„Wir sind einfach neugierig“

Die Fantasischen Vier feiern die „Supersense Block Party“

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© Robert Grischek

Als die Fantastischen Vier 1992 mit ihrer Single „Die da“ hierzulande ihren ersten großen Charthit landeten, hätte wohl kaum jemand geglaubt, dass hier eine der ganz großen Musikkarrieren am Entstehen war. Ein Vierteljahrhundert später gelten viele Hits der „Fanta 4“ als Klassiker und das aus Stuttgart stammende Quartett zählt mittlerweile zur absoluten Poparistokratie. Dass die Vier sich ihre kreative Neugier und Lust am musikalischen Experiment bis heute bewahrt haben, belegt das neue Album „Supersense Block Party“ eindrucksvoll. FRIZZ-Redakteur Benjamin Metz sprach mit Smudo über das neue Album, alte Geschichten und die Ewigkeit. 

FRIZZ: Im Oktober habt Ihr im Wiener „Supersense“ vor handverlesenem Publikum eine „Block Party“ gefeiert, die direkt auf Vinyl mitgeschnitten wurde. Das Ergebnis erscheint Anfang Dezember nun unter dem Titel „Supersense Block Party“. Wie kam es zu der Idee?

Smudo: Unser Manager Bär ist ein echter Hi-Fi-Freak und hat den Macher des „Supersense“ lorian Kaps kennengelernt. Das „Supersense“ wurde aus der Idee geboren, das Analoge zu preisen. Es ist ein Ausstellungs- und Erlebnisraum in Wien, wo man neben der weltgrößten Polaroid-Kamera oder alten Druckpressen auch eine Vinyl-Schneidemaschine finden kann, um vor Ort Live-Vinyls zu produzieren. Also haben die beiden sich bei einer Flasche Rotwein über das Thema unterhalten und die Vision für dieses Album entwickelt. Wir haben uns das „Supersense“ dann angesehen und waren begeistert, weil das einfach mal was ganz anderes ist. Wir haben schon soviel ausprobiert: Unplugged, mit Orchester, und so weiter. Aber irgendwann ist das einfach nur noch ein Aufguss von alten Sachen. „Supersense“ war einfach ganz reduziert und gleichzeitig ein Symbol für eine Prä-Digitale-Zeit. Eine analoge, oldschool Block Party. Das ist einfach sehr am Ursprung von HipHop, der ja eigentlich aus Jamaika stammt. Die Soundsystems dort haben immer für ihre Partys ihre eigenen Dub-Plates mit den aktuellsten Riddims produziert. Das haben die Amis wie Kool Herc, Grandmaster Flash und Africa Bambaataa im Urlaub mitbekommen und nach New York auf die Partys in der South Bronx importiert. So ging’s los. Two Turntables and a Microphone.

Während die meisten Bands aufgrund der manigfachen Möglichkeiten digitaler Studiotechnik im Studio an ihren Songs feilen, geht ihr genau den umgekehrten Weg und limitiert Eure Möglichkeiten auf ein Mindestmaß. Was hat Euch an dieser musikalischen Momentaufnahme gereizt?

Das ist der philosophische Aspekt, der sich uns auch erst im Laufe der Produktion erschlossen hat. Wir sind in den vergangenen zehn Jahren in eine durch und durch editierbare Musikwelt gerutscht, in der wirklich nichts unbearbeitet bleibt. Das fing schon ganz früh mit unseren ersten Demos an, da wurde immer wieder dran gearbeitet und verbessert. Heute kann man ja wirklich ausnahmslos alles bearbeiten. „Die Silbe in dem Wort passt nicht? Dann schneiden wir sie halt aus einem anderen Part raus und bauen sie ein.“ So geht das heute. Als wir im Supersense“ dann die fertige Aufnahme gehört haben mitdem ganzen Thrill, dass das ja am Stück aufgenommen und direkt ins Vinyl gekratzt worden ist, dass es da kein Zurück gibt – das war beeindruckend! Das Vergnügen, diese Musik anzuhören, ist nicht nur das Empfangen der Töne, sondern auch zu hören, was da passiert. Du hörst die ganze Truppe. Wie Michi bei einem Rap ansetzt, der eine Idee zu laut ist und gleich nachgeregelt wird, wie der Nächste dann reingrooved, einfach, wie alles ineinanderhakt und zusammengeht. Das ist etwas völlig anderes als eine voll editierte Produktion. Das ist etwas, was das Hörerlebnis um eine Dimension erweitert. Das hat schon einen gewissen Zauber, muss ich sagen. Und ich gehöre ganz sicher nicht zu diesen HiFi-Onkels, die meinen, dass früher alles besser war.

Ihr musstet Eure Songs für das Album ziemlich anpassen, da nur maximal 14 Minuten auf eine Album-Seite passen. Außerdem habt Ihr mit ihr mit Eurem neuen Bandmember DJ Eskei83 eine originäre Vinyl-Kollektion produziert, aus der sich die Blockparty scratchen ließ. Wie hat es sich angefühlt, Klassiker wie „MfG“, „Sie ist weg“ oder „Lauschgift“ noch mal neu zu denken?

Das war relativ leicht und das eigentlich „blockpartige“ an der Sache. Die Arrangement haben wir ja beibehalten und das ganze sehr DJmäßig betrachtet. Heute legt ein DJ ja auch kein Stück mehr in voller Länge auf. Der spielt den Beat rein, dann die Strophe und schließlich eine Minute lang die Hook und dann zum nächsten Track. So sind wir das auch angegangen und haben lediglich darauf geachtet, dass das Ganze nicht zu hektisch wird, damit das nicht wie ein Radio-Medley klingt. Das sollte schon ein Konzert sein. Hierfür haben wir im Studio ein paar Passagen zurechtgedengelt und Eskei hatte dann die Hausaufgabe, sich zu überlegen, was davon auf welche Vinyl drauf muss.

Der Legende nach hängt bei euch im Studio ein Zettel mit der Aufschrift „Das Schwierigste ist die Leichtigkeit“. Wie habt Ihr es geschafft, dass Euch die nach all den Jahren nie abhanden gekommen ist und Ihr Euch immer die Offenheit für musikalische Experimente wie „Supersense Block Party“ bewahrt habt? Der Druck von Fans, Firmen und Medien dürfte in all den Jahren ja nicht kleiner geworden sein.

Wir haben das Glück, dass von außen immer wieder neue Themen an uns herangetragen werden. Wir sind einfach immer offen für alles. Und bei dem „Supersense“-Thema haben wir uns auch recht schnell entschieden, das zu machen, vor allem da unsere Karriere ja quer über den Wandel der Welt vom Analogen ins Digitale geht. Natürlich bekommen wir auch eine Menge Sachen angeboten, die wir nicht machen möchten. Aber solange wir noch als einigermaßen frisch und innovativ gelten, gibt es immer wieder Leute, die uns interessante Vorschläge unterbreiten. Und dann machen wir das. Wir sind einfach neugierig. Diese Offenheit für das Neue entspricht aber auch der Philosophie von HipHop allgemein, denke ich. Sich in Traditionen verhaften - das passt einfach nicht zu uns. Man sollte immer aufgeschlossen bleiben.

Ihr seid in eurer Karriere oft sehr eigene Wege gegangen. So habt ihr beispielsweise bereits 1996, also zu einer Zeit, als die Plattenfirmen noch recht fest im Sattel saßen und mp3 und Filesharing noch kein Thema waren, auch ein eigenes Label Four Music und später die eigene Bookingfirma Four Artists gegründet. Heute ist es gang und gäbe, dass Bands und Musiker ihr eigenes Label gründen und sich selbst organisieren. Hättet ihr damals gedacht, dass sich das Musikbusiness derart radikal verändern würde?

Nein. Diese Entwicklung ist schon krass! Der Hauptgrund hierfür ist aber ganz klar der Übergang in die digitale Welt gewesen. Das hat unglaublich viel verändert. Die Art des Konsums und des Vertriebs sind heute völlig anders. Da sind ganze Geschäftszweige auf einmal weggebrochen. Andere sind hingegen ganz neu entstanden. Die Musikbranche hat sich wirklich komplett gedreht und das hätte damals wohl niemand gedacht. Ich bin groß geworden in einer Welt, in der Popstars mit Limousinen und goldenen Schallplatten assoziiert wurden (lacht). In den 90ern merkte man schon, dass diese Zeiten irgendwann vorbei sein würden. Aber es war auch das Jahrzehnt, in dem die Künstler endlich erstmals faire Plattenverträge bekamen. Aber um 1997 rum konnte man den Niedergang der Musikindustrie schon so langsam erahnen. Da war der Eisberg schon in Sicht. Und im Nachgang kann man das an den Zahlen von Fourmusic auch sehen. Das Zeitfenster, ein eigenes Label in dieser Größenordnung betreiben zu können, war ziemlich klein. Wir waren zwar künstlerisch sehr erfolgreich, aber monetär haben wir es gerade mal zehn Jahre geschafft.

Auch der deutsche HipHop hat sich seit Euren Anfängen stark entwickelt. Was denkt Ihr über die Szene hierzulande? Nachdem es ja einige Jahre lang eher den Anschein hatte, dass Kiez-Rapper wie Bushido oder Fler Eure Nachfolge antreten könnten, sind nun mit Leuten wie Marteria oder Casper Lichtblicke am Horizont zu erkennen.

Das ist ja so unglaublich - Hip Hop war schon immer ein vielfältiges Feld. Heutzutage gibt es wirklich alles Mögliche. Vom Asi-Rap bis zum Abiturienten-Rap ist alles vorhanden (lacht)! HipHop spiegelt halt immer auch die Gesellschaft sehr gut wider, was auch daran liegt, dass der Zugang unkompliziert ist. Die Produktion ist mit relativ einfachen Mitteln möglich. Du musst kein Musikstudium oder ähnliches absolviert haben, um da mitmischen zu können. Jeder kann seine Geschichten erzählen und das macht das ja auch so erfolgreich. Trotzdem ist das eine völlig andere Welt heute. Das ist mir erst unlängst aufgefallen, als ich dieses Deutsch-HipHop-Special im „Musikexpress“ gelesen habe. In den Anfangstagen war das natürlich alles viel überschaubarer und es ging auch noch sehr viel um die Frage, welche Interpretationsspielräume HipHop hat. Diese Frage spielt heute überhaupt keine Rolle mehr. Auch die Geschichten sind ganz andere. Dieser „melancholische Rap“ ist eine ganz klassische Erscheinung der 90er. 

Im Januar kommt Ihr auf große „Best Of“ Tour und präsentiert die Hits Eurer über 25-jährigen Karriere. Wie geht‘s danach weiter? Gibt es schon Pläne für ein neues Studioalbum? 

Wir basteln tatsächlich schon an einem neuen Album, von dem wir hoffen, dass wir es nächstes Jahr schon veröffentlichen können. Ich sage das im Konjunktiv, weil wir eine recht verdaddelte Truppe sind und bis dahin noch alles Mögliche passieren kann. Aber wir möchten das auf jeden Fall gerne machen. Zwei neue Stücke haben wir ja schon. Das Erste, „Eines Tages“ haben wir im Rahmen des „Supersense“-Platte veröffentlicht und das Zweite werden wir auf der Tour vorstellen.

Du stehst seit mittlerweile 27 Jahren mit Thomas, Michi und Andy gemeinsam auf der Bühne. Du hast vor einigen Jahren im Song „Danke“ mal die Zeile „...irgendwann ist’s aus und vorbei“ gerappt. Wie weit entfernt bis Du von dem Punkt?

Puh, keine Ahnung. Obwohl das so eine Frage ist, die wir uns immer wieder mal stellen. Vor allem, wenn wieder mal ein neues Album ansteht. Dann fragen wir uns schon, was es noch zu erzählen gibt, was uns kickt, was Spaß macht. In all den Jahren hat man doch schon eine Menge gesehen, und es kann einen nicht mehr so wahnsinnig viel hinterm Ofen vorlocken. Und je älter man wird, desto mehr findet man sich und hat entsprechend weniger Lust, den anderen zu sagen, wo’s langgeht. Aber wir haben nach wie vor Spaß am Abseitigen, am Absurden, am Skurillen und da hilft das Alter sogar! Wir gehen auf die Fünfzig zu. Ich glaube schon, dass da ein Horizont zu erkennen ist. Manchmal sehe ich ihn ganz deutlich und manchmal wieder weniger. Aber wenn ich so den Taschenrechner raushole, merke ich schnell: Nichts ist für die Ewigkeit.

Vielen Dank für das Gespräch. 

www.diefantastischenvier.de

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