Erinnerungen an den Groove

Das Diogenes-Taschenbuch „Soundcheck“ (ab 21.3.) versammelt nicht nur Geschichten für Musikfans von namhaften Autoren wie T.C. Boyle, Navid Kermani oder Sven Regener. Es versöhnt auch mit dem Soundtrack des eigenen Lebens.

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Unter einem Soundcheck verstehen Musiker die Kontrolle und Einstellung der Beschallungsanlage vor dem eigentlichen Einsatz im Konzert. Natürlich dient der Test vielen auch einfach nur zum Warmspielen. „Soundcheck“ nennt sich auch eine von Christine Stemmermann zusammengestellte Auswahl von Geschichten, die sich ausnahmslos um Autoren und deren Abenteuern und Erlebnissen rund um die Musik drehen. Warmspielen oder vielmehr -schreiben musste sich hier freilich niemand mehr. Die Geschichten und Aphorismen stammen fast ausnahmslos aus dem Nachlass der Autoren oder dem Gesamtprogramm des Verlages. Eine Resterampe, die es selbstverständlich im Retro-Zeitalter zu plündern lohnt.

Wer Haruki Murakami, Navid Kermani, George Watsky, Benedict Wells, Sven Regener (Foto), Rachel Joyce oder Lily Brett als große epische Erzähler und Romanciers unter dem Dach des traditionellen Schweizer Diogenes Verlages kennt, wird überrascht sein, dass die meisten von ihnen auch auf der Kurzstrecke überzeugen. Den aktuellen Soundcheck haben die meisten Autoren zwar geschwänzt und lieber ihre bibliografische Backlist bemüht, die Rückschau auf den Soundtrack ihres eigenen Lebens groovt dennoch. Zusammengekommen sind stimmungsvolle Stories über Blues, Jazz, Rock und Pop. Die Magie der Musik entfaltet sich hier in den unerwarteten Momenten quasi zwischen den Zeilen, wenn etwa ein Paar Liebe zu Fahrstuhlmusik macht. Oder der Frage nachgegangen wird, ob es einen Himmel für Rocker gibt.

Ein schlankes Musikbrevier für Leseratten und Musikfans gleichermaßen ist „Soundcheck“ geworden, ein Taschenbuch, dem man gerne nachsieht, dass es sich zumeist aus der Konserve speist, da nur T.C. Boyle und Grégoire Hervier tatsächlich exklusive Beiträge beisteuern konnten oder wollten. Sei’s drum: Lebt nicht mittlerweile die gesamte Musikbranche von den großen Rückgriffen auf und den Erinnerungen an die Vergangenheit? Von verblassenden Mythen und vergessenen Legenden? Und was wären nicht zuletzt wir Leser ohne die verklärend-verwaschenen musikalischen Erinnerungen an die wirklich großen Momente unseres Erwachsenwerdens? Das erste Stones-Konzert. Der ungelenke Smoke-on-the-Water-Akkord auf der E-Gitarre. Die ungezählten Ludwig-Hirsch-Platten, die einen durch die depressive Jugendphase zogen und später verschämt im Keller verschwanden. Herrje, Loriot hatte wirklich Recht. Ein Leben ohne diese „good vibes“ ist möglich, aber sinnlos.

Christine Stemmermann (Hrsg.), „Soundcheck“, 256 Seiten, Taschenbuch, Diogenes, 10 Euro.

Infos zum Gesamtprogramm des Züricher Diogenes Verlags hält das Internet unter www.diogenes.ch bereit.

Sven Regener gastiert zudem mit seiner Combo Element Of Crime in der Jahrhunderthalle Frankfurt (11.5.). Infos unter www.svenregener.de

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