„Wir wollen einfach unabhängig bleiben“

Golden Leaves, Teil 2 - Live at Bedroomdisco geht wieder Open Air

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Die "Wohnzimmerkonzerte" sind geheime Konzerte an wechselnden Orten, zu denen man sich anmeldet und nur wer auf der Gästeliste steht, bekommt die Infos zum Ort, wo das Konzert stattfindet. Der Eintritt ist kostenlos, aber von jedem wird eine Spende an die Bands erwartet. Mit diesem interessanten Konzept konnte der Veranstalter "Live at Bedroomdisco" bereits zahlreiche Freunde gewinnen und hatte im vergangenen Jahr auf die gleiche Art mit dem Golden Leaves erstmals auch sehr erfolgreich ein Festival veranstaltet. Logische Konsequenz: In diesem Jahr folgt vom 07. - 08. September die zweite Auflage. Frizz Redakteur Benjamin Metz traf Golden Leaves Mit-Organisator Dominik Schmidt zum Gespräch.

FRIZZ: Ihr habt im vergangenen Jahr erstmals das Golden Leaves veranstaltet und obwohl ihr das Line up nur in Häppchen bekanntgegeben habt und die Location bis kurz vor der Veranstaltung geheim blieb, waren alle Plätze innerhalb kürzester Zeit vergeben. Habt Ihr mit diesem Erfolg gerechnet?

Dominik Schmidt: Ich hatte sowieso vor, als Masterarbeit für mein Studium ein Festival zu organisieren. Allerdings hatte ich das ursprünglich mit anderen Leuten geplant. Das hat dann leider nicht geklappt und so kam dann schnell die Idee, mit dem Konzept der Wohnzimmerkonzerte ein eigenes Festival auf die Beine zu stellen. Der Erfolg war aber eher schwer abzusehen, da wir das sehr kurzfristig angegangen sind. Wir haben das Golden Leaves innerhalb von zwei Monaten auf die Beine gestellt und es lief auf Anhieb sehr rund. Der große Publikumszuspruch war dann natürlich eine schöne Bestätigung und ein deutlicher Beleg, dass unser Konzept gut ankommt.

FRIZZ: Im September folgt nun das 2. Golden Leaves. Neu ist diesmal der Umfang, allerdings bleibt das Wesentliche gleich – geheime Location, Eintritt frei und nur ein begrenzte Anzahl an Gästelistenplatzen. Warum diese Exklusivität?

Dominik Schmidt: Die Festivallandschaft ist mittlerweile ziemlich dicht und es ist gerade in kleinem Rahmen schwierig, neue Konzepte auf den Weg zu bringen. Unsere Idee geht halt einen sehr ungewöhnlichen Weg, denn wir sagen den Bands: „Wir können euch keine Gage zahlen, aber wir schaffen einen schönen Rahmen für euer Konzert und die Leute zahlen euch direkt, was ihnen euer Konzert wert ist.“ Da scheint auch ein gewisser Reiz für die Künstler zu liegen. Und wir achten sehr darauf, dass jede Band gleich wahrgenommen wird. Es gibt nur eine Stunde Einlass, sodass auch bei der ersten Band bereits alle Leute da sind. Und das ist auch gerade für kleinere, unbekannte Bands eine gute Gelegenheit, sich ein Publikum zu erspielen. 

FRIZZ: Euer Konzept lässt Euch jede Menge Raum zum experimentieren, denke ich. Die Erwartungshaltung von Fans, die 100 Euro und mehr für ein Ticket bei Rock am Ring bezahlt haben ist sicher eine andere als bei Euch. 

Dominik Schmidt: Eben. Wir bringen die Band dem Publikum ja auch im Vorfeld näher und präsentieren viel Musik und Infos vorab über unsere Webseite, Facebook und unseren Newsletter. Wir möchten, dass sich die Leute mit der Musik der teilnehmenden Bands auseinandersetzen. Und wir achten darauf, dass die Leute auch aufmerksam sind. Das ist bei vielen Festivals mittlerweile verlorengegangen, weil da immer mehr so ein Eventcharakter vorherrscht. Da geht’s gar nicht mehr wirklich um die Musik, sondern um Zelten, Saufen und zwei Bands anschauen. Uns geht’s hingegen nur um die Musik und wir möchten einfach, dass die Leute die auch wertschätzen. 

FRIZZ: Wie reagieren eigentlich die Künstler auf euer Konzept? Junge, unbekannte Künstler dürften sich ja über jede Auftrittsmöglichkeit freuen und dankbar sein. Aber eine Band wie Hundreds arbeitet ja schon auf recht professionellem Level und hat in der Regel auch Leute, die sie bezahlen muss. Kommen denn da genug Spenden vom Publikum, um eine solche Band zu finanzieren? 

Dominik Schmidt: Eine Band wie Hundreds auf dem Festival zu haben, ist natürlich wunderbar. Für solche Momente machen wir das Ganze überhaupt. Wir sind von Beginn ihrer Karriere an Fans der Band. Wir haben die eigentlich eher aus einer Laune heraus angefragt, aber nicht im Traum damit gerechnet, dass die bei uns auftreten würden. Aber wir haben offensichtlich ein gutes Netzwerk, denn die Band kannte das Golden Leaves tatsächlich und hatte Lust, bei uns zu spielen, weil ihr das Konzept gefällt. Aber natürlich müssen wir schauen, dass die Band wenigstens ihre Unkosten decken kann. Alles in allem kommt unser Konzept aber bei den Künstlern sehr gut an. Zumindest bei den deutschen Bands und Agenturen ist das so. Bei den ausländischen Agenturen mutet unser Konzept mitunter etwas merkwürdig an. Das ist ja auch ziemlich hippiemäßig: „Hey, wir können euch nicht bezahlen, aber die Leute spenden was, damit ihr die Unkosten wieder raushabt“ (lacht). Aber wir geben uns viel Mühe und leisten immer wieder Überzeugungsarbeit. 

FRIZZ: Das Golden Leaves ist ja aus eurer Konzertreihe „Live at Bedroomdisco“ hervorgegangen. Die Bedroomdisco ist mittlerweile zu einer Art kulturellen  Großbaustelle gewachsen. Sie existiert als Radiosendung, DJ-Set, Musikblog, Konzertreihe und mittlerweile auch als Youtube-Channel mit eigens gedrehten Videos. In so vielen kreativen Töpfen zu rühren schafft sicher viele Synergien, oder?

Dominik Schmidt: Auf jeden Fall! Das hat enorm viele Vorteile. Wir kennen jede Perspektive: Die des Künstlers, aber auch die der Promotoren und Agenturen. Wir haben so etwas wie die Bedroomdisco auch immer gesucht – einen luftleeren Raum, den man nach ganz eigenen Vorstellungen mit Inhalten füllen und gestalten kann. Allerdings merken wir inzwischen auch, dass manches schwieriger wird. Wir sind halt keine Studenten mehr, die immer mal zwischendrin Zeit haben und schnell mal ein Video drehen können. Wir müssen halt auch unsere Jobs machen und unsere Miete zahlen. Und dann so nebenher einen Fulltime-Job wie das Festival zu machen, kostet mitunter schon ziemliche Kraft. Meine Freundin meinte, dass ich neulich im Schlaf schon gemurmelt habe: „Wir schaffen das nicht, wir schaffen das nicht!“ (lacht). 

FRIZZ: Ihr kommt ohne einen Cent Kulturförderung aus. Die Bedroomdisco ist ein reines DIY-Projekt. Wäre eine finanzielle Unterstützung von staatlicher oder privatwirtschaftlicher Seite nicht hilfreich? Oder befürchtet ihr, dass an eine solche Unterstützung auch Verpflichtungen gebunden sind?

Dominik Schmidt: Da haben wir gar nicht mal so große Befürchtungen. Es geht mehr um unseren eigenen Anspruch. Die Leute sollen einfach wissen, dass es uns nicht ums Geld geht. Und das geht einfach verloren, wenn wir jetzt anfangen, Red Bull auf unsere Plakate zu drucken. Dieses „Wir machen das aus Liebe zur Musik“ wird dann nicht mehr so einfach zu kommunizieren sein. Und es wird auch schwierig, Spenden für die Künstler zu sammeln, wenn man Coca Cola und Lufthansa mit im Boot hat. Wir wollen einfach unanhängig bleiben und ich glaube auch, dass die Leute das von uns irgendwie erwarten. Es wäre allerdings manchmal wünschenswert, wenn die Leute etwas mehr Verständnis dafür aufbringen, dass solche Veranstaltungen trotzdem Geld kosten und auch die Künstler etwas verdienen möchten. Es ist schade, wenn man Konzerte sieht, wo die Leute nicht mal bereit sind, fünf Euro zu bezahlen, für eine Band, die beispielsweise aus Kanada kommt.

FRIZZ: Neben deinen ganzen Aktivitäten für die Bedroomdisco und die Organisation des Golden Leaves Festivals leitest du im Hauptberuf mittlerweile das Kulturmarketing und die Öffentlichkeit des Wiesbadener Schlachthofs. In wieweit fließen deine Erfahrungen aus den Bedroomdisco Aktivitäten in deine Arbeit für den Schlachthof ein und umgekehrt?

Dominik Schmidt: Da gibt es natürlich schon vom Ansatz her ziemlich viele Unterschiede. Aber die ganze Arbeit für die Bedroomdisco macht natürlich auch einen Teil meiner Persönlichkeit aus. Und für den Schlachthof waren meine ganzen Erfahrungen, die ich mit der Bedroomdisco machen konnte, sicher auch ein nicht unwesentlicher Punkt, als es um meine Anstellung ging. Mittlerweile würde ich sagen, dass beide Jobs an einander partizipieren. Ich kann mein Knowhow aus den Bedroomdisco-Veranstaltungen beim Schlachthof einbringen und umgekehrt.

FRIZZ: Bei einer solchen Fülle von Aktivitäten stellt sich die Frage nach dem Privaten? Geht das bei Dir komplett in deinen Jobs auf? Oder hat Dominik Schmidt auch mal Zeit für seine Freundin oder einen Urlaub?

Dominik Schmidt: Das ist schon schwierig. Zumindest im Moment. Man hat halt seinen normalen Job und dann noch das Festival und hört irgendwie einfach nie auf zu arbeiten. Meinen Freunden und mir ist neulich mal aufgefallen, dass wir sogar abends, wenn wir mal unterwegs sind, nur über das Festival reden. Wir gehen alle auch ein bisschen auf dem Zahnfleisch mittlerweile (lacht). Aber das tolle Feedback der Leute gibt auch ziemlich viel Energie. Es lassen sich immer noch Leute auf die Warteliste für das Festival setzen, das ist echt beeindruckend und irgendwie ist das auch ein Auftrag, das jetzt richtig gut über die Bühne zu bringen.

FRIZZ: Vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Infos unter:

http://​www.goldenleavesfestival.de

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