„Darmstadt ist ein Paradies!“

Tilman Döring über Darmstadt, Poetry-Slams und sein Soloprogramm

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Tilman Döring gehört bereits seit vielen Jahren zu den bekanntesten Akteuren der deutschen Poetry-Slam-Szene. Der Darmstädter hat etliche Preise auf landesweiten Poetry Slams und Meisterschaften gewonnen und ist gern gesehener Gast bei zahlreichen Slams und im TV. In Südhessen kennt man Döring vor allem als Gastgeber der beliebten Slams beim „Frankenstein Kulturfestival“ und in der „Krone“, wo er im Januar sein erstes Soloprogramm „schade.“ vorstellen wird.

FRIZZmag: Du bist seit vielen Jahren als Poetry Slammer unterwegs und bringst als Gastgeber verschiedener Slams andere Wortakrobat:innen zusammen. Kannst du mal für eventuell unkundige Leser:innen beschreiben, was ein Poetry Slam ist?

Tilman Döring: Vereinfacht gesagt ist ein Poetry Slam ein Veranstaltungsformat, bei dem Poet:innen mit selbstverfassten Texten gegeneinander antreten. Es gibt einige wenige Regeln: Die Texte müssen selbst geschrieben sein, es gibt ein Zeitlimit für den Vortrag und es dürfen keine Requisiten benutzt werden. Das Publikum stimmt dann mittels Applaus oder über Wertetafeln über die Vorträge ab und am Ende des Abends gibt es dann eine:n Gewinner:in. Poetry Slam ist allerdings kein Genre. Die Texte können unterschiedlichster Art sein: Kurzgeschichten, Gedichte, Rap-Texte, Comedy. Poetry Slam war eigentlich als Satire gedacht. Mark Smith, der die ersten Poetry Slams Anfang der 80er in Chicago veranstaltet hat, war der Literaturbetrieb zu elitär. Er hatte, quasi als Pausenfüller, in einem Club seine Gedichte vorgetragen, gemerkt, dass die Leute darauf mega angesprungen sind, und hat dann das Slam-Format entwickelt, um Literatur wieder dahin zu bringen, wo die Leute sind. Daraus ist dann diese weltweite Bewegung entstanden, wobei hier in Deutschland eine der stärksten Slam-Szenen zu Hause ist. Ich liebe Slams nach wie vor sehr. Es ist einfach ein sehr niederschwelliges und vielfältiges Format, bei dem alle mitmachen können. Und mittlerweile findest du Slammer:innen nahezu überall in der Medienlandschaft, weil Poetry Slams auch für viele ein Sprungbrett sein können.

Was macht eine:n gute:n Poetry-Slammer:in aus, deiner Meinung nach?

Schwierige Frage. Es gibt da zwei wesentliche Parameter: Text und Performance. Ein Punkt, den Literaturkritiker:innen beim Slam-Format oft kritisieren, ist, dass sich alles nur um Performance drehen würde. Die Literaten sagen immer, dass ein guter Text auf Papier wirken muss. Es gibt aber Texte, die wirken nicht auf Blatt, aber wenn die richtige Person da oben steht und den rausballert, dann kann der eine heftige Wirkung erzeugen. Ein schlechter Text, gut performt, bringt mehr Punkte beim Publikum als ein schlecht performter, guter Text. Meiner Meinung nach müssen gute Slammer:innen ein sehr gutes Gespür für Literatur und für Sprache mitbringen. Sie müssen reimen können, eine Dringlichkeit in ihre Texte legen und sollten auf jeden Fall Lust auf Performance haben. 

Du bist erst 34, aber bereits ein „Szene-Urgestein“. Wie bist du zum Slammen gekommen?

Ich gehöre hierzulande zum Ende der ersten Generation, würde ich sagen. Mit Slams in Berührung gekommen bin ich so um 2003 und damals war die Szene noch alles andere als professionell. Damals hatte die Deutsche Meisterschaft in Darmstadt stattgefunden, das wäre heute nicht mehr vorstellbar, weil das inzwischen ein riesiges Event geworden ist. Alex Deppert hat zu dieser Zeit das Slam-Format nach Darmstadt geholt. Er ist mit meinem Vater befreundet und wusste, dass ich rappe und Texte schreibe. Er fragte, ob ich Lust hätte, mal bei einer Veranstaltung mitzumachen, und so bin ich mit 14 zu meinem ersten Slam gekommen. Ganz naiv da mitgemacht und auch gleich das Ding gewonnen. Ab da war ich Feuer und Flamme! Ich habe dann bei der „Dichterschlacht“ mitgemacht und bin sehr schnell in ganz Deutschland unterwegs gewesen, obwohl ich ja noch ein Teenie war. Meine Ferien habe ich mit Rumfahren und Slam-Auftritten verbracht.      

Gemeinsam mit Nick Duschek hast du vor einigen Jahren das Duo „Duschek und Döring“ gestartet, bei dem ihr euer poetisches Talent um Kabarett, Musik und Comedy erweitert habt. Was hat hier den Ausschlag gegeben? Wurde dir das „Slam-Korsett“ irgendwann zu eng?

Man schreibt schon immer sehr für dieses Slam-Format. Da war aber auch immer ein großer Hang zur Musik. Ich hatte ja, wie schon erwähnt, mit Rap angefangen und auch Gitarre gespielt. Über die Slams habe ich viele Musiker kennengelernt und auch für einige Bands und Musiker im Lauf der Jahre immer wieder Songtexte geschrieben. Nick ist ja Musiker und hatte nur am Rande mit Slams zu tun. Wir hatten schon immer einen guten Draht und dann hat er meine Ideen irgendwann in Songs verwandelt, ich mit Ukulele dazu und dann war ich schon mittendrin, meinen Traum, mich auch mal in Richtung Singer-Songwriter auszuprobieren, zu verwirklichen. Ohne die Erfahrungen als Slammer hätte es dieses Projekt aber wohl nicht gegeben. Unser Programm hat viel auch davon gelebt, dass ich diesen Slam-Background habe. Unsere Konzerte waren auch keine klassischen Konzerte, sondern immer ein Gemisch aus Songs, Comedy, Lyrik und improvisierten Moderationen. Das war eine Kombination, die sehr bei den Leuten angekommen ist. 

Du bist multipel begabt: Du schreibst Texte, machst Musik, moderierst, bist zudem noch als Webdesigner kreativ. Gibt’s eigentlich etwas, das dir nicht liegt?  

Mathe! (lacht) Aber Talente zu haben, bedeutet auch viel Arbeit. Es ist nicht so, dass einem alles einfach zufällt. Ich habe an meiner jetzigen Figur auf der Bühne gut zehn Jahre gearbeitet. Und hinter all dem, was man auf der Bühne sieht, steht auch ganz viel „Trial und Error“ und jede Menge Scheitern, bis alles irgendwann sitzt. Dass ich in vielen Dingen so ein Stück weit begabt bin, liegt auch ein Stück weit an meinem ADHS, denke ich. Wenn mich etwas begeistert, kann ich mich da sehr schnell reinfinden und bin mit Leidenschaft dabei. Was mir aber nicht so liegt, mich auf eine Sache voll zu fokussieren und die dann richtig, richtig gut draufzuhaben. Dafür bin ich einfach zu neugierig und möchte immer wieder neue Dinge entdecken und ausprobieren. Ich möchte nicht, dass mir langweilig wird. Schon gar nicht in der Kunst.  

Mit „schade.“ stellst du im Januar in der „Krone“ dein erstes Soloprogramm vor, das laut Presseinfo „… Lyrik und Rap, Prosa und Comedy mit improvisierten Moderationen und Chaos verbindet“. Klingt nach einem wilden Abend. Was erwartet die Zuschauer:innen?

Wie du schon sagst: ein ziemlicher wilder Abend! Ein Soloprogramm zu haben, war schon immer ein Traum von mir. Davon träume ich schon, seit ich auf der Bühne stehe. Ich hatte so eine Phase mit Mitte 20, in der ich so ein bisschen auf der Suche war. Ich habe damals irgendwie immer darauf gewartet, berühmt zu werden. Dass eine Agentur auf mich zukommt und sagt: „Du bist gut, lass uns ein Soloprogramm für dich auf die Beine stellen.“ Aber das passierte nie. Also war klar, ich muss das selbst machen. Ich habe mir dann erste Termine gebucht, ohne dass das Programm schon fertig geschrieben war. Ich hatte aber natürlich im Hinterkopf, dass sich über die Jahre schon jede Menge Material angesammelt hatte. Ich spiele Lieder mit der Ukulele, trage ernste Slamtexte vor und auch lustige. Ich bin Rapper und mache Beatbox-Sachen. Die Frage war nur, wie ich das alles unter einen Hut kriege. Ich habe dann sehr viel über's Publikum nachgedacht und für wen ich das mache. Irgendwann kam dann die Erkenntnis: „Scheiß drauf! Es geht darum, mich zu zeigen. Ich mache einfach, was ich will.“ Und das ist das Schöne an einem Soloprogramm: Du kannst machen, was du willst. Ich wandele ja immer schon zwischen der sogenannten „E“- und „U“-Kultur und kann mich nie für eine Seite entscheiden. Das muss ich aber auch nicht und das wird in „schade.“ deutlich. Und es funktioniert super! Vor allem, weil ich mir auch Raum für das Unbekannte lasse und immer wieder auf Stimmungen reagiere. Dass jeder Abend anders ist, diese Einmaligkeit – das ist die Stärke der Bühne.  

2014 bist du zum Studium nach Hildesheim gezogen. Deiner alten Heimat Darmstadt bist du aber seither immer künstlerisch verbunden geblieben. Wie siehst du Darmstadt als Kulturschaffender?

Sehr stark. Wenn ich Darmstadt mit Hildesheim vergleiche, das von der Größe ja auch nicht gerade klein ist und zudem über einen „Kunst-Campus“ verfügt, ist Darmstadt ein Paradies! In Hildesheim ist die ganze Zeit Aufbauarbeit nötig, während Darmstadt schon seit vielen Jahren super funktioniert. Darmstadt war schon immer eine „Slam-Hochburg“, Veranstaltungen stets super besucht mit einem frenetischen Publikum. Das hat sich bis heute nicht geändert. Und Darmstadt war die erste Stadt, die ich als mein Zuhause bezeichnen würde. Ich bin in Leipzig geboren, mein Vater wurde als Schriftsteller erfolgreich und wir zogen viel herum: Rom, Meran, Stuttgart, Worpswede. Ich war lange entwurzelt und habe in Darmstadt schließlich eine ganz enge Beziehung zur Kulturszene aufgebaut. Im „Hoffart Theater“, in dem ich mein FSJ absolvieren durfte, habe ich schließlich meine Liebe zur Bühne gefunden.  

Du wirst Darmstadt also auch in Zukunft sehr verbunden bleiben?

Ich habe nicht vor, in Darmstadt aufzuhören. Ganz im Gegenteil! Wir haben zum Beispiel den „Hessenslam“ zum ersten Mal nach zehn Jahren 2024 wieder nach Darmstadt geholt und sind schon kräftig am Vorbereiten. Die Vorrunden werden in der „Krone“ stattfinden und das Finale in der „Centralstation“. Und ich plane schon Workshops in Darmstadt für 2025. Ich werde also nicht aus Darmstadt verschwinden, auch wenn ich dort nicht mehr wohne. Die meisten Leute scheinen gar nicht gemerkt zu haben, dass ich nicht mehr bei euch lebe (lacht).   

Vielen Dank für das Gespräch.

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