"Wie ein großer Rausch"

Okta Logue melden sich mit neuem Album zurück

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© Band

Mit ihrer ganz eigenen Interpretation des Psychedelic-Rock der späten 60er und frühen 70er Jahre hat sich das Darmstädter Quartett Okta Logue im Laufe der vergangenen Jahre hierzulande und auch international eine beachtliche Fangemeinde erspielt. Mitte April veröffentlicht die Band nun ihr drittes Album „Diamonds and Despair“. FRIZZ-Redakteur Benjamin Metz traf Sänger und Bassist Benno Herz und Gitarrist Philip Meloi zum Interview und sprach mit ihnen über das neue Album, Konzerterlebnisse als deutsche Band in den USA und den neuen Mann am Keyboard.

FRIZZ: Der ehemalige Spex-Chefredakteur Thorsten Groß hat Euer neues Album "Diamonds and Despair" als Euer "bisher bestes Werk" bezeichnet. Objektiv kann man auf jeden Fall festhalten, dass es Euer vielschichtigstes ist. "Diamonds" wirkt wie ein Querschnitt Eures bisherigen Schaffens, wie ein Fazit. Wie fühlt sich das Album für Euch an?

Philip: Fazit… warum nicht? Es ist auf jeden Fall der Abschluss der Zusammenarbeit mit unserem langjährigen Keyboarder Nicolai und auch meiner Meinung nach das beste Album, das wir bisher gemacht haben.

Benno: Ein Fazit ist das Album vielleicht insofern, als dass es alle musikalischen Elemente, die wir bisher verwendet haben, zusammenfasst. Nur haben wir diese ganzen Elemente auf dem neuen Album noch extremer ausgelotet. Das Ganze ist wesentlich konsequenter umgesetzt.

© Klaus Mai

FRIZZ: Produziert wurde das neue Album vom Hamburger Studiocrack Swen Meyer, der bereits für zahlreiche bekannte Bands wie Tomte, Kettcar oder Olli Schulz an den Reglern saß. Welchen Einfluss hatte er auf das Album?

Philip: Wir haben uns diesmal wesentlich mehr Gedanken im Vorfeld zum Album gemacht und auch einiges vorproduziert. Swen kam ab einem Punkt dazu als wir schon einen Pool von zehn, zwölf Songs hatten und ist diese dann Stück für Stück mit uns durchgegangen. Er hat uns viele wertvolle Tipps gegeben und uns auch in Sachen Groove, Gesang und Songstrukturen sehr gut gecoacht.

Benno: Und er verfügt natürlich über ein enormes KnowHow, was diverse Studiospielereien angeht. Er hat uns da ganze Soundwelten präsentiert und hat großem Anteil daran, dass die Songs so fett klingen.   

FRIZZ: Eure Musik und euer Auftreten sind stark von den späten 60er und frühen 70er Jahren beeinflusst. Ist eure Musik einfach eine Reminiszenz an diese Zeit oder einfach auch eine Möglichkeit mit den Versatzstücken aus der Vergangenheit etwas Neues zu machen? Denn im Grunde ist musikalisch und optisch alles schon mal dagewesen – man kann sich im Grunde nur wiederholen.

Benno: Das stimmt. Und natürlich bietet die Vergangenheit einen riesigen Schatz verschiedenster Inspirationen. Die interessantesten Sachen, die ich in den vergangenen Jahren gehört habe, waren in der Regel diejenigen, die bestehende musikalische Konzepte neu zusammengefügt haben. The War on Drugs, beispielsweise, und auch so viele andere Bands greifen in ihren Songs immer wieder zurück auf Sachen, die es schon gab. Und so geht es uns auch, wir sind ja letzten Endes eine Rockband, die sich naturgemäß in einem bestimmten Klangkosmos bewegt. Wenn wir etwas wirklich ganz Neues machen wollten, müssten wir wahrscheinlich Zwölftonmusik auf irgendwelchen Kalimbas spielen (lacht).

Philip: Wobei wir uns auf dem neuen Album auch deutlich weiter bewegen konnten, einfach, weil wir mittlerweile sehr genau wissen, wie wir klingen wollen und wie wir als Band funktionieren. Das gibt eine große Sicherheit und die erlaubt es auch, musikalisch immer wieder mal ausbrechen zu können. Wir sind definitiv experimentierfreudiger geworden.

FRIZZ: Nach dem überraschenden Erfolg Eures Debüts "Ballads of a Burden" habt Ihr Euch mit dem Nachfolger "Tales Of Transit City" offensichtlich schwer getan. Philip sagte über die damaligen Aufnahmen, dass Ihr unter Eurem Potential geblieben sei. Was ist damals falsch gelaufen?

Benno: Ich würde gar nicht mal sagen, dass damals irgend etwas “falsch” gelaufen ist. Die Gesamtsituation war einfach ungünstig. Unser Debüt war schon ein Jahr draußen und wir tappten mit den neuen Songs ein Stück weit im Dunkeln. Hinzu kam, dass die Vorstellungen der Produzenten, mit denen wir damals zusammengearbeitet haben mit unseren eigenen Ideen einfach nicht so richtig harmonierten. Das hat zu so einer „Übervorsichtigkeit“ geführt, die man dem Album einfach anhört. Die spacigen Teile sind nicht richtig spacig, die knackigen poppigen Teile sind nicht richtig knackig poppig und so weiter. Mal wollte eben nicht zu ausufernd  aber auch nicht zu angepasst sein.

Philip: Man darf auch nicht vergessen, dass zwischen dem Debüt und der „Tales“ auch gar nicht so viel Zeit lag.

Benno: Wir hatten vor allem damals noch lange nicht die Erfahrung und auch nicht das spielerische Können, über das wir heute verfügen, was die Sache sicher auch nicht vereinfacht hat.

FRIZZ: Nachdem Euer Debüt 2011 beim Brachenriesen Sony wiederveröffentlicht wurde, ging Eure Karriere in großen Schritten voran. Europaweit waren die Leute begeistert, ihr habt zahlreiche Shows, u.a. im Vorprogramm von Hippierock-Legende Neil Young absolviert und wurdet sogar auf Tournee in die USA eingeladen. Welche Erinnerungen habt Ihr an diese Zeit?

Benno: Aus heutiger Sicht kommt mir diese Zeit wie ein großer Rausch vor, der auch viel zu schnell rumgegangen ist, obwohl sich diese Erlebnisse eigentlich über eine recht lange Zeitspanne von 8 oder 9 Monaten abgespielt haben. Das sind Erinnerungen, die einem niemand mehr nehmen kann. Und natürlich war das einfach geil, für uns als Band und natürlich auch als Freunde. Von solchen Möglichkeiten träumt jede junge Band!

Philip: Vor allem haben uns die Tourneen, die wir damals alleine gespielt haben, einen ziemlichen Schub gegeben. Denn der große Zuspruch der Leute, gerade in Amerika, hat uns gezeigt, dass da draußen großes Interesse an unserer Musik existiert und wir alles andere als alleine sind. Das war enorm gut für unser Selbstbewusstsein!

© Klaus Mai

FRIZZ: Mittlerweile hat Euch eine Booking Agentur in San Francisco unter Vertrag genommen und managt Eure Konzertangelegenheiten in den USA. Welche Erfahrungen macht man dort auf Tournee? Habt Ihr da einen gewissen "Exotenbonus"?

Benno: Auf jeden Fall! Auf den großen internationalen Festivals wie dem SXSW in Austin eher nicht, aber wir hatten zum Beispiel für eine Folkband in Chicago Support gespielt und da waren die Leute schon ziemlich verdutzt, eine deutsche Band zu erleben, die so eigen klingt. Für uns hatte diese Zeit in Amerika was von „zum ersten Mal das Nest verlassen“. Wir waren vor den ersten Konzerten dort schon ziemlich aufgeregt. Wir kamen von einer ziemlich großen Tour hier und spielten dort natürlich erstmal wieder zwei Nummern kleinere Shows, aber irgendwie war das auch genau richtig so. Und es war einfach eine tolle Zeit: Wir hatten unseren Manager und unseren Tourmanager, mit denen wir auch sehr gut befreundet sind, dabei und hatten eine ganz tolle Reise.

FRIZZ: Einen nicht unwichtigen Anteil am Erfolg von Okta Logue haben Eure wunderbar detailverliebten Videos wie der mehrfach ausgezeichnete Clip zu "Bright Lights" oder auch die Videos zu "Transit", "Let Go" und aktuell zu "One Way Ticket To Breakdown" und "Pitch Black Dark". Welchen Stellenwert haben die Videos für Euch? Seht Ihr die als eine eigene Kunstform neben der Musik?

Benno: Ja, aber irgendwie sind die Clips über die Jahre zu einer Art Bürde geworden, finde ich. „Bright Lights“ war damals einfach ein Glückstreffer. Wir hatten das Video für 50 € Budget mit zehn Kumpels im Garten gedreht, das hatte einfach eine Leichtigkeit, die man dem Clip bis heute anmerkt. Mittlerweile sind Videos einfach etwas, was absolut nicht mehr aus dem Musikgeschäft wegzudenken ist. Von daher standen die natürlich immer auch bei uns im Fokus. Aber wir denken nicht in Video-Kategorien, wenn wir die Lieder schreiben. Für „Pitch Black Dark“ haben wir das ja auch zum ersten Mal aus unseren Händen gegeben.

Philip: Dafür hätten uns aktuell aber auch einfach die zeitlichen Kapazitäten gefehlt. Neben den ganzen Promoaktivitäten und den Proben zur Tour wäre es einfach zuviel, auch noch Kameras zu organisieren und im Odenwald einen Clip zu drehen. Das ist einfach auch eine enorm zeitaufwendige Angelegenheit. Außerdem ist es schön, bei dieser Arbeit auch mal einen kreativen Impuls von Außen zu bekommen.

FRIZZ: Verantwortlich für die visuelle Umsetzung Eurer Musik war von Anfang an Euer Keyboarder Nicolai Hildebrandt, der Film studiert hat. Auf der letzten Amerika Tour hatte er bereits angekündigt, dass er die Band nach "Diamonds and Despair" verlassen wird. Warum?

Benno: Man sollte nicht übersehen, wie zeitintensiv diese Band ist. Seit wir die „Ballads“ 2009 veröffentlicht haben, ist die Band zu etwas Lebensbestimmendem geworden. Und da muss man komplett zu 100% Lust darauf haben. Auf der letzten Tour hat sich Nicolai einfach die Frage gestellt, ob er noch mal die nächsten fünf Jahre damit verbringen möchte, Songs aufzunehmen, auf Tour zu gehen und in diesem Musikerkarussell zu sein. Dabei ist im irgendwann bewusst geworden, dass das für ihn nicht mehr so sehr der große Traum ist, wie er es zum Beispiel für den Rest der Band immer noch ist. Wir können seine Entscheidung absolut verstehen, zumal Nicolai eben auch noch sehr in seinen Videogeschichten drinsteckt und auch noch seine DIY-Punkband Rollergirls hat mit der er zwischen unseren Konzerten ja auch noch immer wieder unterwegs war. Er ist dann einfach an dem Punkt gekommen, wo er für sich gemerkt hat, dass er eine Entscheidung treffen muss.

FRIZZ: Wie hat es sich angefühlt, vor diesem Hintergrund neue Musik zu schreiben? Vor allem in dem Bewusstsein, dass man die nicht mehr in dieser Besetzung gemeinsam live auf die Bühne bringen wird.

Benno: Am Anfang hat sich das merkwürdig angefühlt. In etwa, als ob die Freundin mit Dir Schluss gemacht hat, aber immer noch mit Dir in der gleichen Wohnung lebt. Aber nachdem sich die Trauer etwas gelegt hatte, hat sich das alles sehr entspannt und gelöst angefühlt. Und Nick hat sich noch mal mit ganzer Energie in diese letzten Aufnahmen reingehängt. Das war deutlich zu spüren und hat uns alle sehr gefreut.

Philip: Nick bleibt uns ja auch nicht nur freundschaftlich verbunden, sondern wird sicher in der Zukunft auch wieder in der einen oder anderen Form mit uns zusammenarbeiten.  

FRIZZ: Neuer Mann an der Orgel ist Max Schneider. Wie seid Ihr zusammengekommen?

Philip: Wir haben uns über Freunde hier aus der Musikszene kennengelernt und uns auf Anhieb verstanden. Max ist ein sehr versierter Musiker und als Nick uns mitteilte, dass er aussteigen wird, haben wir bei Max einfach mal vorgefühlt, und er hatte sofort großes Interesse, bei uns mitzumachen. Er hat dann auch schon an der Platte mitgearbeitet und so gab es da einen ganz harmonischen Übergang von zwischen Nick und Max. Und das hat sich sehr positiv auf die gesamte Situation ausgewirkt, weil da überhaupt kein Druck aufkam, dass wir eventuell nach den Aufnahmen nicht auf Tour gehen könnten, weil wir als Band nicht komplett sind.

Benno: Das war wirklich wunderbar! Wir haben zum Teil zu fünft geprobt und Nick hat Max sehr toll unterstützt. Das war wirklich ein fließender Übergang.

FRIZZ: Das Album erscheint nun Mitte April. Wie sehen die weiteren Pläne aus?

Benno: Wir werden jetzt im Frühjahr erst einmal einige kleinere Shows spielen, unter anderem auch am 28. April in der Knabenschule. Dann werden wir im Sommer auf verschiedenen Festivals zu sehen sein und auch schon bald unsere Herbst-Tour ankündigen, die dann eine ganze Spur umfangreicher ausfallen wird.

FRIZZ: Vielen Dank für das Gespräch.  

Weitere Infos unter:

www.oktalogue.com

www.facebook.com/oktalogue

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