Warum in die Ferne schweifen...?

Outdoor-Special #6: Wandern im Darmstädter Stadtwald

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© Benjamin Metz

Im vergangenen Sommer waren wir für euch auf großer Wandertour im Odenwald unterwegs und haben zahlreiche schöne Impressionen sammeln dürfen. Dass man allerdings schöne und abwechslungsreiche Wanderoptionen direkt vor der Haustür hat, zeigen beispielsweise die zahlreichen Routen rund um die Fischerhütte im Darmstädter Stadtwald. FRIZZmag hat sich auf Wandertour begeben.

Wenn ich eine Erkenntnis aus meiner letztjährigen Wanderung für FRIZZmag gewonnen habe, dann diese: eine gute Vorbereitung ist das A und O einer jeden Tour. Deshalb plane ich seither aufwendigere Odenwald-Trips immer mit entsprechend Vorlauf und Zeit. Seit einigen Monaten suche ich jedoch das kleine Wandererlebnis für den Feierabend oder an einem Vormittag am Wochenende. Natürlich möglichst ohne größere Anfahrt. Gibt’s das? Ein Besuch der Webseite des Geoparks Bergstraße-Odenwald gibt Aufschluss: Ja, gibt es und auch in großer Zahl direkt vor der Tür. Also packe ich einen kleinen Rucksack mit Windjacke und Wasser, laufe vom Martinsviertel zum Vivarium und weiter zur Fischerhütte, wo zahlreiche passende Wanderrundwege ihren Startpunkt haben. Routen, die nicht nur zum Laufen schön sind, sondern auch interessante Geschichten vorzuweisen haben. Die Historie hinter dem legendären Kotelettpfad beispielsweise: Im 19. Jahrhundert entstand der Brauch, dass Darmstädter Bürger sich oftmals sonntags zu Fuß ins benachbarte Roßdorf aufmachten, um dort im Gasthaus „Zur Sonne“ die vermeintlich größten und besten Koteletts der Region zu genießen. Die hungrigen Darmstädter zog es so zahlreich nach Roßdorf, dass nach und nach ein Trampelpfad entstand, der heute als Kotelettpfad bekannt ist. Nach dem Ersten Weltkrieg geriet dieser Brauch allmählich in Vergessenheit, doch seit einigen Jahren findet alle zwei Jahre wieder eine große Bürgerwanderung auf dem Pfad, natürlich nebst nalem Fleischgenuss, statt.

Kotelletessen ist zwar nun nicht unbedingt meins, aber die Strecke nach Roßdorf ist mit ihren acht Kilometern und vor allem der Option, später noch über den Traisaer Datterichpfad zurück zu laufen und in der Fischerhütte einzukehren, sehr nach meinem Gusto. Also mache ich mich auf den Weg, immer das gelbe „V“ im Blick, das die Route nach Roßdorf kennzeichnet. Auf den ersten Metern ist der Weg eher unattraktiv, da er entlang der lärmenden B26 verläuft, doch noch ca. einem Kilometer biegt die Route ab in tieferes Waldgebiet. Auf einmal ist es ruhig und ein Gefühl der Entschleunigung stellt sich ein. Nach gerade mal 15 Minuten Fußweg von der Fischerhütte ist man inmitten purer Natur, die auch im Odenwald nicht schöner und vielfältiger sein könnte. Zahlreiche Wildkräuter wie Hahnenfuß, Giersch oder Storchenschnabel und Blumen wachsen entlang des Weges, der mich schließlich zum schönen Ludwigstempel führt, einer alten urigen Wanderhütte mit Blick auf eine schöne Auenlandschaft. Hier verweile ich kurz ein wenig und mache mich weiter auf gen Rossdorf.

Einen Abstecher in den Ortskern in die „Sonne“ spare ich mir, Hunger habe ich aber nach gut zwei Stunden Wanderungen dennoch. Zum Wasser noch eine Stulle in den Rucksack zu packen, wäre sicher kein Fehler gewesen. Doch bevor ich mich in der Fischerhütte stärken kann, geht es noch weiter gen Osten nach Traisa zum Datterich-Pfad. Nachdem der größte Teil des Kotelletpfads querfeldein entlang kleiner Trampelpfade führte, die einsam und idyllisch waren (was ich an Wanderungen im Odenwald sehr schätze), fällt mir auf den großen Waldwegen nach Traisa erstmals wieder die Nähe zur Stadt auf. Viele Fahrrad fahrende Familien, Jogger und Hundebesitzer beim sportlichen Gassigang. Nicht großartige störend, aber wenn es sich vermeiden lässt, sollte man diesen Wegen fernbleiben (zumal einige Mountainbiker die Gegend als „ihr“ Revier ausgemacht zu haben scheinen und wie die Henker durch den Wald rasen). Nach gut drei Stunden erreiche ich schließlich den Datterichpfad und wandere zurück Richtung Heimat. So langsam weitet sich das kleine Hungergefühl zu einem bedenklichen Loch im Bauch aus und die Fischerhütte erscheint mir mittlerweile als Sehnsuchtsort lukullischer Träume. Nach gut vier Stunden und vierzehn Kilometern bin ich schließlich an der Hütte meiner Träume angekommen. Ich genieße die Abenddäm- merung auf der schönen Terrasse, esse meinen Kochkäse und erkenne (wie schon so oft in Darmstadt): „Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!“

Weitere Infos unter:

www.geo-naturpark.net

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