„Der Über Nacht Erfolg ist ein Mythos“

Die Berlinerin kommt mit ihrem neuen Album live nach FFM

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© Severin Schweiger

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Seit gut zehn Jahren sorgt die Sängerin und Musikerin Ruth Maria Renner aka Miss Platnum mit ihrem eigenwilligen Sound-Amalgam aus Hip-Hop, R&B, Elektro und Balkan-Beats für Furore. Spätestens seit ihrer Zusammenarbeit mit Marteria und Yasha und dem gemeinsamen Nr. 1 Hit „Lila Wolken“ ist die Berlinerin auch bundesweit in aller Munde. Anfang Oktober erschien nun ihr neues, nunmehr fünftes Album „Ich war hier“, das Miss Platnum ab Dezember auch live auf Tournee vorstellt. 

FRIZZ-Redakteur Benjamin Metz sprach mit ihr über Kunstfiguren, Heimat und deutschen R&B

FRIZZ: Im PR-Text zu Deinem neuen Album „Ich war hier“ steht zu lesen „Ruth Maria Renner ist Miss Platnum ist Ruth Maria Renner“. Mit wem spreche ich gerade?

Miss Platnum: Mit beiden, würde ich sagen (lacht).

FRIZZ: Wie kam es zu der Entstehung der Kunstfigur Miss Platnum? War das eine Art Selbstschutz?

Miss Platnum: Eigentlich nicht. Den Anstoß gab eher die Idee, mit diesen Balkan-Klischees zu spielen. Mit der Kunstfigur Miss Platnum ließen sich die Dinge noch besser auf die Spitze treiben. Außerdem sollte das Ganze auch einen ironischen Touch haben, da hat die Figur der Miss Platnum einfach perfekt gepasst.

FRIZZ: Nachdem Du für ein letztes Album „Glück und Benzin“ ganze fünf Jahre gebraucht hast, erschien nun nach nur einem Jahr der Nachfolger. Du scheinst einen kreativen Lauf zu haben...

Miss Platnum: Tja, so sieht’s wohl aus. Man kann die Dinge nicht immer planen. Die beiden Alben sind sehr gute Beispiele – manchmal dauert es fünf Jahre, bis alles im Kasten ist und dann geht alles wieder rasend schnell. Aber ich gehe die Produktion meiner Alben sowieso nie mit irgendwelchen großen Plänen an, denn die Musik lässt sich nicht wirklich planen. Das läuft eben nicht wie am Fließband. 

FRIZZ: Das neue Album wirkt auf mich musikalisch vielfältiger als Deine vorherigen Alben, allerdings ist Dein einstiges „Trademark“, die Balkan Beats, komplett aus Deinem Sound verschwunden. War das eine bewusste Entscheidung?

Miss Platnum: Das hat sich ja schon auf „Glück und Benzin” abgezeichnet. Aber es gab da keine Entscheidung, nach dem Motto: „So, das lasse ich jetzt mal alles weg. Das gefällt mir nicht mehr.“ In allererster Linie setze ich mich hin und versuche, gute Songs zu schreiben. Alles, was diesem Ziel dient, ist geil. Und wenn Balkan-Beats dazu passen, ist das super, und wenn nicht, dann bleiben sie eben außen vor. Da gehe ich also ohne jede Berechnung ran. Nur so funktioniert Musik für mich.

FRIZZ: „Ich war hier“ ist das zweite komplett deutschsprachige Album von Dir. Was hat Dich bewogen, nur noch auf Deutsch zu singen? 

Miss Platnum: Ich habe ja mit vielen Freunden von mir, wie Seeed oder Marteria schon früher deutschsprachige Tracks aufgenommen. Fremd war mir das also nicht. Aber ich hatte das lange für mich nicht in Betracht gezogen, weil beispielsweise R&B auf Deutsch für mich einfach merkwürdig klang. Denn die Leute hier haben immer versucht, ihre amerikanischen Vorbilder eins zu eins zu übersetzen, und das funktioniert einfach nicht. Man muss die deutsche Sprache schon mit allem einsetzen, was sie zu bieten hat. Und sie hat eine Menge zu bieten. Irgendwann habe ich dann Gefallen daran gefunden, auch eigene Songs auf Deutsch zu schreiben. Das passte auch gut, weil ich so langsam diese Kunstfigur ablegen wollte, und dass dieser sprachliche Wandel damit einher ging, hat gut gepasst. Deutschen R’n’B finde ich nach wie vor schwierig, also mal abgesehen von meinen eigenen Sachen (lacht).

FRIZZ: Als Du acht Jahre alt warst, mussten Deine Eltern mit Dir aus Rumänien fliehen, seither bist Du in Berlin zuhause. Was bedeutet Heimat für Dich?

Miss Platnum: Heimat ist in erster Linie der Ort, wo ich lebe. Und das ist schon seit geraumer Zeit Berlin. Wobei sich das auch mal ändern könnte. Im Moment fühle ich mich hier noch sehr wohl, aber das kann sich auch ändern. Da ist viel in Bewegung momentan. Politisch verändert sich so einiges, und ich weiß nicht, ob ich mich hier irgendwann noch willkommen fühle. Auf der anderen Seite habe ich natürlich auch noch einen großen Bezug zu meiner alten Heimat Rumänien. Das waren schwierige Zeiten damals, vieles war im Umbruch und ich habe noch viele Erinnerungen an meine Kindheit dort.

FRIZZ: Was geht Dir angesichts der gegenwärtigen Flüchtlingskrise durch den Kopf?

Miss Platnum: Vieles. Es gibt eine Menge Leute, die zu diesem Thema eine sehr merkwürdige Haltung an den Tag legen und einfach große Angst vor Flüchtlingen haben. Da werden Menschenmassen einfach pauschal über einen Kamm geschert und in Begriffe gepackt, das macht mir Angst. Da fühle ich mich nicht mehr wohl. Ich sehe zwar nicht ausländisch aus, aber ich habe diese Vergangenheit. Ich weiß, was es heißt, zu fliehen und alles aufgeben zu müssen. Ich finde es sehr schwierig, wie mit der Problematik momentan umgegangen wird.  

FRIZZ: Anderes Thema: Du bis seit August Mitglied der Jury bei der Casting Show „Popstars“. Hat man als kredible Künstlerin nicht ein eher zwiespältiges Verhältnis zu solchen Veranstaltungen?

Miss Platnum: Ja, hat man! Die Anfrage, dort mitzumachen, habe ich mir auch lange durch den Kopf gehen lassen. Ich steckte da mitten in der Produktion des Albums und hatte diese Show  überhaupt nicht auf meiner Prioritätenliste. Ich habe mich dann mehrfach mit den Produzenten der Show getroffen und gemerkt, dass die etwas Neues planen, das sich von den anderen Konzepten dieser Art deutlich unterscheiden wird. Das hat letztlich den Ausschlag für mich gegeben, das mal ausprobieren zu wollen und Teil der Jury zu werden. Ich habe viel Erfahrungen in diesem Geschäft gesammelt und mich über die Jahre immer ganz gut durchgeboxt. Und ich finde es durchaus ok, wenn ich dieses Wissen jungen Künstlern vermitteln kann. Mein Part als Jurymitglied bestand ja auch nicht in erster Linie darin, nur zu sagen, dass ich die Performance geil und die andere schlecht finde, sondern, dass ich mit den Leuten auch arbeiten kann. Ich glaube, es gibt so viele unterschiedliche Wege, im Musikgeschäft Fuß zu fassen. Und das kann einer davon sein. Für mich wäre das allerdings nie in Frage gekommen.

FRIZZ: Dein Erfolg kam nicht über Nacht. Dein erstes Album „Rock Me“ floppte und erst im Laufe der Jahre kamen dann die Hits mit Marteria und Peter Fox. Wie wichtig waren diese Erfahrungen zu Beginn Deiner Karriere für Dich rückblickend betrachtet?

Miss Platnum: Als ich mit meinem Album „Chefa“ und den Singles „Give me the Food „, „Come Marry Me „ und „Mercedes Benz“ erfolgreich wurde, wusste ich , dass das vorher alles ein wichtiger Weg für mich war als Künstlerin. Dieser „Über Nacht Erfolg“ ist meiner Meinung nach ein Mythos . Die meisten Künstler sind ja nicht einfach so spontan auf der Bildfläche und erfolgreich, sondern haben in der Regel auch vor ihrem Durchbruch viel gemacht. Nur hat das eben kaum jemand mitbekommen. Klar, man kann mit Geld, TV und viel Werbung einen Erfolg sicher „provozieren“. Ich glaube aber nicht, dass künstlich gepushter Erfolg von langer Dauer ist. Entscheidend sind am Ende die Energie und der Wille des Künstlers. Das muss einfach jemand sein, der eine Vision hat. Und für mich war immer klar, dass diese Vision von mir kommen muss. Die kann nicht von außen kommen.

FRIZZ: Anfang Dezember startet Deine Tour. Freust Du Dich schon darauf, die neuen Songs auf die Bühne zu bringen? Deine Liveshows versprühen ja immer eine ganz eigene Energie…

Miss Platnum: Ich freue mich sehr auf die Shows! Live zu spielen hat eine ganz eigene Qualität. Die Konzerte sind das, worauf ich hinarbeite, wenn ich mich hinsetze und Songs schreibe. Es ist natürlich schön, wenn man die Songs fertig gestellt hat und endlich auf Platte pressen kann, aber die Konzerte sind dann einfach das, warum ich das alles immer noch mit so großer Leidenschaft mache. Das ist künstlerisch für mich noch mal ein echter Höhepunkt, weil sich die Songs live  noch mal weiterentwickeln. Die neuen Songs mit der Band auf die Bühne zu bringen und noch einmal weiter wachsen zu sehen, das ist echt das Schönste!

FRIZZ: Vielen Dank für das Gespräch. 

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