Politsatirisches Königsdrama

Neben schwarzem Humor gibt es im zweiten Teil seiner Romantrilogie nun auch reichlich Blut und Leichen: Mit „Theaterwut“ ist der „Echo“-Kulturredakteur Stefan Benz am 9. Januar 2020 im Darmstädter Künstlerkeller unterm Stadtschloss zu erleben.

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© Privatarchiv

Im vergangenen, dampfenden Sommer verkürzte uns Stefan Benz das lange Warten auf die kommende Theatersaison mit einem launigen Roman, der zwischen Theatergroteske, Crime-Soap und einer ordentlichen Schippe Lokalkolorit mäanderte. In „Theaterdurst“, dem ersten Teil einer als Trilogie angelegten Breitseite gegen das Bühnen- und Medien-Buhei, ließ der renommierte Darmstädter „Echo“-Kulturredakteur seinem Alter Ego und Romanhelden Julius Beck noch tief in Weinflaschen blicken und bei Klassiker-Inszenierungen wegdämmern. Das antike Drama lieferte den Skandal, den der verpeilte Stückedeuter glatt verpennte. Statt von seiner verhinderten Dauerbegleiterin Paula, musste sich Beck die Ereignisse vom unbedarften Praktikanten Franz Mager praktisch über Bande nachreichen lassen.

Fünf Inszenierungen, fünf Kapitel, und am Ende mussten drei Schauspielerinnen vergiftet um ihr Leben kämpfen. Die Arglist wirkte hier so hinterhältig wie das Gift selbst, auch weil die Heimtücke nicht nur die Inszenierungen im Griff hatte, sondern die Intrige zum unabänderlichen Gencode eines jeden realen Bühnenbetriebs zu gehören schien wie Souffleusen und Inspizienten. Vor lauter Leseglück und kriminalistischem Scharfsinn hat manch einer gerne übersehen, dass „Theaterdurst“ mehr vergorenen Traubensaft als Theaterblut verspritzte und der detektivische Nobody Beck in uns Lesern zwar die Spürnase für eine starke Story weckte, aber es eben keine Leichen gab, die uns traumatische Lesenächte bereiteten.

Das Stadtparlament spielt Theater, die Bühnenkunst versteckt sich im Reiterhof.

Das ist bei „Theaterwut“ nun anders. Blutig sind nicht bloß die Königsdramen, die sie am Theater geben. Ruchlos sind auch die Machtspiele, die die Stadt aufführt. Weil der Superdezernent gerne Oberbürgermeister werden will, leuchtet er die kommunalen Ränkespiele gleich als Schauspiel aus, weil die Lokalpolitik grell inszeniert werden will. Da tagt das Parlament im Sprechtheater, das Theater muss sich derweil in der Kunsthalle und in einem Reiterhof verstecken. Doch der wirre Weg zum politischen Erfolg ist mit Leichen gepflastert. Gerne würde der schläfrige Kritiker Justus Beck da wie im ersten Teil bei Shakespeare ein Nickerchen halten, doch das lebensgefährliche Stadt-Theater lässt ihn bei „Theaterwut“ hellwach hinter die Kulissen blicken. Was sich bei „Theaterdurst“ andeutete, erfährt nun eine stimmige satirische Fortschreibung mit etlichen Déjà-vus, die nur die Techtelmechtel von real existierenden Kulturtreibenden hervorbringen.

Einigen der Figuren meint man denn auch auf den Fluren oder in den Kantinen der hiesigen Theater- und Medienhäusern tatsächlich schon einmal begegnet zu sein. Darmstadt mit seinem Staatstheater und der traditionell engen Bindung zwischen Politik und Kultur ist per se ja ein fruchtbares literarisches Jagdgebiet, in dem sich die politischen Besitzansprüche beim Eiertanz um die kulturellen Subventionstöpfe beständig spöttisch ausleuchten lassen. Wer aber behält die Oberhand in der Schlacht um die Deutungshoheit von Kunst? Und wer hält hier eigentlich wem die Karriereleiter auf dem Weg nach oben? Der leicht verwitterte Kritiker-Misanthrop Justus Beck jedenfalls wird im Kulturteil seiner fiktiven Tageszeitung noch mächtig Überstunden schieben müssen, um das Rätsel seines kriminalsatirischen Wimmelbildes im letzten Akt dieses Polit-Triptychons aufzulösen. Herr Benz, schießen Sie los!

Stefan Benz, „Theaterwut“, 264 Seiten, Verlag Tredition, 11,99 Euro (Paperback) oder 19,99 Euro (Hardcover).

Infos zum Gesamtprogramm des Hamburger Tredition-Verlags hält das Internet unter www.tredition.de bereit. Am Donnerstag, (9. 1., 19.30 Uhr) liest Stefan Benz zudem im Darmstädter Künstlerkeller unterm Schloss (www.keller-klub.de). Fans der Reihe „Krimilust“ sollten sich außerdem den 16. Mai 2020 (Sa., 19 Uhr) vormerken: Neben der traditionellen Literaturlesung mit Benz in der Darmstädter Stadtkirche (www.stadtkirche-darmstadt.de) wird ein Sachverständiger für DNA-Analysen Einblicke in seine kriminalistische Arbeit geben. Weitere Termine sind in Vorbereitung und können der Tagespresse entnommen werden.

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