„Comic ist eigentlich ein furchtbares Wort.“

Maler und Comiczeichner Michael Apitz im Gespräch

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©Jacob Tegel

Mit der Comicfigur „Karl der Spätlesereiter“ gelang Michael Apitz Ende der 80er Jahre ein großer internationaler Erfolg. Ab November findet - parallel zur Veröffentlichung einer Sammelband-Edition - in Groß-Gerau eine erste große Karl-Ausstellung statt.

FRIZZmag: Im Oktober war dein beeindruckendes Martin Luther Porträt „Luther 95“ in der Pauluskirche zu bewundern. Allerdings hast du deine künstlerische Karriere nicht als Maler, sondern mit dem Zeichnen von Comics begonnen. Wie bist du zum Zeichnen gekommen?

Michael Apitz: Ich war bereits früh der „Mal-Star“ in der Klasse und viele Mitschüler meinten, dass ich das unbedingt beruflich machen müsse. Später habe ich für die Schülerzeitung gezeichnet und mit meinem späteren Kompagnon Patrick Kunkel zusammengearbeitet. Bereits da hatten wir vereinbart, nach der Schule mal was zusammen auf die Beine zu stellen, er wollte Texte schreiben und ich die Bilder dazu malen. Daraus ist eine große Freundschaft entstanden. 

Ab 1995 hast du dich verstärkt der Malerei gewidmet. Was gibt dir die Malerei, was dir Comics nicht geben können?

Comiczeichnen bedeutet primär, eine Idee durch eine bestimmte Technik, einen bestimmten Strich zeichnerisch umzusetzen. Wenn man diesen Strich erst mal gefunden hat, ist das eine recht gleichförmige Art, da ändert sich nicht mehr all zu viel. Nach sieben, acht Jahren als professioneller Comiczeichner hatte ich einfach das Bedürfnis, mal etwas ganz anderes auszuprobieren. Die Malerei hat mir dann die Möglichkeit gegeben, mein Inneres besser ausdrücken zu können. Das war wie eine Therapie. Und auch technisch war das spannend, mit neuen Farben und Strukturen zu arbeiten. Wobei ich zunächst gar keine professionellen Ambitionen mit der Malerei hatte. Ich brauchte das einfach als Ausgleich zu meiner Arbeit an den Comics.

„Karl, der Spätlesenreiter“ fand auf Anhieb viele Fans, hierzulande und auch international. Die Bücher wurden ins Englische, Französische und sogar Japanische übersetzt und über 800.000 Mal verkauft. Warum war die Figur so erfolgreich?

Ganz ehrlich? Keine Ahnung! (lacht) Eigentlich hatten uns alle von der Idee abgeraten. Das Thema sei zu regional und der Karl zu bieder und so weiter. In dem Comic stecken eigentlich drei Ansätze: Mein eigener Humor, der gerne auch mal derber ausfällt. Patrick Kunkel hat eine sehr große historische Vielfalt in die Geschichten eingebracht und sein Vater Eberhard wiederum zeichnete für viele literarische Anspielungen an Goethe, Schiller und andere Größen zuständig. Wenn wir drei alle über einen Gag lachen konnten, kam der rein. Die Karl-Comics haben also einen Humor, der drei Generationen umfasst, vielleicht liegt hierin die Begründung.

Karl gilt als „deutscher Asterix“, weil die Zeichnungen an den Stil von AsterixErfinder Albert Uderzo angelehnt sind. Frankreich und Belgien gelten als Wiege der modernen Comic-Kultur. In Deutschland hat sich eine eigene Comic-Kultur erst sehr langsam ab den 50er Jahren entwickelt. Warum haben sich die Deutschen mit Comics als Kunstform so schwer getan?

Da spielt wohl auch die Angst vorm Bild ein Stück weit mit. Wir sind eine Wort-Nation. Und natürlich hat auch der zweite Weltkrieg Anteil an dieser Entwicklung. Fast alles war zerstört und alles befand sich erst langsam wieder im Aufbau – auch kulturell. Vieles war sehr angstbehaftet und tabu, vor allem geschichtliche Themen, das habe ich als nach dem Krieg Geborener noch sehr deutlich spüren können. Das war in Frankreich überhaupt nicht so. Wenn man sich die Asterix-Comics ansieht und wie die die Geschichte des Landes in ihre Stories einfließen lassen - an so etwas war hier nicht zu denken! Als dann Micky Maus, Donald Duck und Co zu uns kamen, wurden die erstmal nur als „Kinderkram“ belächelt, was ich auch verstehen kann. Richtig gepackt haben mich Asterix, Tim & Struppi und solche Sachen. Diese Comics haben mich wirklich schlau gemacht. Immer wenn ich etwas nicht verstanden habe, wurde das Lexikon zu Rate gezogen: Cäsar, Gallien und so weiter. Und natürlich habe ich auch zeichnerisch versucht, diesen Vorbildern nachzueifern und ihren Strich zu imitieren.

Ab den 70er und 80er Jahren wurden Comics auch hierzulande immer populärer und auch politischer. Gerhard Seyfried gilt bis heute als Chronist der linksalternativen Szene und der Kölner Zeichner Ralf König hat mit Comics wie „Der bewegte Mann“ viel für das Ansehen von Schwulen in Deutschland getan. Können Comics die Welt bewegen?

Denke ich eher nicht. Es ist eher die Gesellschaft, die sich verändert und bewegt. Da ist eine große Offenheit über die Jahre entstanden. Ein Ralf König hätte in den 60er Jahren wohl keine Chance gehabt. Und auch die etwas derbe Art des Strichs wie bei König oder Jean-Marc Reiser aus Frankreich hat erst mit den Jahren größere Akzeptanz gefunden. In Frankreich ist man auch heute noch weiter als bei uns, man denke an den Stellenwert dort von Comic-Zeitschriften wie „Charlie Hebdo“.

Comics sind mittlerweile auch in klassischen Literaturbereichen angekommen. Es gibt Comicromane und auch im Bereich der Biografie gibt es großartige Arbeiten, aktuell beispielsweise das hochgelobte „Mercy on me“ Buch von Reinhard Kleist, das die Geschichte von Nick Cave erzählt. Was hältst du von dieser Entwicklung? Sind das noch Comics?

Diese Frage hat man Patrick Kunkel und mir schon Ende der 80er zu unseren Arbeiten gestellt. Wir haben das mit einem „Ja, aber“ beantwortet. Denn eigentlich hat schon damals der Begriff „Comic“ nicht wirklich gepasst. „Comic“ ist eigentlich ein furchtbares Wort, das die Sache oft nicht trifft. Das in Frankreich gebräuchliche „Bande dessinée“ trifft es schon eher, ist aber auch nicht perfekt. Mittlerweile gibt es den Begriff der „Graphic Novel“ und ich finde, dass der diese Art von Comics sehr gut umschreibt, weil hier das erzählerische Element mit betont wird.

Der Rheingau und der Wein spielen eine zentrale Rolle in deinem Werk. Was bedeutet Heimat für dich?

Das ist der Rheingau und das Rhein-MainGebiet - die Region in der ich aufgewachsen und mit der ich eng verbunden bin. Ich bin ein komplett Hiergebliebener. Ich wurde hier quasi in ein Paradies reingeboren und habe die meiste Zeit meines bisherigen Lebens im Rheingau verbracht. Alles ist hier extrem locker und entspannt. Ich finde hier einfach alles, was ich brauche, auch wenn meine Interessen weit über die Region hinausgehen. Aber dafür gibt es ja auch mittlerweile eine große Vielfalt an Medien, die dich mit allen Infos dieser Welt versorgen. Und die Gegend inspiriert mich natürlich künstlerisch sehr.

Vor zehn Jahren hast du in deinem Elternhaus, in dem auch die Karl-Stories entstanden sind, die Apitz-Galerie eröffnet. Ein Wallfahrtsort für Karl-Fans oder doch eher ein Ort für Kunstfreunde?

Früher war hier unser Verlag untergebracht und dann unser „Karl-Shop“. Nachdem der letzte Karl-Band erschienen war, haben wir das Ganze zur Apitz-Galerie gemacht. Dort gibt es Originale von mir zu sehen und man kann auch Kunstdrucke meiner Werke kaufen. Auch eine kleine Dauerausstellung mit Arbeiten von mir haben wir untergebracht. Und im Keller gibt es noch verschiedene Fundsachen für Karl-Fans.

Dieser Tage erscheint ein erster KarlSammelband und ab 7. November wird im Foyer der Groß-Gerauer Volksbank eine große „Karl, der Spätlesenreiter“-Ausstellung zu sehen sein. Wie kam es dazu?

Das war eher zufällig. Ich zeichne seit einigen Jahren ja auch Comics für Eintracht Frankfurt und im vergangenen Jahr schlug der Marketing Chef der Darmstädter Volksbank, Stefan Gerhardt, vor, eine Ausstellung mit den Eintracht-Comics auf die Beine zu stellen. Das Ganze lief sehr erfolgreich, sodass Stefan vorschlug, eine weitere Ausstellung mit Arbeiten von mir zu organisieren. Schnell war klar, dass Karl, parallel zur Veröffentlichung des ersten Sammelbands, das Thema dieser Ausstellung werden sollte. Es ist die allererste Ausstellung zu Karl. Es wird Original-Seiten aus allen Bänden, Skizzen und vieles mehr zu sehen geben.

Comic-Ausstellung „Karl, der Spätlesereiter“

vom 7.11. bis 29.12., Vernissage, 7.11., 18 Uhr

VOBA Groß-Gerau, Am Sandböhl 5-15, 64521 Groß-Gerau

Mehr Infos unter:

www.galerie-apitz.de

www.volksbanking.de/karl

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