„Heimat spielt eine extrem wichtige Rolle“

Die Indierocker Madsen melden sich live zurück

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Mit ihrem selbsbetitelten Debütalbum und der Hitsingle „Die Perfektion“ gelang Madsen 2005 auf Anhieb hierzulande der Durchbruch. Mittlerweile sind die Wendländer aus der deutschen Rockszene nicht mehr wegzudenken und haben im vergangenen Jahr ihr mittlerweile sechstes Album „Kompass“ veröffentlicht. FRIZZ-Redakteur Benjamin Metz sprach mit Schlagzeuger Sascha Madsen über das neue Album, politisches Engagement und das Wendland als heimatlichen Ruhepol.

FRIZZ: Für Euer aktuelles Album „Kompass“ habt Ihr Euch deutlich mehr Zeit gelassen als bei Euren früheren Produktionen. Wie kam es dazu? Euer Frontmann Sebastian soll an einer kleiner Schreibblockade gelitten haben, wie zu lesen war.

Sascha: „Schreibblockade“, das klingt immer so dramatisch! So schlimm war’s aber gar nicht. Wenn Sebastian mal ein halbes Jahr lang kein neues Lied schreibt, nennt er das schon „Schreibblockade“ (lacht). Wir hätten schon viel früher aufnehmen können, Lieder waren auf jeden Fall genug vorhanden. Wir wussten aber schon früh, dass das noch nicht die Songs waren, mit denen wir rausgehen wollten. Wir haben uns den Luxus gegönnt, zu warten bis die richtigen Songs da sind. Und irgendwann hatten wir genau die 12 Songs zusammen von denen wir sagen konnten: „Das ist genau das, was wir wollen!“.

FRIZZ: „Kompass“ - das klingt nach Meer und Fernweh, kann aber auch die Suche nach Orientierung meinen. Wie kam‘s zu dem Titel?

Sascha: Da treffen eigentlich beide Beschreibungen zu. Wir haben selbst erst relativ spät gemerkt, wie maritim das Album eigentlich ist. Es wird auf den Songs viel das Meer besungen, da ist viel von Reiselust und der Sehnsucht nach Ferne zu spüren. Aber auch diese Orientierungssuche spielt eine Rolle. Da gibt es im Song „Kompass“ den schönen Schlüsselsatz: „Den ohne Wurzeln trägt der Wind davon.“ Es geht also auch durchaus um die Suche nach den Wurzeln, das Bewusstsein, wo man herkommt. Deswegen haben wir auch den Anker als Covermotiv ausgesucht, denn er verbindet beides: Das Maritime, die Reiselust aber auch den festen Hafen, die Wurzeln. Beim Titel und dem Cover waren wir uns diesmal sehr schnell einig.

FRIZZ: Im angesprochenen Titelsong gibt Sebastian eine Rückschau auf sein bisheriges Leben, der Text ist eine große Liebeserklärung an die Band. Wie hätte sich Dein Text zur Band angehört? Vor zwei Jahren habt ihr Euer zehnjähriges Bandjubiläum gefeiert, da hat sicher die ganze Band in Erinnerungen geschwelgt.

Sascha: Ja, auf jeden Fall. Wir hatten damals ja diese Jubiläumskonzerte gespielt („5 Alben - 5 Nächte“ dazu an späterer Stelle mehr, Anm. d. Red.) und sich durch die ganzen alten Songs zu spielen war natürlich auch eine Zeitreise für uns alle. Insofern kann man den Song schon als Liebeserklärung an die Band verstehen, tatsächlich ist das Lied aber eine Liebeserklärung an Mama Madsen, also an die Mutter von Sebastian, Johannes und mir. Aus unserer Perspektive ist der Song also extrem persönlich, ich finde es aber schön, dass der Text auch für die ganze Band stehen kann. 

FRIZZ: Als das Album im vorigen Sommer veröffentlicht wurde, schien hierzulande für viele Menschen die Welt noch in Ordnung. Kurze Zeit später folgte das, was seither Land und Leute als „Flüchtlingskrise“ permanent beschäftigt. Wie sehr bewegt Euch dieses Thema?

Sascha: Das beschäftigt uns natürlich sehr. Als Band haben wir da die klare Haltung, dass man Flüchtlingen die Unterstützung und die Gastfreundschaft nicht verwehren darf. Es gibt einfach Rechte und Pflichten, die jeder Mensch hat und die jeder Mensch auch einfordern darf. Und wenn Menschen vor Krieg, Tod und Verfolgung aus ihren Ländern fliehen müssen, hat gerade so ein reiches Land wie das unsere die Pflicht, diese Leute aufzunehmen und ihnen das Leben zu erleichtern. Und da kann auch jeder einzelne von uns etwas für tun. Ich wohne mit meiner Familie mittlerweile in Wien, und wir sind in eines der hiesigen Erstaufnahmelager, das übrigens hoffnungslos überfüllt war, gefahren und haben dort erstmal gefragt, was die Menschen dort am dringendsten benötigen. Wir haben dann geschaut, was wir davon zuhause hatten und entbehren konnten und einige Sachen haben wir zusätzlich eingekauft. Seither machen wir das kontinuierlich weiter, weil ich es einfach wichtig finde, den Leuten zu zeigen, dass sie hier willkommen sind. Dass wir helfen können, ist ein Privileg. Und jeder kann das machen. 

FRIZZ: Ihr habt Euch immer wieder auch politisch engagiert, beispielsweise durch Eure Mitwirkung auf der von ZSK initiierten DVD „Kein Bock auf Nazis“. Seit der Flüchtlingskrise sind Rechtspopulisten wieder stark auf dem Vormarsch. Macht Euch diese Entwicklung Sorgen? 

Sascha: Natürlich macht uns das Sorgen. Aber neu ist das Thema ja nicht. Wer da genauer hingeschaut hat, weiß, dass sich da schon seit geraumer Zeit einiges zusammenbraut. Da kommen jetzt eine Menge Gruppierungen hoch, die freudig in die Hände klatschen, weil sie meinen, jetzt mal so richtig auf die Kacke hauen zu können. Die merken, dass sie den normalen, besorgten Bürger in der momentanen Situation ganz einfach abholen können. Da meinte so ein NPD-Typ neulich ganz offen und ehrlich: „Wir müssen da gar nichts machen, die Situation spielt uns in die Hände. Wir müssen nur abwarten. Irgendein Flüchtling wird schon richtig Scheiße bauen und dann haben wir’s.“ Aber zum Glück leben wir in einer Demokratie und haben die Möglichkeit, dem entgegenzuwirken. Deswegen ist auch absolut wichtig, wählen zu gehen und von seinem Stimmrecht Gebrauch zu machen. 

FRIZZ: Madsen sind ja durchaus „demonstrationserprobt“, Ihr stammt aus dem Wendland, einer Region, die für ihre schöne Landschaft, dünne Population und die Castortransporte bekannt ist. Mittlerweile lebt Ihr größtenteils in Berlin und Wien, habt aber immer noch eine enge Bindung an eure frühere Heimat. Welche Bedeutung hat das Wendland für euch? Ist das ein Ort, der euch die Erdung gibt, nicht abzuheben?

Sascha: Absolut. Das Wendland ist nach wie vor die Heimat der Band und enorm wichtig für uns. Ein Proberaum in Berlin oder Wien käme für uns auch überhaupt nicht in Frage. Wir brauchen das Wendland einfach als Rückzugsort und Ruhepol. Wir haben dort unseren Proberaum und haben uns mittlerweile auch ein schönes kleines Studio eingerichtet. Wir können da prima proben, Demos aufnehmen und bis spät in die Nacht arbeiten, ohne irgendjemanden zu stören. Wenn wir das nicht hätten, würde uns echt etwas ganz wichtiges fehlen. Insofern spielt Heimat eine extrem wichtige Rolle für die Band.

FRIZZ: Musikalisch schaut ihr gerne auch mal über den Tellerrand – Sebastian hat beispielweise vor einigen Jahren bei einem Track des Österreichischen HipHopper Chakuza mitgearbeitet und Ihr tobt euch in diversen Spielarten noch bei einem Projekt namens „the Real hits“ aus – wie wichtig sind solche kreativen Ausflüge für euch?

Sascha: Die sind ebenfalls sehr wichtig. Wenn man sich nur in seinem eigenen musikalischen Kosmos bewegt, hat man nämlich nur sehr wenige Möglichkeiten, etwas dazuzulernen. Für uns ist es deswegen immer schon sehr wichtig gewesen, andere Einflüsse zuzulassen und uns auch anderweitig austoben zu können. Klar, wir werden mit Madsen jetzt sicher kein HipHop Album aufnehmen und einen auf Melodic Metal werden wir sicher auch nicht machen, aber wir haben immer wieder gemerkt, dass es uns gut tut, sich ab und an in diesen Spielarten mal auszuprobieren, weil sich das interessanterweise auch irgendwie positiv auf unsere eigenen Songs auswirkt. 

FRIZZ: 2013 ist die Band unter dem Motto „5 Alben - 5 Nächte“ innerhalb einer Woche durch 5 Hamburger Clubs getourt und präsentierte an jeden Abend ein Album in kompletter Länge. Wie war das, wieder mal in kleinen Läden wie dem Logo oder dem Gruenspan zu spielen? 

Sascha: Das war absolut geil! Vor allem, weil wir die letzte Band waren, die im alten „Molotow“ spielen durfte. Thees Uhlmann war dabei, ein Abend voller Highlights. Es war so eng, der Schweiß tropfte von der Decke, eine unglaubliche Atmosphäre. Da haben tatsächlich die Wände gewackelt, die Polizei stand dann irgendwann in der Tür und hat das Gebäude wegen Einsturzgefahr geräumt. Ein Jahr später ist das Molotow dann abgerissen worden. 

FRIZZ: Ihr seid Ende Januar noch einmal mit dem „Kompass“-Album auf Tour. Wie sieht es mit euren Plänen im Anschluss aus? Ich warte ja schon die ganze Zeit darauf, dass Sebastian sein erstes Buch veröffentlicht. Die Schreibblockade scheint er ja definitiv überwunden zu haben.

Sascha: (lacht) Da redet er ja schon seit Jahren von. Aber ich glaube, das wird erstmal nix. Er hat noch nicht mal damit angefangen. Das Thema ist bei Leuten wie Thees Uhlmann oder Olli Schulz wesentlich besser aufgehoben, denke ich. Wir konzentrieren uns lieber auf die Musik. Und wir haben viel vor dieses Jahr. Unsere Club-Tour geht ja nahtlos in die Festivalsaison über und für den Herbst und den Winter haben wir auch schon ein paar schöne Ideen. Und dann wird nächstes Jahr wieder eine neue Platte anstehen. Und ich freue mich schon total darauf, weil mir das Ganze immer noch unglaublich viel Spaß macht.

FRIZZ: Vielen Dank für das Gespräch. 

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