„Ich betrachte mich als emotionale Aktivistin“

„CATT“ live zu Gast in der „Centralstation“

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Mit träumerischen Popsongs abseits des Mainstreams begeistert Catharina Schorling alias „CATT“ seit der Veröffentlichung ihrer Debüt-EP „Moon“ 2019 Fans und Kritiker:innen gleichermaßen. Im vergangenen März erschien das zweite Studioalbum „Change“, das die Sängerin und Multiinstrumentalistin im Februar live in Darmstadt vorstellt. FRIZZmag hat „CATT" vorab zum Gespräch getroffen.

FRIZZmag: 2018 hast du deinen ersten Song „Moon“ online gestellt, es folgten die gleichnamige Debüt-EP, die beiden Alben „Why, Why“ und „Change“ und nach gerade mal fünf Jahren ziert dein Gesicht Werbetafeln auf dem Times Square in New York und du tourst durch Europa. Ist dieser Erfolg primär deiner Musik zu verdanken oder bist du auch eine sehr hart arbeitende Künstlerin?

CATT: Gute Frage. Es ist wohl allem zu verdanken. Sowohl der Musik, die in den vergangenen fünf Jahren immer mehr Menschen gefunden hat, die sie berührt, wofür ich sehr dankbar bin. Dann gibt es aber auch noch ein Team, das in ganz unterschiedlichen Bereichen mitarbeitet, und ohne dieses Team wäre es gar nicht möglich, das alles auf die Beine zu stellen. Das sind ganz viele kleine Teile, die zum Gelingen beitragen, aber am Ende ist es die Musik, die entscheidet, wo die Reise hingeht.  

Du bist in einem kleinen Dorf im niedersächsischen Wendland aufgewachsen, eine Gegend, die nicht unbedingt als Hotspot angehender Popstars bekannt ist. Du hast früh angefangen, Klavier und Posaune zu lernen und im Chor gesungen. War dir damals schon klar, dass die Musik mal dein Beruf werden würde?

Überhaupt nicht. Wir hatten zwar immer schon einen Flügel im Haus und Musik war immer sehr präsent, vor allem durch meine Eltern, die Kirchenmusik machen. Ich habe dann Klavier und auch Posaune gelernt, um sonntags die Choräle zu begleiten. Parallel hierzu habe ich irgendwann begonnen, CDs zu sammeln und mich für Popmusik zu interessieren. So einen richtigen Zugang hatte ich aber nicht. Das Internet war noch recht rudimentär und auf dem Dorf natürlich extrem langsam. Man kam an nichts so richtig ran. Ich habe sehr viel Musik gemacht, aber gar nicht gewusst, dass das auch ein Beruf sein kann. Es gab keine Vorbilder und keine Idee davon, wie das ist, Musikerin zu sein. Eigentlich wollte ich dann nach dem Abi erst mal ein FSJ in Costa Rica machen, aber zufällig hatte ich von einem Studiengang „Musikproduktion“ in Berlin erfahren und habe mich dann für dieses Studium entschieden. Das war wie ein Wink des Schicksals.    

Parallel zu deinem Studium hast du erste Jobs als Studio- und Livemusikerin für andere Künstler:innen übernommen. Wie wichtig war der Umzug vom Dorf in die Großstadt Berlin für dich, rückblickend betrachtet?

Das war wegweisend, der Umzug hat alles verändert! Auf einmal war ich dauernd unter Musiker:innen und habe ganz viel Neues kennengelernt. In Berlin gab es auf einmal so viele Möglichkeiten und auch das Studium hat mir neue Einblicke ins Popmusik-Business gegeben, die ich vorher so nicht hatte. Das Kind vom Land steckt aber immer noch in mir. Ich bin gewohnt, wenn etwas nicht läuft oder funktioniert, muss man es selbst zum Laufen bringen. Dieses Mindset hat mir dann schließlich geholfen, mein eigenes Projekt aufzubauen.  

In Berlin hast du dann auch an ersten eigenen Liedern gearbeitet. Was hat schließlich den Ausschlag gegeben, als Solokünstlerin in Erscheinung zu treten?

Ich habe schon früher, als ich für andere Künstler:innen auf der Bühne stand, gespürt, dass ich ein starkes Gespür für Ausdruck habe. Ich habe da immer sehr viel von mir reingegeben, weil ich Lust hatte, das mit meinen Ideen auszufüllen. In der zweiten Reihe habe ich mehr und mehr gemerkt, dass ich selbst gerne eigene Ideen vorne umsetzen würde. Im Nachhinein fühlen sich diese Jobs für andere Künstler:innen wie ein Aufwärmtraining an. Ich war im Studio auf großen Tourneen mit Künstlerinnen wie Sarah Connor und habe überall Erfahrungen sammeln können. Ich habe diese Jobs dann noch etwa zwei Jahre parallel zu meinen eigenen Sachen gemacht, aber irgendwann wurde es einfach zu viel. Seither konzentriere ich mich ganz auf meine eigene Musik. Es hat mich allerdings anfänglich etwas Mut gekostet, diese sicheren Jobs als „Dienstleistungsmusikerin“ aufzugeben. 

Deine Musik ist sehr vielfältig und streift verschiedene Genres. Was sind deine musikalischen Einflüsse?

Ich bin mit klassischer Musik aufgewachsen. Ich habe klassisches Klavier gespielt, bis ich ungefähr 18 war. Dieser Farbenreichtum klassischer Musik und auch, dass ich mich durch meine Ausbildung sehr frei auf dem Klavier ausdrücken kann, hat sicher auch Einfluss auf mein eigenes, eher am Pop orientiertes Songwriting. Allerdings habe ich mich auch schon als Kind für Popmusik interessiert und alles gehört, was ich finden konnte. Später habe ich dann, trotz des lahmen Dorfanschlusses, übers Internet die „TV Noir“-Konzertreihe kennengelernt und mich für Singer/Songwriter-Sachen interessiert. Konkrete Einflüsse kann ich gar nicht benennen, ich denke, es sind die ganzen Dinge, die ich auf meinem Weg über die Jahre eingesammelt habe.  

Deine Songs zeichnen sich auch durch ihre z. T. sehr gefühlvollen, träumerischen Texte aus. Ich denke da an „Curve a line“ von „Why, Why“. Woher nimmst du die Inspirationen für deine Texte?

Wenn ich einen Text schreibe, ist der immer getriggert von einem Gefühl oder einer Geschichte, die ich gerade erlebe. Von etwas, das mich emotional berührt. Dann schreibe ich direkt etwas dazu auf, meistens schon am Klavier. Dann ist das meine eigene Geschichte und mit der geht’s immer erst mal los. Musik und Text entstehen dann fast immer in einem Fluss und irgendwann gibt es dann so einen Punkt, wo der Song mich an die Hand nimmt und aus meiner Geschichte so etwas wie ein „universelles Gefühl“ entsteht. Und das ist, was ein Lied im besten Falle kann: dein Gefühl so transportieren, dass jeder sich in diesem Gefühl und in dieser Geschichte wiederfinden kann. Der Song erzählt sich also irgendwann von selbst und ich folge ihm nur und gebe ihm die passende musikalische Gestalt. Früher habe ich sehr an meinen Fähigkeiten als Musikerin gearbeitet, wollte immer besser, virtuoser werden. Als ich dann anfing, meine eigene Musik zu schreiben, habe ich irgendwann gemerkt, dass es aufs Handwerkliche gar nicht so sehr ankommt. Es geht immer um den Song. 

Fällt es dir heute noch genauso leicht, deine Gefühle auszudrücken wie in deinen Anfangstagen als Songwriterin? Ist man als öffentlicher Mensch und Künstlerin nicht deutlich verletzlicher?

Ich lasse mich einfach in der Musik komplett treiben. Man muss da einfach hineinwachsen. Auch wenn die Hörerschaft größer wird, sollte mein Songwriting hiervon nicht beeinflusst werden. Zumal diese Hörerschaft dir ja folgt, weil sie das, was dich berührt, ebenso berührt. Ich denke, dass das auch eine meiner Aufgaben als Künstlerin ist: diese Direktheit, das Pure der Musik zu beschützen und sich den Mut zu bewahren, das immer direkt und ungefiltert rauszugeben. Ich habe neulich einen Satz gehört: „Es gibt einen Unterschied zwischen persönlich und privat“. Ich finde das sehr interessant, vor allem im Hinblick auf Social Media. Es ist toll, sich persönlich dort zu zeigen, aber man kann das Private außen vor lassen. Es braucht keine komplette private Nacktheit, um persönlich und emotional zu berühren. Dieser Ansatz hilft mir sehr, meinen Kompass auszurichten.  

Deine Texte sind auf Englisch. Du hast mit den besten deutschsprachigen Songwritern wie Niels Frevert oder Judith Holofernes zusammengearbeitet. Hast du den Wunsch verspürt, auch mal in deiner Muttersprache zu texten?

Bisher noch nicht. Ich habe schon seit meiner Kindheit, damals noch in so einem „Fake-Englisch“, meine Songs auf Englisch geschrieben. Ich habe einfach das Gefühl, dass ich meine Musik besser auf Englisch transportieren kann. Von der Klangsprache und vom Ausdruck fühlt sich das sehr natürlich und organisch auf Englisch an. Schön ist natürlich auch, dass ich mittlerweile in Europa touren kann und alle mich verstehen. Da öffnet die Sprache auch vieles. Aber wer weiß, was noch kommt.     

Im März ist dein zweites Album „Change“ erschienen, das nach eigener Aussage „der Soundtrack meines Lebens der letzten zwei Jahre“ ist. Worum geht es genau auf diesem Album? 

Wir, ich denke, ich spreche da nicht nur für mich, sind in den vergangenen zwei Jahren durch ganz viel Veränderung gegangen und stecken da zum Teil auch noch drin. Und es ist für mich als Individuum, aber auch im Kollektiven ziemlich herausfordernd, nicht zu wissen, wo’s eigentlich hingeht. Mein Album beschreibt ganz vielfältige Arten von Veränderung. Was Veränderung sein kann, was sie in uns auslösen kann. Ich würde mich freuen, wenn meine Songs Gefährten sein und Mut machen können. Um sich den ganzen Herausforderungen zu stellen, die das Leben mit sich bringt. 

Auf deiner Website steht zu lesen: „Es ist an der Zeit, dass wir wieder zu unserem einzigartigen Selbst werden! Die Welt braucht jeden von uns, stark und frei, seltsam und schön, wie wir sind.“ Woher nimmst du den Optimismus, dass in Zeiten von Krieg, wieder erstarktem Nationalismus und globalen Problemen wie dem Klimawandel die Menschen sich ihrer Stärke als Individuum bewusster werden und zueinander finden?

Wenn man das zu Ende denkt und durch die ganze Resignation, die ja verständlicherweise gerade vorherrscht, durchgeht, lande ich eigentlich immer an dem Punkt, an dem ich mich frage: „Was können wir denn verändern?“ Und merke dann schnell, dass ich das verändern kann, was in meinem unmittelbaren Umfeld passiert, wer ich bin. Ich kann die Verantwortung für mein Sein übernehmen. Wenn sich jeder von uns so gut wie möglich von dem befreit, was einen gefangen hält, ein Leben zu führen, das sich gut und erfüllt anfühlt, ein Leben, in dem man spürt, dass man etwas verändern kann – sich selbst, die Art, wie man mit anderen Menschen umgeht und vieles andere – dann denke ich immer, dass das unsere einzige Chance ist. Dass jeder in seine eigene Größe wächst und jeder für sich herausfindet, was er machen kann und machen möchte, und man sich dann in einem großen Kollektiv zusammenfindet, um dann gemeinsam von innen heraus etwas zu verändern, das sich im Außen zu einem Großen, Gesunden entwickelt. Etwas Friedliches, in dem wir leben möchten und in dem jeder seinen Platz findet. Ich wünsche mir, dass jeder den Mut hat, in seine Stärke zu wachsen und die Verantwortung zu übernehmen, für das, was man gerade für gut und richtig hält. Und sich aber auch immer zu reflektieren. Dafür sind diese Songs da. Diese komplexen Dinge emotional zu begleiten. Ich betrachte mich da als emotionale Aktivistin, die das Gefühl vermitteln möchte: „Ich kann das fühlen, ich kann das machen und ich kann das verändern!“    

Vielen Dank für das Gespräch.

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