat sich in die Herzen zahlreicher Musikfans hierzulande gespielt. Im Oktober präsentiert sie die Lieder ihres neuen Werks „Echtzeit“ live im Staatstheater.

FRIZZmag: Anfang März ist dein neues Album „Echtzeit“ erschienen. Ein vielseitig anwendbares Wort, das allerdings vornehmlich in einem technischen Kontext verwendet wird. Was verbindest du mit dem Begriff?


Anna Depenbusch: In erster Linie das, was ich auch mit meinen Konzerten verbinde: im Augenblick sein, in Resonanz mit dem Publikum und der Musik sein. 

„Jedes Album ist ein Meilenstein und steht für eine andere Anna“ hast du einmal in einem Interview gesagt. Welche Anna erleben wir auf „Echtzeit“?


Die mutigste Anna, würde ich sagen (lacht). Ich produziere meine Alben ja alle selbst und habe mich bereits auf früheren Platten herausgefordert und zum Teil große Produktionen mit Orchestern, Gästen und Chören organisiert. Das „Echtzeit“-Album hingegen ist so nahbar, wie es nur geht. „Echtzeit“ ist eine hundertprozentige Momentaufnahme, komplett in einem Stück aufgenommen, direkt auf Vinyl. Das war eine ziemliche Herausforderung und auch eine echte Mutprobe für mich.

Du hast bereits früher auch ganz „intime“ Varianten deiner Lieder, nur mit Stimme und Klavier, aufgenommen. Was reizt dich an dieser Reduktion? Möchtest du auf diese Weise deine Poesie mehr unterstreichen?


Die Texte haben dann mehr Platz, das stimmt. Mich reizt aber auch der Gedanke dahinter: Was passiert mit uns, wenn wir uns reduzieren? Wird es wirklich weniger oder vielleicht sogar mehr? Und ich finde auch, dass sich Songs verändern dürfen. Es macht wirklich Spaß, andere Wege zu gehen und Varianten auszuprobieren. 

Du bezeichnest dich als „Liedermacherin“, deine poetischen Texte sind untrennbarer Bestandteil deiner Musik. Woher nimmst du die Ideen für deine Texte, was inspiriert dich?


Mich inspirieren Menschen. Menschen, die ich beobachte, Menschen aus meinem Umfeld und natürlich auch meine eigenen Geschichten und Erfahrungen. Ich sehe mich als Beobachterin. Es sind ganz oft diese alltäglichen Erfahrungen, bei denen ich denke, dass da ein poetischer Zauber drinsteckt. Ich will dem Gewöhnlichen das Glamouröse entlocken, könnte man sagen. 

Deine Songs schreibst du mit Vorliebe solo am Klavier, genauer an deinem Salonflügel, den du liebevoll „Frau Rachals“ nennst. Das klingt nach einer innigen Beziehung. Wie habt ihr zusammengefunden? 


So eine große Liebe erwischt einen aus dem Nichts, glaube ich. Ich habe sie zufällig in einem Möbellager in Hamburg entdeckt. Der Flügel war sehr alt und ziemlich „runtergerockt“ – das war Liebe auf den ersten Blick. Der Flügel ist gut hundert Jahre alt und für mich eine alte Dame. Sie wurde in Hamburg gebaut und stand viele Jahre auf St. Pauli in einem Varietétheater. Hundert Jahre in Hamburg! Was hat dieser Flügel nicht schon alles erlebt?! Für mich war einfach sofort klar, dass dieser Flügel mein Geschichtenerzähler wird. Und so habe ich „Frau Rachals“ restaurieren lassen und seither spiele ich auf ihr in meinem Musikzimmer und bin immer wieder neugierig auf das, was sie mir so erzählt.

Um nochmal auf dein neues Album zu kommen: rein formal ist „Echtzeit“ ja ein Livealbum…


Ich habe nach einem Aufnahmeverfahren gesucht, dass das Gefühl auf der Bühne möglichst authentisch transportieren kann, wollte aber auch keinen klassischen Konzert-Livemitschnitt. Die haben meistens sehr viel Raum, man hört die Konzertatmosphäre, das Publikum, den Applaus. Ich wollte aber den Sound eines Studios mit der Dramaturgie eines Konzerts verbinden: alles in einem Akt durchspielen, komme, was da wolle. Das hat mich total gereizt! So bin ich auf die „Emil Berliner Studios“ aufmerksam geworden. Emil Berliner ist der Erfinder des Grammophons und in diesem Studio wird bis heute „Direct To Disc“, also direkt auf Vinyl aufgenommen, hundert Prozent analog, direkt vom Instrument auf die Schallplatte.  

Mittlerweile hast du auch dein eigenes Label gegründet – was hat den Anstoß hierfür gegeben?


Ich habe die Zeit bei „Sony“ und bei „105music“ in Hamburg mit meinen Labelkolleginnen Ina Müller und Annett Louisan sehr genossen. Doch da änderten sich mit der Zeit die Strukturen und mir wurde es dort zu anonym. Und so eine Idee, wie ich sie jetzt für „Echtzeit“ hatte, nämlich ein Album zu promoten, das noch gar nicht auf dem Markt war, ist einem kommerziellen Label auch nur schwer zu vermitteln. Und Autarkie ist mir wichtig, ich möchte nach meinem eigenen Timing arbeiten. Da war die eigene Plattenfirma die logische Konsequenz. Zudem bin ich mit der vollen Eigenverantwortung als Künstlerin auch mutiger und risikofreudiger, merke ich. Es ist ein schönes Gefühl, wenn man Sachen in Ruhe ausprobieren darf.

Die reduzierten Lieder von „Echtzeit“ sind wie gemacht für die Bühne. Freust du dich schon auf die bevorstehende Tour? Welchen Stellenwert haben Konzerte für dich? Das sind ja hundertprozentige „Echtzeit“-Momente.


Definitiv. Dafür mache ich das alles. Ich nehme meine Platten auf, um mit diesen Liedern dann auf Tour zu gehen. Umso trauriger ist es, wenn sich das jetzt fortsetzt mit den Absagen (aktuell werden immer mehr Veranstaltungen aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus abgesagt bzw. verschoben, Anm. d. Red.). Weil sich dann dieses Gefühl, das für die Bühne zu machen und mit dem Publikum teilen zu können, nicht erfüllt. Ich bin eben Liedermacherin – ich brauche die Bühne und das Publikum. 

Bis dato konnte man sich bei Anna Depenbusch immer darauf verlassen, dass alles anders bleibt. Was dürfen deine Fans von dir in Zukunft erwarten? Was kommt nach der „Echtzeit“-Tour?


Ich habe ja früher schon meine Band- und Orchester-Alben auch nochmal als „Schwarz-weiß“-Version in ganz reduzierter Form aufgenommen. Vielleicht werde ich das mit „Echtzeit“ diesmal umgekehrt machen – das ganze Album in kunterbunter Version mit Band und Orchester. Und es gibt noch die Idee, meine Kolumne, die ich monatlich auf meiner Webseite schreibe, verstärkt in mein Programm einzuarbeiten. Von daher: Ja, es gibt durchaus schon Pläne für die Zukunft.

Vielen Dank für das Gespräch.


Weitere Infos über Anna Depenbusch HIER.

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FRIZZmag präsentiert: Anna Depenbusch live

So., 4.10., 20 Uhr, Staatstheater, Darmstadt (verlegt vom 7.4.20)

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