„Netzwerke sind das A und O!“

„elfmorgen“ leben den Rockstar-Traum

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Mit ihren Songs irgendwo zwischen Punk, Rock, Pop mit deutschen Texten und jeder Menge verrückter Ideen im Kopf haben sich „elfmorgen“ eine beachtliche Fangemeinde erspielt. So beachtlich, dass die Band nun den Wiesbadener „Schlachthof“ für ein „Heimspiel“ gebucht hat.



FRIZZmag: Über ein Vierteljahrhundert ist die nach eigener Aussage „älteste Newcomerband der Welt“ nun schon unterwegs. Wie haben „elfmorgen“ zusammengefunden?


Andy: Angefangen haben wir als Skater. Aber Skaten hat die Mädels nur mäßig begeistert, zumal wir’s auch nicht wirklich gut konnten. Aus einer Schnapsidee heraus haben wir dann diese Band gegründet, obwohl keiner von uns richtig spielen konnte. Wir hatten ausgelost, wer welches Instrument spielen soll. Ich habe die Gitarre bekommen und bin bis heute dabei geblieben. 


Etwa zur Zeit eurer Gründung haben „die Ärzte“ - frisch wiedervereinigt - mit ihrem Comeback-Album „Die Bestie in Menschengestalt“ dem Punkrock hierzulande wieder mächtig Schub gegeben. Warum hat dieser Schub nicht auch „elfmorgen“ in Profisphären katapultiert?


Andy: Wir waren interessanterweise gar nicht so weit weg davon. Wir waren damals in einem sehr großen Studio in Münster und dort sehr umfangreich mit einem Produzententeam am Machen. Das war noch vor dem „Juli“-„Silbermond“-Hype und viele Labels waren auf der Suche nach der einen tollen deutschen Band. Wir waren da in der engeren Wahl, aber als es hieß, dass wir uns doch ab sofort 24/7 voll und ganz in den Dienst dieser „Pop“-Mission stellen sollten, war uns das nicht mehr so geheuer. Meine Tochter war damals gerade geboren, unser damaliger Bassist war im Begriff, auch bald Papa zu werden, und uns war klar, dass wir das so nicht bringen können und auch nicht wollten. Zumal uns langsam auch klar wurde, dass die ganze Musik, die wir dort produziert hatten, einfach nicht unser Ding war. Also haben wir’s gelassen und zu den Produzenten gesagt, dass sie sich für ihren Zirkus andere Clowns suchen müssen. 


Ihr habt allerdings nie lockergelassen und betreibt euer Musikerdasein mittlerweile auf einem sehr professionellen Level: Labelvertrag, Bookingagentur, auf Tour werdet ihr sogar von einer kleinen Roadcrew unterstützt. Die klassische „DIY Attitude“ der Punkrockszene scheint euch ins Blut übergegangen zu sein.


Andy: Absolut! Da kommen wir her. Nach der Nummer damals war für uns immer klar, dass keine Firma über uns bestimmen soll. Daher haben wir auch lange und reiflich überlegt, ob wir mit unserem jetzigen Label „Long Beach Records“ zusammenarbeiten sollen. Aber die Jungs entsprechen unseren Vorstellungen von einer „Plattenfirma“ zu hundert Prozent. Das sind echte „Brüder im Geiste“. Deshalb haben wir uns schlussendlich doch erstmalig mit einer Firma zusammengetan und geben jetzt auf unsere alten Tage nochmal richtig Vollgas! Und wir haben die „Familie“ mittlerweile stetig erweitert, wie du schon angemerkt hast.


Die viele Arbeit zahlt sich seit einigen Jahren aus: „elfmorgen“ spielen bundesweit Jahr für Jahr zahlreiche Konzerte. 2016 wart ihr an die 60 Mal auf der Bühne. Welchen Stellenwert haben Konzerte, der Kontakt zu euren Fans für euch?


Andy: Das bedeutet uns alles! Wir lieben dieses ganze Tourleben nach wie vor. Das Reisen im Bus, vor Leuten zu spielen, neue Kontakte zu knüpfen und Freundschaften zu schließen. „elfmorgen“ würde es ohne all das ganz sicher nicht mehr geben. Die Konzerte sind unser Sprit, der Kit, der all das zusammenhält. Und das Feedback ist immer noch großartig, also: Warum aufhören?


Viele dieser Konzerte bestreitet ihr gemeinsam mit anderen Bands. Auf eurer Webseite listet ihr ein beachtliches Netzwerk an befreundeten Bands, Festivals und Kooperationspartnern auf. Wie wichtig sind diese Netzwerke für Bands heutzutage?


Andy: Netzwerke sind in der heutigen Zeit das A und O für Bands. Wir haben ja das Booking bis letztes Jahr komplett autark gemanagt und ohne befreundete Bands wie „Kapelle Petra“ wären wir da nicht sehr weit gekommen. Solche Bands zu kennen, die dich jahrelang unterstützen, mit auf Tour nehmen – das ist unbezahlbar! Dank des Supports von Kapelle ist der Name „elfmorgen“ immer wieder durch Deutschland gegangen und davon haben wir enorm profitiert, keine Frage. Ein solides Fundament, auf dem unsere jetzige Bookingagentur gut aufbauen kann.


„Links, sozial und engagiert“ – dieser Claim bringt „elfmorgen“ passend auf den Punkt. Sowohl auf als auch außerhalb der Bühne steht die Band für soziales Engagement und unterstützt eine Vielzahl von Organisationen wie „Kein Bock auf Nazis“ oder „Viva Con Agua“. Wie wichtig ist es, als Band heute klare Kante zu zeigen?


Andy: Wir haben eine Stimme und wir haben die Möglichkeit, gehört zu werden. Zwar nur in einem kleinen Rahmen, aber trotzdem ist es wichtig, Haltung zu zeigen. So schwammiges Rumeiern, wie es gewisse Herrschaften aus der Popbranche praktizieren, gehört sich heute einfach nicht. Ich möchte, dass die Leute an eine antifaschistische und weltoffene Band denken, wenn sie „elfmorgen“ hören. Die Nazis okkupieren ja immer gerne auch mal die eine oder andere Punkband – das soll uns auf keinen Fall passieren und deswegen stehen wir ganz klar für unsere Werte und Ansichten ein. Jede Band sollte ihre Stimme nutzen!


Ihr gehört seit Jahren schon quasi zum Inventar zahlreicher hessischer Festivals. Mit dem „Trebur Open Air“ seid ihr seit 2013 sogar offiziell verheiratet. Wie heimatverbunden seid ihr? Was schätzt ihr an der hessischen Musik- und Festivalszene besonders?


Andy: Wir mögen unsere Heimat und fühlen uns sehr wohl in Hessen. Das ist einfach unsere Gegend und die Festivalszene ist großartig! Das „Trebur Open Air“ war das erste Festival, das uns live eine Chance gegeben hat. Das war einfach Liebe auf den ersten Blick! Und wir sind halt eine sehr treue Band: allen Festivals, die uns am Anfang so toll unterstützt haben, versuchen wir heute soviel wie möglich zurückzugeben. 


Euer neues Album trägt den bezeichnenden Titel „Zuhause“. Was könnt ihr darüber erzählen?


Chris: Wir sind in der jetzigen Besetzung seit etwa zwei Jahren zusammen und waren live recht lange mit den alten Songs unterwegs. Von daher war das Album ein wichtiges, erstes gemeinsames Statement für uns als Band. Da hat jeder alles reingegeben und „Zuhause“ ist die musikalische Quintessenz von uns dreien. Es war für uns auch recht früh schon klar, dass wir das Album alleine produzieren und in unserem eigenen Studio aufnehmen – eben komplett „zuhause“ arbeiten. Wir wohnen auch alle mittlerweile ziemlich Tür an Tür und sind als Band und auch als Freunde sehr happy miteinander. Der Titel drückt dieses Gefühl einfach am besten aus und wir freuen uns schon sehr darauf, diese neuen Songs live vorzustellen.


2018 seid ihr auf die abenteuerliche Idee gekommen, die nicht eben kleine „Batschkapp“ zu mieten und mit Freunden wie „Seesaw“ und „Frau Doktor“ ein „Heimspiel“ zu geben. Der Plan scheint aufgegangen zu sein: Dieses Jahr habt ihr den noch größeren „Schlachthof“ in Wiesbaden gebucht und lasst es live abermals im großen Stil krachen. Die späte Erfüllung eurer Rockstar-Träume?


Andy: „Irrsinn“ trifft es besser (lacht). Wir haben halt ein Faible für wahnsinnige Ideen. Wobei diese Idee noch nicht mal auf unseren Mist gewachsen ist, sondern vom Booker Maik Strübe stammt, der auch für das „Open Flair Festival“ bucht und meinte, dass wir unbedingt mal ein „Heimspiel“-Konzert spielen müssen. Einfach ein Konzert, das ganz klar „unser“ Konzert ist, wo wir alles reinlegen. Das haben wir dann 2017 zum ersten Mal im „Nachtleben“ gemacht und das war sofort komplett ausverkauft. Da mussten wir uns erst mal kneifen. Noch ganz berauscht von dieser Nacht, haben wir dann kurzentschlossen die „Kapp“ gemietet. Allerdings ist uns dann schnell der Arsch ziemlich auf Grundeis gegangen, denn der Laden ist halt schon fünfmal so groß wie das „Nachtleben“. Wir haben dann ein Jahr lang alles für diesen Abend gegeben und es hat tatsächlich auch in dieser Größenordnung funktioniert. Und da viele Freunde von uns im „Schlachthof“ arbeiten, hat’s uns dieses Mal nach Wiesbaden gezogen. Aber keine Sorge – weiter gehen die Träume erst mal nicht. „elfmorgen @ Festhalle Frankfurt“ wird’s nächstes Jahr sicher nicht geben, keine Sorge!  


Vielen Dank für das Gespräch.



Weitere Infos hier.



FRIZZmag präsentiert: elfmorgen & Freunde live



Sa., 28.12., 19 Uhr, Schlachthof, Wiesbaden



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