Beziehungskrach durch Laufmaschen

Die neueste Komödie von Yasmina Reza ist ein Witz. Vielleicht schenkt das Theater Profisorium gerade deshalb einem bewährten Dauerläufer der Französin fürs Darmstädter Theater Moller Haus mehr Vertrauen: In „Drei Mal Leben“ (ab 28.2.) werden die Trennung von Bühne und Zuschauerraum aufgehoben und gesellschaftliche Normen verwischt.

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© Manfred Rademacher

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Es sind scheinbar belanglose Sätze, die Yasmina Reza in ihren Theaterstücken in den Raum hängt wie die losen Fäden in einem Strickpullover - kaum hat einer daran gezogen, ribbelt das große Ganze auf. „Er will einen Keks“, lautet der Satz, der in „Drei Mal Leben“ die Lunte legt für einen explosiven Abend, an dem sich zwei Ehepaare gegenseitig demontieren. Regisseur Ulrich Faudt hat das bewährte Stück jetzt in Darmstadt eingerichtet und als Biotop für die gutbürgerlichen Streithähne in die schicke Designer-Umgebung auf die Rampe des Moller Hauses gepflanzt. Dabei soll die Trennung von Bühne und Zuschauerraum aufgehoben werden, verspricht die Spielleitung. Vereint im Drama sozusagen.

Die französische Erfolgs-Dramatikerin beschreibt mit Sensibilität, Humor und hinterhältiger Bösartigkeit in drei Variationen das Zusammentreffen zweier Ehepaare, das sich jedes Mal anders gestaltet, obwohl es doch stets um die gleiche Grundkonstellation geht. Der Astrophysiker Henri und seine Frau Sonja, die sich in ihrem Pariser Loft einen gemütlichen Abend machen wollen, erhalten überraschend Besuch von dem befreundeten Pärchen Hubert und Ines. In der Komödie voller Hintersinn werden wir Zeuge der Alltagssorgen überforderter Mittelstandseltern, deren Eheproblemen und Karriereplänen. Da können Laufmaschen zum handfesten Beziehungskrach führen. Der Verlauf des Abends steigert sich vom Small Talk ins Absurde, und weil sich auch die  Machtverhältnisse permanent verschieben, poppen ständig neue Koalitionen auf. Sehr zum Vergnügen des Publikums, das amüsiert miterlebt, wie bereits kleinste Veränderungen von der einen zur anderen Minute ganze Lebensentwürfe grundlegend über den Haufen werfen.

Yasmina Rezas Dialogstücke bewegen sich stets zwischen Banalität und Aberwitz.

„Drei Mal Leben“, das fünfte Theaterwerk der Pariserin, ist zeitlos und aktuell zugleich. Handlung und Dialoge bewegen sich zwischen Banalität und Aberwitz und könnten so oder so ähnlich an jedem Abend in nahezu jedem Wohnzimmer stattfinden. Dies wird umso deutlicher, als dass uns Reza unterschiedliche Deutungen des gleichen Abends bietet, die es jeweils auf unterschiedliche Art mit Glaubwürdigkeit und Leben zu füllen gilt. Dabei werden Gast und Gastgeber hofiert und hintergangen, gesellschaftliche Normen verwischt und pädagogische Regeln ebenso bedenkenlos gebrochen wie verflochten. Ein Stück also, das für den rührigen Darmstädter Theaterverein wie bestellt wirkt. Denn bei den Inszenierungen dieser ambitionierten Amateur-Theatertruppe können die Zuschauer seit rund 25 Jahren im wahrsten Sinne des Wortes hautnah miterleben, wie aus subtilen Theater-Alpträumen unverhohlene Realitäten werden.

„Drei Mal Leben“ steht ab 28. Februar 2020 auf dem Spielplan des Darmstädter Theater Moller Haus. Vorstellungen des Theaters Profisorium sind in der Sandstraße 10 derzeit bis zum 5. April terminiert. Infos und Tickets über das Gesamtprogramm der Saison 2019/20 hält die Spielstätte der Freien Theaterszene Darmstadt im Internet unter www.theatermollerhaus.de bereit. Informationen über die Aktivitäten des Theatervereins Profisorium sind zudem über deren Homepage www.theaterprofisorium.de abrufbar.

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